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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
der Schule kömmt, zählt er nach, ob er sein Geld
noch beysammen hat. Er ist in der Kunst, reich
zu werden, schon so weit gekommen, daß er einige
mal den Bettelleuten den Kreuzer, so er ihnen
bringen sollen, untergeschlagen, und ihnen nur
einen Heller vor die Thüre gebracht hat. Ein
alter Bürger, sein Pathe, der auf Pfänder leiht,
hat unaussprechliche Freude über die gute Wirth-
schaft dieses Knabens. Um ihn besser aufzumun-
tern, und zugleich seinen Scherz mit ihm zu haben,
borgt er ihm von Zeit zu Zeit gegen schriftliche
Versicherung einige Groschen auf ein paar Wochen
ab, und zahlt sie ihm sodann in neuen Münzen,
mit einer starken Jnteresse zurück. Dadurch ist
der Junge schon so weit gekommen, daß er von
Agio, von pro Cent, von Versicherung, und
Wechselrechte plaudert.

Sein jüngerer Bruder ist ein munterer Kopf,
und zugleich der feinste Bösewicht, den man unter
Kindern von zwölf Jahren suchen kann. Er borgt
ihm einige Kreuzer ab, und verspricht ihm nebst
richtiger Bezahlung, die Jnteressen an Kuchen und
Obste zu geben; Er zahlte auch die Jnteressen
einige Tage richtig, weil er beredt genug war,
seinem übrigen Geschwister solche abzuschwatzen.
Jm Kurzem waren sie diese Freygebigkeit über-
drüßig. Die Jnteressen blieben also außen, und
der Gläubiger drang auf die Bezahlung. Was
soll unser junger Schuldner in dieser Angst thun?
Er hat von dem alten Nachbar gesehn, daß man

ein

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
der Schule koͤmmt, zaͤhlt er nach, ob er ſein Geld
noch beyſammen hat. Er iſt in der Kunſt, reich
zu werden, ſchon ſo weit gekommen, daß er einige
mal den Bettelleuten den Kreuzer, ſo er ihnen
bringen ſollen, untergeſchlagen, und ihnen nur
einen Heller vor die Thuͤre gebracht hat. Ein
alter Buͤrger, ſein Pathe, der auf Pfaͤnder leiht,
hat unausſprechliche Freude uͤber die gute Wirth-
ſchaft dieſes Knabens. Um ihn beſſer aufzumun-
tern, und zugleich ſeinen Scherz mit ihm zu haben,
borgt er ihm von Zeit zu Zeit gegen ſchriftliche
Verſicherung einige Groſchen auf ein paar Wochen
ab, und zahlt ſie ihm ſodann in neuen Muͤnzen,
mit einer ſtarken Jntereſſe zuruͤck. Dadurch iſt
der Junge ſchon ſo weit gekommen, daß er von
Agio, von pro Cent, von Verſicherung, und
Wechſelrechte plaudert.

Sein juͤngerer Bruder iſt ein munterer Kopf,
und zugleich der feinſte Boͤſewicht, den man unter
Kindern von zwoͤlf Jahren ſuchen kann. Er borgt
ihm einige Kreuzer ab, und verſpricht ihm nebſt
richtiger Bezahlung, die Jntereſſen an Kuchen und
Obſte zu geben; Er zahlte auch die Jntereſſen
einige Tage richtig, weil er beredt genug war,
ſeinem uͤbrigen Geſchwiſter ſolche abzuſchwatzen.
Jm Kurzem waren ſie dieſe Freygebigkeit uͤber-
druͤßig. Die Jntereſſen blieben alſo außen, und
der Glaͤubiger drang auf die Bezahlung. Was
ſoll unſer junger Schuldner in dieſer Angſt thun?
Er hat von dem alten Nachbar geſehn, daß man

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[189/0211] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. der Schule koͤmmt, zaͤhlt er nach, ob er ſein Geld noch beyſammen hat. Er iſt in der Kunſt, reich zu werden, ſchon ſo weit gekommen, daß er einige mal den Bettelleuten den Kreuzer, ſo er ihnen bringen ſollen, untergeſchlagen, und ihnen nur einen Heller vor die Thuͤre gebracht hat. Ein alter Buͤrger, ſein Pathe, der auf Pfaͤnder leiht, hat unausſprechliche Freude uͤber die gute Wirth- ſchaft dieſes Knabens. Um ihn beſſer aufzumun- tern, und zugleich ſeinen Scherz mit ihm zu haben, borgt er ihm von Zeit zu Zeit gegen ſchriftliche Verſicherung einige Groſchen auf ein paar Wochen ab, und zahlt ſie ihm ſodann in neuen Muͤnzen, mit einer ſtarken Jntereſſe zuruͤck. Dadurch iſt der Junge ſchon ſo weit gekommen, daß er von Agio, von pro Cent, von Verſicherung, und Wechſelrechte plaudert. Sein juͤngerer Bruder iſt ein munterer Kopf, und zugleich der feinſte Boͤſewicht, den man unter Kindern von zwoͤlf Jahren ſuchen kann. Er borgt ihm einige Kreuzer ab, und verſpricht ihm nebſt richtiger Bezahlung, die Jntereſſen an Kuchen und Obſte zu geben; Er zahlte auch die Jntereſſen einige Tage richtig, weil er beredt genug war, ſeinem uͤbrigen Geſchwiſter ſolche abzuſchwatzen. Jm Kurzem waren ſie dieſe Freygebigkeit uͤber- druͤßig. Die Jntereſſen blieben alſo außen, und der Glaͤubiger drang auf die Bezahlung. Was ſoll unſer junger Schuldner in dieſer Angſt thun? Er hat von dem alten Nachbar geſehn, daß man ein

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/211>, abgerufen am 25.11.2024.