Mitten in seiner Armuth ist Timon so muthig, daß er mit dem Himmel und der Welt zankt; daß er auf sein Elend stolz ist, von welchem er sich nicht los zu wickeln weis.
Man glaube nur nicht, daß Timon beständig so großmüthig gedacht hat. Der erste Schritt, den er aus der Schule in die Welt that, war, sei- nem Wünschen und seiner Einbildung nach, der Schritt zu Reichthum und Ehre. Er kroch bettelnd vor den Füßen dererjenigen herum, die itzo sein pedantischer Stolz verachtet. Er suchte ihren Beyfall auf eine niederträchtige Art zu ge- winnen. Er rühmte ihre Verdienste, und ihren Verstand; zwo Sachen, die er ihnen itzt gar ab- spricht. Die Sprache der Götter, welche bey uns der Misbrauch zur Sprache der Bettler gemacht hat, war diejenige, die er mit ihnen am liebsten redete, weil sie gemeiniglich baar bezahlt wird. Er beunruhigte die Asche der alten Helden, um wenigstens einen zu finden, mit dem er seinen Mä- cenat vergleichen könnte. Nur der Nachwelt sang er dessen Ruhm vor: Die Nachwelt horchte er- staunt, wenn er sang; und sein unempfindlicher Mäcenat schlief darüber ein. Mit einem Worte: Timon erlangte seinen Zweck nicht. Er schmei- chelte zwar, aber nicht in der Sprache des Hofs; die Sprache eines Pedanten war es. Dieses machte ihn lächerlich; und weil er nicht leiden wollte, daß man über ihn spottete, und ihn mit seiner Weisheit zum Narren machte; (ein Weg,
welcher
Antons Panßa von Mancha
Mitten in ſeiner Armuth iſt Timon ſo muthig, daß er mit dem Himmel und der Welt zankt; daß er auf ſein Elend ſtolz iſt, von welchem er ſich nicht los zu wickeln weis.
Man glaube nur nicht, daß Timon beſtaͤndig ſo großmuͤthig gedacht hat. Der erſte Schritt, den er aus der Schule in die Welt that, war, ſei- nem Wuͤnſchen und ſeiner Einbildung nach, der Schritt zu Reichthum und Ehre. Er kroch bettelnd vor den Fuͤßen dererjenigen herum, die itzo ſein pedantiſcher Stolz verachtet. Er ſuchte ihren Beyfall auf eine niedertraͤchtige Art zu ge- winnen. Er ruͤhmte ihre Verdienſte, und ihren Verſtand; zwo Sachen, die er ihnen itzt gar ab- ſpricht. Die Sprache der Goͤtter, welche bey uns der Misbrauch zur Sprache der Bettler gemacht hat, war diejenige, die er mit ihnen am liebſten redete, weil ſie gemeiniglich baar bezahlt wird. Er beunruhigte die Aſche der alten Helden, um wenigſtens einen zu finden, mit dem er ſeinen Maͤ- cenat vergleichen koͤnnte. Nur der Nachwelt ſang er deſſen Ruhm vor: Die Nachwelt horchte er- ſtaunt, wenn er ſang; und ſein unempfindlicher Maͤcenat ſchlief daruͤber ein. Mit einem Worte: Timon erlangte ſeinen Zweck nicht. Er ſchmei- chelte zwar, aber nicht in der Sprache des Hofs; die Sprache eines Pedanten war es. Dieſes machte ihn laͤcherlich; und weil er nicht leiden wollte, daß man uͤber ihn ſpottete, und ihn mit ſeiner Weisheit zum Narren machte; (ein Weg,
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Antons Panßa von Mancha
Mitten in ſeiner Armuth iſt Timon ſo muthig, daß
er mit dem Himmel und der Welt zankt; daß er
auf ſein Elend ſtolz iſt, von welchem er ſich nicht
los zu wickeln weis.
Man glaube nur nicht, daß Timon beſtaͤndig
ſo großmuͤthig gedacht hat. Der erſte Schritt,
den er aus der Schule in die Welt that, war, ſei-
nem Wuͤnſchen und ſeiner Einbildung nach, der
Schritt zu Reichthum und Ehre. Er kroch
bettelnd vor den Fuͤßen dererjenigen herum, die
itzo ſein pedantiſcher Stolz verachtet. Er ſuchte
ihren Beyfall auf eine niedertraͤchtige Art zu ge-
winnen. Er ruͤhmte ihre Verdienſte, und ihren
Verſtand; zwo Sachen, die er ihnen itzt gar ab-
ſpricht. Die Sprache der Goͤtter, welche bey uns
der Misbrauch zur Sprache der Bettler gemacht
hat, war diejenige, die er mit ihnen am liebſten
redete, weil ſie gemeiniglich baar bezahlt wird.
Er beunruhigte die Aſche der alten Helden, um
wenigſtens einen zu finden, mit dem er ſeinen Maͤ-
cenat vergleichen koͤnnte. Nur der Nachwelt ſang
er deſſen Ruhm vor: Die Nachwelt horchte er-
ſtaunt, wenn er ſang; und ſein unempfindlicher
Maͤcenat ſchlief daruͤber ein. Mit einem Worte:
Timon erlangte ſeinen Zweck nicht. Er ſchmei-
chelte zwar, aber nicht in der Sprache des Hofs;
die Sprache eines Pedanten war es. Dieſes
machte ihn laͤcherlich; und weil er nicht leiden
wollte, daß man uͤber ihn ſpottete, und ihn mit
ſeiner Weisheit zum Narren machte; (ein Weg,
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/222>, abgerufen am 25.11.2024.
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