Alles dieses führe ich auf Verlangen eines meiner Freunde an, welcher erst sechs und dreyßig Jahre alt, und doch schon Großvater, und dem ohnerachtet, noch bis auf diese Stunde unmündig ist. Jch will seinen kurzen Lebenslauf hier mit den Worten einrücken, wie er mir ihn selbst auf- gesetzt hat.
Jch war sechzehen Jahre alt, als mich mein Vater nach Duisburg auf die Universität schickte. So lange ich bey ihm im Hause war, hielt er mich strenge. Es geschahe dieses wider den Willen meiner Mutter. Jch war ihr einziger Erbe; sie liebte mich also sehr zärtlich. Wenn ich fromm und fleißig seyn würde, so sollte ich auch eine hüb- sche Frau kriegen; dieses war ihr täglicher Segen, welcher, von meinem vierzehnten Jahre an, so stark in meiner Seele wirkte, daß ich immer glaubte, fromm und fleißig genug zu seyn, und immer mit Ungeduld auf eine hübsche Frau war- tete. Die Ernsthaftigkeit meines Vaters ward mir endlich unerträglich. Jch gewann meine Mutter, welche auf meine Vorstellung glaubte, ich sey gelehrt genug, auf die Universität zu zie- hen; und was sie glaubte, fand mein Vater immer billig, so streng er sonst war. Jch kam also nach Duisburg, unter den zärtlichen Wünschen mei- ner Mutter, daß ich recht fromm und fleißig seyn möchte, damit sie mir bald eine hübsche Frau ge- ben könnte. Dieser mütterliche Segen ward mir verdächtig, weil ich drey Jahre vergebens darauf
gewar-
Antons Panßa von Mancha
Alles dieſes fuͤhre ich auf Verlangen eines meiner Freunde an, welcher erſt ſechs und dreyßig Jahre alt, und doch ſchon Großvater, und dem ohnerachtet, noch bis auf dieſe Stunde unmuͤndig iſt. Jch will ſeinen kurzen Lebenslauf hier mit den Worten einruͤcken, wie er mir ihn ſelbſt auf- geſetzt hat.
Jch war ſechzehen Jahre alt, als mich mein Vater nach Duisburg auf die Univerſitaͤt ſchickte. So lange ich bey ihm im Hauſe war, hielt er mich ſtrenge. Es geſchahe dieſes wider den Willen meiner Mutter. Jch war ihr einziger Erbe; ſie liebte mich alſo ſehr zaͤrtlich. Wenn ich fromm und fleißig ſeyn wuͤrde, ſo ſollte ich auch eine huͤb- ſche Frau kriegen; dieſes war ihr taͤglicher Segen, welcher, von meinem vierzehnten Jahre an, ſo ſtark in meiner Seele wirkte, daß ich immer glaubte, fromm und fleißig genug zu ſeyn, und immer mit Ungeduld auf eine huͤbſche Frau war- tete. Die Ernſthaftigkeit meines Vaters ward mir endlich unertraͤglich. Jch gewann meine Mutter, welche auf meine Vorſtellung glaubte, ich ſey gelehrt genug, auf die Univerſitaͤt zu zie- hen; und was ſie glaubte, fand mein Vater immer billig, ſo ſtreng er ſonſt war. Jch kam alſo nach Duisburg, unter den zaͤrtlichen Wuͤnſchen mei- ner Mutter, daß ich recht fromm und fleißig ſeyn moͤchte, damit ſie mir bald eine huͤbſche Frau ge- ben koͤnnte. Dieſer muͤtterliche Segen ward mir verdaͤchtig, weil ich drey Jahre vergebens darauf
gewar-
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Antons Panßa von Mancha
Alles dieſes fuͤhre ich auf Verlangen eines
meiner Freunde an, welcher erſt ſechs und dreyßig
Jahre alt, und doch ſchon Großvater, und dem
ohnerachtet, noch bis auf dieſe Stunde unmuͤndig
iſt. Jch will ſeinen kurzen Lebenslauf hier mit
den Worten einruͤcken, wie er mir ihn ſelbſt auf-
geſetzt hat.
Jch war ſechzehen Jahre alt, als mich mein
Vater nach Duisburg auf die Univerſitaͤt ſchickte.
So lange ich bey ihm im Hauſe war, hielt er mich
ſtrenge. Es geſchahe dieſes wider den Willen
meiner Mutter. Jch war ihr einziger Erbe; ſie
liebte mich alſo ſehr zaͤrtlich. Wenn ich fromm
und fleißig ſeyn wuͤrde, ſo ſollte ich auch eine huͤb-
ſche Frau kriegen; dieſes war ihr taͤglicher Segen,
welcher, von meinem vierzehnten Jahre an, ſo
ſtark in meiner Seele wirkte, daß ich immer
glaubte, fromm und fleißig genug zu ſeyn, und
immer mit Ungeduld auf eine huͤbſche Frau war-
tete. Die Ernſthaftigkeit meines Vaters ward
mir endlich unertraͤglich. Jch gewann meine
Mutter, welche auf meine Vorſtellung glaubte,
ich ſey gelehrt genug, auf die Univerſitaͤt zu zie-
hen; und was ſie glaubte, fand mein Vater immer
billig, ſo ſtreng er ſonſt war. Jch kam alſo nach
Duisburg, unter den zaͤrtlichen Wuͤnſchen mei-
ner Mutter, daß ich recht fromm und fleißig ſeyn
moͤchte, damit ſie mir bald eine huͤbſche Frau ge-
ben koͤnnte. Dieſer muͤtterliche Segen ward mir
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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