Frau und für Kinder gesorgt hat, wird auch für Brodt sorgen. Er erhalte nur meiner Frau ihre Gesichtsbildung, und dem Herrn Oberamtmanne sein christliches Herz. Jch will mir alles gefallen lassen. Das ist mein Lebenslauf, wie sie ihn verlangt haben. Leben sie wohl.
N. N. ist ein unglückliches Opfer von dem Eigennutze ihres Vaters geworden. Sie besaß alle Tugenden einer Weibsperson, und fast keinen einzigen von den Fehlern derselben. Sie war so schön gebildet, daß selbst Frauenzimmer nichts an ihrer Schönheit zu tadeln fanden, und doch war sie dabey so tugendhaft, daß auch die ungezogen- sten Mannspersonen Ehrfurcht für sie hegten, und in ihrer Gegenwart sich vernünftig aufführ- ten. Mit einem Worte: Sie war das, was alle ihres Geschlechts seyn wollen, und nicht alle sind. Sie war also eines vernünftigen Vaters, und ei- nes bessern Glücks würdig. Jhr ungerechter Va- ter hatte die Vormundschaft über einen jungen Menschen gehabt, und diese so eigennützig verwal- tet, daß er mit Zittern an die Zeit gedachte, in welcher ihn die Obrigkeit nöthigen würde, Rech- nung abzulegen. Dieser Mündel besaß, außer ei- ner ansehnlichen Herkunft, und einem großen Ver- mögen, die geringsten Eigenschaften nicht, die ihm einiges Vorrecht vor dem Pöbel gegeben hätten. Ein Körper, der nach allen Regeln der Häßlich- keit gebaut war, würde sich haben entschuldigen lassen, wenn seine Seele nicht noch häßlicher gewe-
sen
Antons Panßa von Mancha
Frau und fuͤr Kinder geſorgt hat, wird auch fuͤr Brodt ſorgen. Er erhalte nur meiner Frau ihre Geſichtsbildung, und dem Herrn Oberamtmanne ſein chriſtliches Herz. Jch will mir alles gefallen laſſen. Das iſt mein Lebenslauf, wie ſie ihn verlangt haben. Leben ſie wohl.
N. N. iſt ein ungluͤckliches Opfer von dem Eigennutze ihres Vaters geworden. Sie beſaß alle Tugenden einer Weibsperſon, und faſt keinen einzigen von den Fehlern derſelben. Sie war ſo ſchoͤn gebildet, daß ſelbſt Frauenzimmer nichts an ihrer Schoͤnheit zu tadeln fanden, und doch war ſie dabey ſo tugendhaft, daß auch die ungezogen- ſten Mannsperſonen Ehrfurcht fuͤr ſie hegten, und in ihrer Gegenwart ſich vernuͤnftig auffuͤhr- ten. Mit einem Worte: Sie war das, was alle ihres Geſchlechts ſeyn wollen, und nicht alle ſind. Sie war alſo eines vernuͤnftigen Vaters, und ei- nes beſſern Gluͤcks wuͤrdig. Jhr ungerechter Va- ter hatte die Vormundſchaft uͤber einen jungen Menſchen gehabt, und dieſe ſo eigennuͤtzig verwal- tet, daß er mit Zittern an die Zeit gedachte, in welcher ihn die Obrigkeit noͤthigen wuͤrde, Rech- nung abzulegen. Dieſer Muͤndel beſaß, außer ei- ner anſehnlichen Herkunft, und einem großen Ver- moͤgen, die geringſten Eigenſchaften nicht, die ihm einiges Vorrecht vor dem Poͤbel gegeben haͤtten. Ein Koͤrper, der nach allen Regeln der Haͤßlich- keit gebaut war, wuͤrde ſich haben entſchuldigen laſſen, wenn ſeine Seele nicht noch haͤßlicher gewe-
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Antons Panßa von Mancha
Frau und fuͤr Kinder geſorgt hat, wird auch fuͤr
Brodt ſorgen. Er erhalte nur meiner Frau ihre
Geſichtsbildung, und dem Herrn Oberamtmanne
ſein chriſtliches Herz. Jch will mir alles gefallen
laſſen. Das iſt mein Lebenslauf, wie ſie ihn
verlangt haben. Leben ſie wohl.
N. N. iſt ein ungluͤckliches Opfer von dem
Eigennutze ihres Vaters geworden. Sie beſaß
alle Tugenden einer Weibsperſon, und faſt keinen
einzigen von den Fehlern derſelben. Sie war ſo
ſchoͤn gebildet, daß ſelbſt Frauenzimmer nichts an
ihrer Schoͤnheit zu tadeln fanden, und doch war
ſie dabey ſo tugendhaft, daß auch die ungezogen-
ſten Mannsperſonen Ehrfurcht fuͤr ſie hegten,
und in ihrer Gegenwart ſich vernuͤnftig auffuͤhr-
ten. Mit einem Worte: Sie war das, was alle
ihres Geſchlechts ſeyn wollen, und nicht alle ſind.
Sie war alſo eines vernuͤnftigen Vaters, und ei-
nes beſſern Gluͤcks wuͤrdig. Jhr ungerechter Va-
ter hatte die Vormundſchaft uͤber einen jungen
Menſchen gehabt, und dieſe ſo eigennuͤtzig verwal-
tet, daß er mit Zittern an die Zeit gedachte, in
welcher ihn die Obrigkeit noͤthigen wuͤrde, Rech-
nung abzulegen. Dieſer Muͤndel beſaß, außer ei-
ner anſehnlichen Herkunft, und einem großen Ver-
moͤgen, die geringſten Eigenſchaften nicht, die ihm
einiges Vorrecht vor dem Poͤbel gegeben haͤtten.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/270>, abgerufen am 22.11.2024.
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