Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
Frau und für Kinder gesorgt hat, wird auch für
Brodt sorgen. Er erhalte nur meiner Frau ihre
Gesichtsbildung, und dem Herrn Oberamtmanne
sein christliches Herz. Jch will mir alles gefallen
lassen. Das ist mein Lebenslauf, wie sie ihn
verlangt haben. Leben sie wohl.

N. N. ist ein unglückliches Opfer von dem
Eigennutze ihres Vaters geworden. Sie besaß
alle Tugenden einer Weibsperson, und fast keinen
einzigen von den Fehlern derselben. Sie war so
schön gebildet, daß selbst Frauenzimmer nichts an
ihrer Schönheit zu tadeln fanden, und doch war
sie dabey so tugendhaft, daß auch die ungezogen-
sten Mannspersonen Ehrfurcht für sie hegten,
und in ihrer Gegenwart sich vernünftig aufführ-
ten. Mit einem Worte: Sie war das, was alle
ihres Geschlechts seyn wollen, und nicht alle sind.
Sie war also eines vernünftigen Vaters, und ei-
nes bessern Glücks würdig. Jhr ungerechter Va-
ter hatte die Vormundschaft über einen jungen
Menschen gehabt, und diese so eigennützig verwal-
tet, daß er mit Zittern an die Zeit gedachte, in
welcher ihn die Obrigkeit nöthigen würde, Rech-
nung abzulegen. Dieser Mündel besaß, außer ei-
ner ansehnlichen Herkunft, und einem großen Ver-
mögen, die geringsten Eigenschaften nicht, die ihm
einiges Vorrecht vor dem Pöbel gegeben hätten.
Ein Körper, der nach allen Regeln der Häßlich-
keit gebaut war, würde sich haben entschuldigen
lassen, wenn seine Seele nicht noch häßlicher gewe-

sen

Antons Panßa von Mancha
Frau und fuͤr Kinder geſorgt hat, wird auch fuͤr
Brodt ſorgen. Er erhalte nur meiner Frau ihre
Geſichtsbildung, und dem Herrn Oberamtmanne
ſein chriſtliches Herz. Jch will mir alles gefallen
laſſen. Das iſt mein Lebenslauf, wie ſie ihn
verlangt haben. Leben ſie wohl.

N. N. iſt ein ungluͤckliches Opfer von dem
Eigennutze ihres Vaters geworden. Sie beſaß
alle Tugenden einer Weibsperſon, und faſt keinen
einzigen von den Fehlern derſelben. Sie war ſo
ſchoͤn gebildet, daß ſelbſt Frauenzimmer nichts an
ihrer Schoͤnheit zu tadeln fanden, und doch war
ſie dabey ſo tugendhaft, daß auch die ungezogen-
ſten Mannsperſonen Ehrfurcht fuͤr ſie hegten,
und in ihrer Gegenwart ſich vernuͤnftig auffuͤhr-
ten. Mit einem Worte: Sie war das, was alle
ihres Geſchlechts ſeyn wollen, und nicht alle ſind.
Sie war alſo eines vernuͤnftigen Vaters, und ei-
nes beſſern Gluͤcks wuͤrdig. Jhr ungerechter Va-
ter hatte die Vormundſchaft uͤber einen jungen
Menſchen gehabt, und dieſe ſo eigennuͤtzig verwal-
tet, daß er mit Zittern an die Zeit gedachte, in
welcher ihn die Obrigkeit noͤthigen wuͤrde, Rech-
nung abzulegen. Dieſer Muͤndel beſaß, außer ei-
ner anſehnlichen Herkunft, und einem großen Ver-
moͤgen, die geringſten Eigenſchaften nicht, die ihm
einiges Vorrecht vor dem Poͤbel gegeben haͤtten.
Ein Koͤrper, der nach allen Regeln der Haͤßlich-
keit gebaut war, wuͤrde ſich haben entſchuldigen
laſſen, wenn ſeine Seele nicht noch haͤßlicher gewe-

ſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0270" n="248"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
Frau und fu&#x0364;r Kinder ge&#x017F;orgt hat, wird auch fu&#x0364;r<lb/>
Brodt &#x017F;orgen. Er erhalte nur meiner Frau ihre<lb/>
Ge&#x017F;ichtsbildung, und dem Herrn Oberamtmanne<lb/>
&#x017F;ein chri&#x017F;tliches Herz. Jch will mir alles gefallen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Das i&#x017F;t mein Lebenslauf, wie &#x017F;ie ihn<lb/>
verlangt haben. Leben &#x017F;ie wohl.</p><lb/>
          <p>N. N. i&#x017F;t ein unglu&#x0364;ckliches Opfer von dem<lb/>
Eigennutze ihres Vaters geworden. Sie be&#x017F;<lb/>
alle Tugenden einer Weibsper&#x017F;on, und fa&#x017F;t keinen<lb/>
einzigen von den Fehlern der&#x017F;elben. Sie war &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n gebildet, daß &#x017F;elb&#x017F;t Frauenzimmer nichts an<lb/>
ihrer Scho&#x0364;nheit zu tadeln fanden, und doch war<lb/>
&#x017F;ie dabey &#x017F;o tugendhaft, daß auch die ungezogen-<lb/>
&#x017F;ten Mannsper&#x017F;onen Ehrfurcht fu&#x0364;r &#x017F;ie hegten,<lb/>
und in ihrer Gegenwart &#x017F;ich vernu&#x0364;nftig auffu&#x0364;hr-<lb/>
ten. Mit einem Worte: Sie war das, was alle<lb/>
ihres Ge&#x017F;chlechts &#x017F;eyn wollen, und nicht alle &#x017F;ind.<lb/>
Sie war al&#x017F;o eines vernu&#x0364;nftigen Vaters, und ei-<lb/>
nes be&#x017F;&#x017F;ern Glu&#x0364;cks wu&#x0364;rdig. Jhr ungerechter Va-<lb/>
ter hatte die Vormund&#x017F;chaft u&#x0364;ber einen jungen<lb/>
Men&#x017F;chen gehabt, und die&#x017F;e &#x017F;o eigennu&#x0364;tzig verwal-<lb/>
tet, daß er mit Zittern an die Zeit gedachte, in<lb/>
welcher ihn die Obrigkeit no&#x0364;thigen wu&#x0364;rde, Rech-<lb/>
nung abzulegen. Die&#x017F;er Mu&#x0364;ndel be&#x017F;aß, außer ei-<lb/>
ner an&#x017F;ehnlichen Herkunft, und einem großen Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen, die gering&#x017F;ten Eigen&#x017F;chaften nicht, die ihm<lb/>
einiges Vorrecht vor dem Po&#x0364;bel gegeben ha&#x0364;tten.<lb/>
Ein Ko&#x0364;rper, der nach allen Regeln der Ha&#x0364;ßlich-<lb/>
keit gebaut war, wu&#x0364;rde &#x017F;ich haben ent&#x017F;chuldigen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;eine Seele nicht noch ha&#x0364;ßlicher gewe-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0270] Antons Panßa von Mancha Frau und fuͤr Kinder geſorgt hat, wird auch fuͤr Brodt ſorgen. Er erhalte nur meiner Frau ihre Geſichtsbildung, und dem Herrn Oberamtmanne ſein chriſtliches Herz. Jch will mir alles gefallen laſſen. Das iſt mein Lebenslauf, wie ſie ihn verlangt haben. Leben ſie wohl. N. N. iſt ein ungluͤckliches Opfer von dem Eigennutze ihres Vaters geworden. Sie beſaß alle Tugenden einer Weibsperſon, und faſt keinen einzigen von den Fehlern derſelben. Sie war ſo ſchoͤn gebildet, daß ſelbſt Frauenzimmer nichts an ihrer Schoͤnheit zu tadeln fanden, und doch war ſie dabey ſo tugendhaft, daß auch die ungezogen- ſten Mannsperſonen Ehrfurcht fuͤr ſie hegten, und in ihrer Gegenwart ſich vernuͤnftig auffuͤhr- ten. Mit einem Worte: Sie war das, was alle ihres Geſchlechts ſeyn wollen, und nicht alle ſind. Sie war alſo eines vernuͤnftigen Vaters, und ei- nes beſſern Gluͤcks wuͤrdig. Jhr ungerechter Va- ter hatte die Vormundſchaft uͤber einen jungen Menſchen gehabt, und dieſe ſo eigennuͤtzig verwal- tet, daß er mit Zittern an die Zeit gedachte, in welcher ihn die Obrigkeit noͤthigen wuͤrde, Rech- nung abzulegen. Dieſer Muͤndel beſaß, außer ei- ner anſehnlichen Herkunft, und einem großen Ver- moͤgen, die geringſten Eigenſchaften nicht, die ihm einiges Vorrecht vor dem Poͤbel gegeben haͤtten. Ein Koͤrper, der nach allen Regeln der Haͤßlich- keit gebaut war, wuͤrde ſich haben entſchuldigen laſſen, wenn ſeine Seele nicht noch haͤßlicher gewe- ſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/270
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/270>, abgerufen am 17.05.2024.