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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
und sehr unzufrieden war, wenn man den Selbst-
mord der Lucretia entschuldigte. Van Baaken
sprach sie zum ersten male auf einem Balle in einer
ansehnlichen Gesellschaft. Jhre Mienen waren
eben nicht abergläubisch, und dieses machte ihm
Muth, ihr einige galante Unflätereyen öffentlich
vorzusagen. Vielleicht hätte Clarimene diese lie-
ber in ihrem Zimmer gehört, als auf dem Balle:
Doch weil des van Baakens Person eben nicht
so gebaut war, daß man aus Liebe zu ihm eine
Grobheit übersahe; so glaubte sie, ihrem guten
Namen so viel schuldig zu seyn, daß sie ihren Un-
willen darüber äußerte. Er hatte auf Reisen wei-
ter nichts gelernt, als unverschämt zu seyn; er
wiederholte also mit lauter Stimme seinen Boots-
witz, und bekam dafür von Clarimenen ein paar
derbe friesländische Ohrfeigen. Van Baaken
ward bestürzt. Er sah es ein, daß er Unrecht ge-
habt hatte, und weil sein Herz nicht sowohl bos-
haft, als dummkühn war, so machte ihn dieser
Zufall ernsthafter, als er seit seiner Rückkunft von
Paris gewesen war. Er hielt diese Ohrfeigen
für einen göttlichen Wink, Clarimenen zu heira-
then; denn er schloß von ihrer geäußerten Empfind-
lichkeit auf ihre Keuschheit, von ihrer Keuschheit
auf alle übrige weibliche Tugenden, und von
diesen auf das seltne Glück, das er in einer Ehe
mit ihr zu genießen haben würde. Er war sehr
eifersüchtig; und bey Clarimenen hoffte er, nicht
Ursache zu haben, eifersüchtig zu seyn. War
etwas natürlicher, als seine Hoffnung, Clari-

mene,

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
und ſehr unzufrieden war, wenn man den Selbſt-
mord der Lucretia entſchuldigte. Van Baaken
ſprach ſie zum erſten male auf einem Balle in einer
anſehnlichen Geſellſchaft. Jhre Mienen waren
eben nicht aberglaͤubiſch, und dieſes machte ihm
Muth, ihr einige galante Unflaͤtereyen oͤffentlich
vorzuſagen. Vielleicht haͤtte Clarimene dieſe lie-
ber in ihrem Zimmer gehoͤrt, als auf dem Balle:
Doch weil des van Baakens Perſon eben nicht
ſo gebaut war, daß man aus Liebe zu ihm eine
Grobheit uͤberſahe; ſo glaubte ſie, ihrem guten
Namen ſo viel ſchuldig zu ſeyn, daß ſie ihren Un-
willen daruͤber aͤußerte. Er hatte auf Reiſen wei-
ter nichts gelernt, als unverſchaͤmt zu ſeyn; er
wiederholte alſo mit lauter Stimme ſeinen Boots-
witz, und bekam dafuͤr von Clarimenen ein paar
derbe frieslaͤndiſche Ohrfeigen. Van Baaken
ward beſtuͤrzt. Er ſah es ein, daß er Unrecht ge-
habt hatte, und weil ſein Herz nicht ſowohl bos-
haft, als dummkuͤhn war, ſo machte ihn dieſer
Zufall ernſthafter, als er ſeit ſeiner Ruͤckkunft von
Paris geweſen war. Er hielt dieſe Ohrfeigen
fuͤr einen goͤttlichen Wink, Clarimenen zu heira-
then; denn er ſchloß von ihrer geaͤußerten Empfind-
lichkeit auf ihre Keuſchheit, von ihrer Keuſchheit
auf alle uͤbrige weibliche Tugenden, und von
dieſen auf das ſeltne Gluͤck, das er in einer Ehe
mit ihr zu genießen haben wuͤrde. Er war ſehr
eiferſuͤchtig; und bey Clarimenen hoffte er, nicht
Urſache zu haben, eiferſuͤchtig zu ſeyn. War
etwas natuͤrlicher, als ſeine Hoffnung, Clari-

mene,
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[251/0273] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. und ſehr unzufrieden war, wenn man den Selbſt- mord der Lucretia entſchuldigte. Van Baaken ſprach ſie zum erſten male auf einem Balle in einer anſehnlichen Geſellſchaft. Jhre Mienen waren eben nicht aberglaͤubiſch, und dieſes machte ihm Muth, ihr einige galante Unflaͤtereyen oͤffentlich vorzuſagen. Vielleicht haͤtte Clarimene dieſe lie- ber in ihrem Zimmer gehoͤrt, als auf dem Balle: Doch weil des van Baakens Perſon eben nicht ſo gebaut war, daß man aus Liebe zu ihm eine Grobheit uͤberſahe; ſo glaubte ſie, ihrem guten Namen ſo viel ſchuldig zu ſeyn, daß ſie ihren Un- willen daruͤber aͤußerte. Er hatte auf Reiſen wei- ter nichts gelernt, als unverſchaͤmt zu ſeyn; er wiederholte alſo mit lauter Stimme ſeinen Boots- witz, und bekam dafuͤr von Clarimenen ein paar derbe frieslaͤndiſche Ohrfeigen. Van Baaken ward beſtuͤrzt. Er ſah es ein, daß er Unrecht ge- habt hatte, und weil ſein Herz nicht ſowohl bos- haft, als dummkuͤhn war, ſo machte ihn dieſer Zufall ernſthafter, als er ſeit ſeiner Ruͤckkunft von Paris geweſen war. Er hielt dieſe Ohrfeigen fuͤr einen goͤttlichen Wink, Clarimenen zu heira- then; denn er ſchloß von ihrer geaͤußerten Empfind- lichkeit auf ihre Keuſchheit, von ihrer Keuſchheit auf alle uͤbrige weibliche Tugenden, und von dieſen auf das ſeltne Gluͤck, das er in einer Ehe mit ihr zu genießen haben wuͤrde. Er war ſehr eiferſuͤchtig; und bey Clarimenen hoffte er, nicht Urſache zu haben, eiferſuͤchtig zu ſeyn. War etwas natuͤrlicher, als ſeine Hoffnung, Clari- mene,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/273>, abgerufen am 22.11.2024.