Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Abhandlung von Sprüchwörtern.

finden. Aber das setze ich zum voraus, daß seine
Frau eben so tugendhaft, eben so vernünftig sey,
als die Frau meines Freundes war; außerdem
treffen diese Grade nicht ein. Das habe ich doch
in der That vergessen, ob die Frau meines Freun-
des weiß oder braun war: Jch werde dieses dem
Ausspruche meiner Leserinnen überlassen; denn
mir ist es ganz unmöglich, mich darauf zu besinnen.

Jch habe mich vielleicht zu lange bey diesen
Ehen aufgehalten, an denen die Schönheit mehr
Antheil hat, als der Himmel. Aber vielleicht
entschuldigen mich diejenigen, welche bey den
Ehen unserer Mitbürger so aufmerksam sind, wie
ich, und daher auch so, wie ich, angemerkt ha-
ben, daß eben diese Ehen diejenigen sind, die dem
lieben Himmel die meiste Verantwortung machen.
Wir wollen weiter gehen.

Die Ehen, die man aus Eigennutze schließt,
werden dem Himmel auch sauer genug. Jch will
mich aber wohl hüten, von diesen Ehen gar zu
viel Böses zu reden; denn meine Freunde geben
mir Schuld, daß, wenn ich mich zum zweyten
male verheirathen sollte, so würde meine Ehe
gewiß nicht im Himmel, sondern im Comtoir ge-
schlossen werden. Jch kann mich bey diesem Vor-
wurfe beruhigen. Mir, als einem Wittwer, ist
es zu gute zu halten, wenn ich ein wenig mehr
aufs Nützliche und Gründliche in der Ehe sehe.
Da ich jung war, verführten mich die schwarzen

Augen
P 2
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.

finden. Aber das ſetze ich zum voraus, daß ſeine
Frau eben ſo tugendhaft, eben ſo vernuͤnftig ſey,
als die Frau meines Freundes war; außerdem
treffen dieſe Grade nicht ein. Das habe ich doch
in der That vergeſſen, ob die Frau meines Freun-
des weiß oder braun war: Jch werde dieſes dem
Ausſpruche meiner Leſerinnen uͤberlaſſen; denn
mir iſt es ganz unmoͤglich, mich darauf zu beſinnen.

Jch habe mich vielleicht zu lange bey dieſen
Ehen aufgehalten, an denen die Schoͤnheit mehr
Antheil hat, als der Himmel. Aber vielleicht
entſchuldigen mich diejenigen, welche bey den
Ehen unſerer Mitbuͤrger ſo aufmerkſam ſind, wie
ich, und daher auch ſo, wie ich, angemerkt ha-
ben, daß eben dieſe Ehen diejenigen ſind, die dem
lieben Himmel die meiſte Verantwortung machen.
Wir wollen weiter gehen.

Die Ehen, die man aus Eigennutze ſchließt,
werden dem Himmel auch ſauer genug. Jch will
mich aber wohl huͤten, von dieſen Ehen gar zu
viel Boͤſes zu reden; denn meine Freunde geben
mir Schuld, daß, wenn ich mich zum zweyten
male verheirathen ſollte, ſo wuͤrde meine Ehe
gewiß nicht im Himmel, ſondern im Comtoir ge-
ſchloſſen werden. Jch kann mich bey dieſem Vor-
wurfe beruhigen. Mir, als einem Wittwer, iſt
es zu gute zu halten, wenn ich ein wenig mehr
aufs Nuͤtzliche und Gruͤndliche in der Ehe ſehe.
Da ich jung war, verfuͤhrten mich die ſchwarzen

Augen
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0249" n="227"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi> </fw><lb/>
          <p>finden. Aber das &#x017F;etze ich zum voraus, daß &#x017F;eine<lb/>
Frau eben &#x017F;o tugendhaft, eben &#x017F;o vernu&#x0364;nftig &#x017F;ey,<lb/>
als die Frau meines Freundes war; außerdem<lb/>
treffen die&#x017F;e Grade nicht ein. Das habe ich doch<lb/>
in der That verge&#x017F;&#x017F;en, ob die Frau meines Freun-<lb/>
des weiß oder braun war: Jch werde die&#x017F;es dem<lb/>
Aus&#x017F;pruche meiner Le&#x017F;erinnen u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en; denn<lb/>
mir i&#x017F;t es ganz unmo&#x0364;glich, mich darauf zu be&#x017F;innen.</p><lb/>
          <p>Jch habe mich vielleicht zu lange bey die&#x017F;en<lb/>
Ehen aufgehalten, an denen die Scho&#x0364;nheit mehr<lb/>
Antheil hat, als der Himmel. Aber vielleicht<lb/>
ent&#x017F;chuldigen mich diejenigen, welche bey den<lb/>
Ehen un&#x017F;erer Mitbu&#x0364;rger &#x017F;o aufmerk&#x017F;am &#x017F;ind, wie<lb/>
ich, und daher auch &#x017F;o, wie ich, angemerkt ha-<lb/>
ben, daß eben die&#x017F;e Ehen diejenigen &#x017F;ind, die dem<lb/>
lieben Himmel die mei&#x017F;te Verantwortung machen.<lb/>
Wir wollen weiter gehen.</p><lb/>
          <p>Die Ehen, die man aus Eigennutze &#x017F;chließt,<lb/>
werden dem Himmel auch &#x017F;auer genug. Jch will<lb/>
mich aber wohl hu&#x0364;ten, von die&#x017F;en Ehen gar zu<lb/>
viel Bo&#x0364;&#x017F;es zu reden; denn meine Freunde geben<lb/>
mir Schuld, daß, wenn ich mich zum zweyten<lb/>
male verheirathen &#x017F;ollte, &#x017F;o wu&#x0364;rde meine Ehe<lb/>
gewiß nicht im Himmel, &#x017F;ondern im Comtoir ge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden. Jch kann mich bey die&#x017F;em Vor-<lb/>
wurfe beruhigen. Mir, als einem Wittwer, i&#x017F;t<lb/>
es zu gute zu halten, wenn ich ein wenig mehr<lb/>
aufs Nu&#x0364;tzliche und Gru&#x0364;ndliche in der Ehe &#x017F;ehe.<lb/>
Da ich jung war, verfu&#x0364;hrten mich die &#x017F;chwarzen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Augen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0249] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. finden. Aber das ſetze ich zum voraus, daß ſeine Frau eben ſo tugendhaft, eben ſo vernuͤnftig ſey, als die Frau meines Freundes war; außerdem treffen dieſe Grade nicht ein. Das habe ich doch in der That vergeſſen, ob die Frau meines Freun- des weiß oder braun war: Jch werde dieſes dem Ausſpruche meiner Leſerinnen uͤberlaſſen; denn mir iſt es ganz unmoͤglich, mich darauf zu beſinnen. Jch habe mich vielleicht zu lange bey dieſen Ehen aufgehalten, an denen die Schoͤnheit mehr Antheil hat, als der Himmel. Aber vielleicht entſchuldigen mich diejenigen, welche bey den Ehen unſerer Mitbuͤrger ſo aufmerkſam ſind, wie ich, und daher auch ſo, wie ich, angemerkt ha- ben, daß eben dieſe Ehen diejenigen ſind, die dem lieben Himmel die meiſte Verantwortung machen. Wir wollen weiter gehen. Die Ehen, die man aus Eigennutze ſchließt, werden dem Himmel auch ſauer genug. Jch will mich aber wohl huͤten, von dieſen Ehen gar zu viel Boͤſes zu reden; denn meine Freunde geben mir Schuld, daß, wenn ich mich zum zweyten male verheirathen ſollte, ſo wuͤrde meine Ehe gewiß nicht im Himmel, ſondern im Comtoir ge- ſchloſſen werden. Jch kann mich bey dieſem Vor- wurfe beruhigen. Mir, als einem Wittwer, iſt es zu gute zu halten, wenn ich ein wenig mehr aufs Nuͤtzliche und Gruͤndliche in der Ehe ſehe. Da ich jung war, verfuͤhrten mich die ſchwarzen Augen P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/249
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/249>, abgerufen am 06.05.2024.