Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
per, seinen gut gestalteten und flüchtigen Fuß, gegen
seinen schmeichelhaften Mund, und seine erobernden
Blicke empfand. Sie gab ihm ihre Hand, und
ward seine Frau.

Und seine Frau mußte sie bleiben, ungeachtet bey
einem täglichen Umgange sich mit ihrem Reize auch
seine tugendhaften Vollkommenheiten verloren.
Seine artige Person war nicht mehr für sie artig;
sein Mund schmeichelte allen Schönen, nur ihr
nicht; und seine erobernden Blicke, hatten sich in
mürrische Blicke eines misvergnügten Ehemanns
verwandelt. Womit beruhigt sich diese Unglück-
liche? Mit dem Schicksale, welches so grausam
ist, daß es den Thoren nicht mit Gewalt verwehrt,
Thoren zu seyn, oder, andächtig zu reden, mit
dem Himmel, in welchem ihre närrische Ehe soll
geschlossen worden seyn!

Es kann dieses genug seyn, den Satz von den
Ehen zu erläutern, welche aus Neigung geschlos-
sen werden. Allemal ist es nicht nöthig, daß so
vielerley reizende Umstände zusammen kommen,
welche zwo junge Personen zärtlich machen. Ein
einziger ist oft hinreichend. Ein weiße runde Hand,
welche zu rechter Zeit aus den Falten eines schwar-
zen Sammtmantels einen verrätherischen Ausfall
that, hat einen jungen Menschen um seine Frey-
heit gebracht, der auf seinen flatterhaften Leicht-
sinn stolz war. Eine volle Brust, welche hinter
dem leichten Palatin auf Eroberungen lauerte,

hat
O 3

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
per, ſeinen gut geſtalteten und fluͤchtigen Fuß, gegen
ſeinen ſchmeichelhaften Mund, und ſeine erobernden
Blicke empfand. Sie gab ihm ihre Hand, und
ward ſeine Frau.

Und ſeine Frau mußte ſie bleiben, ungeachtet bey
einem taͤglichen Umgange ſich mit ihrem Reize auch
ſeine tugendhaften Vollkommenheiten verloren.
Seine artige Perſon war nicht mehr fuͤr ſie artig;
ſein Mund ſchmeichelte allen Schoͤnen, nur ihr
nicht; und ſeine erobernden Blicke, hatten ſich in
muͤrriſche Blicke eines misvergnuͤgten Ehemanns
verwandelt. Womit beruhigt ſich dieſe Ungluͤck-
liche? Mit dem Schickſale, welches ſo grauſam
iſt, daß es den Thoren nicht mit Gewalt verwehrt,
Thoren zu ſeyn, oder, andaͤchtig zu reden, mit
dem Himmel, in welchem ihre naͤrriſche Ehe ſoll
geſchloſſen worden ſeyn!

Es kann dieſes genug ſeyn, den Satz von den
Ehen zu erlaͤutern, welche aus Neigung geſchloſ-
ſen werden. Allemal iſt es nicht noͤthig, daß ſo
vielerley reizende Umſtaͤnde zuſammen kommen,
welche zwo junge Perſonen zaͤrtlich machen. Ein
einziger iſt oft hinreichend. Ein weiße runde Hand,
welche zu rechter Zeit aus den Falten eines ſchwar-
zen Sammtmantels einen verraͤtheriſchen Ausfall
that, hat einen jungen Menſchen um ſeine Frey-
heit gebracht, der auf ſeinen flatterhaften Leicht-
ſinn ſtolz war. Eine volle Bruſt, welche hinter
dem leichten Palatin auf Eroberungen lauerte,

hat
O 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0235" n="213"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
per, &#x017F;einen gut ge&#x017F;talteten und flu&#x0364;chtigen Fuß, gegen<lb/>
&#x017F;einen &#x017F;chmeichelhaften Mund, und &#x017F;eine erobernden<lb/>
Blicke empfand. Sie gab ihm ihre Hand, und<lb/>
ward &#x017F;eine Frau.</p><lb/>
          <p>Und &#x017F;eine Frau mußte &#x017F;ie bleiben, ungeachtet bey<lb/>
einem ta&#x0364;glichen Umgange &#x017F;ich mit ihrem Reize auch<lb/>
&#x017F;eine tugendhaften Vollkommenheiten verloren.<lb/>
Seine artige Per&#x017F;on war nicht mehr fu&#x0364;r &#x017F;ie artig;<lb/>
&#x017F;ein Mund &#x017F;chmeichelte allen Scho&#x0364;nen, nur ihr<lb/>
nicht; und &#x017F;eine erobernden Blicke, hatten &#x017F;ich in<lb/>
mu&#x0364;rri&#x017F;che Blicke eines misvergnu&#x0364;gten Ehemanns<lb/>
verwandelt. Womit beruhigt &#x017F;ich die&#x017F;e Unglu&#x0364;ck-<lb/>
liche? Mit dem Schick&#x017F;ale, welches &#x017F;o grau&#x017F;am<lb/>
i&#x017F;t, daß es den Thoren nicht mit Gewalt verwehrt,<lb/>
Thoren zu &#x017F;eyn, oder, anda&#x0364;chtig zu reden, mit<lb/>
dem Himmel, in welchem ihre na&#x0364;rri&#x017F;che Ehe &#x017F;oll<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden &#x017F;eyn!</p><lb/>
          <p>Es kann die&#x017F;es genug &#x017F;eyn, den Satz von den<lb/>
Ehen zu erla&#x0364;utern, welche aus Neigung ge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en werden. Allemal i&#x017F;t es nicht no&#x0364;thig, daß &#x017F;o<lb/>
vielerley reizende Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu&#x017F;ammen kommen,<lb/>
welche zwo junge Per&#x017F;onen za&#x0364;rtlich machen. Ein<lb/>
einziger i&#x017F;t oft hinreichend. Ein weiße runde Hand,<lb/>
welche zu rechter Zeit aus den Falten eines &#x017F;chwar-<lb/>
zen Sammtmantels einen verra&#x0364;theri&#x017F;chen Ausfall<lb/>
that, hat einen jungen Men&#x017F;chen um &#x017F;eine Frey-<lb/>
heit gebracht, der auf &#x017F;einen flatterhaften Leicht-<lb/>
&#x017F;inn &#x017F;tolz war. Eine volle Bru&#x017F;t, welche hinter<lb/>
dem leichten Palatin auf Eroberungen lauerte,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 3</fw><fw place="bottom" type="catch">hat</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0235] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. per, ſeinen gut geſtalteten und fluͤchtigen Fuß, gegen ſeinen ſchmeichelhaften Mund, und ſeine erobernden Blicke empfand. Sie gab ihm ihre Hand, und ward ſeine Frau. Und ſeine Frau mußte ſie bleiben, ungeachtet bey einem taͤglichen Umgange ſich mit ihrem Reize auch ſeine tugendhaften Vollkommenheiten verloren. Seine artige Perſon war nicht mehr fuͤr ſie artig; ſein Mund ſchmeichelte allen Schoͤnen, nur ihr nicht; und ſeine erobernden Blicke, hatten ſich in muͤrriſche Blicke eines misvergnuͤgten Ehemanns verwandelt. Womit beruhigt ſich dieſe Ungluͤck- liche? Mit dem Schickſale, welches ſo grauſam iſt, daß es den Thoren nicht mit Gewalt verwehrt, Thoren zu ſeyn, oder, andaͤchtig zu reden, mit dem Himmel, in welchem ihre naͤrriſche Ehe ſoll geſchloſſen worden ſeyn! Es kann dieſes genug ſeyn, den Satz von den Ehen zu erlaͤutern, welche aus Neigung geſchloſ- ſen werden. Allemal iſt es nicht noͤthig, daß ſo vielerley reizende Umſtaͤnde zuſammen kommen, welche zwo junge Perſonen zaͤrtlich machen. Ein einziger iſt oft hinreichend. Ein weiße runde Hand, welche zu rechter Zeit aus den Falten eines ſchwar- zen Sammtmantels einen verraͤtheriſchen Ausfall that, hat einen jungen Menſchen um ſeine Frey- heit gebracht, der auf ſeinen flatterhaften Leicht- ſinn ſtolz war. Eine volle Bruſt, welche hinter dem leichten Palatin auf Eroberungen lauerte, hat O 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/235
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/235>, abgerufen am 24.11.2024.