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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
partheyischen Gerechtigkeit eifersüchtig ist. Seine
Leichtfertigkeit geht so weit, daß er anfänglich die
boshaftesten Streiche anstellt, und sodann mit der
heuchlerischen Miene, als ob es ihn bitterlich ge-
reue, sich selbst anklagt, um seine Gespielen in
Strafe zu bringen. Wenn einer von ihnen we-
gen einer That gezüchtiget werden soll, deren er
noch nicht überwiesen ist; so ist dieser verrätheri-
sche Bube allemal bereit, wider ihn zu zeigen.
Findet er gar keine Gelegenheit, diesen oder jenen
zu verklagen, so reißt er selbst einige Blätter aus
dessen Buche, und verklagt ihn wegen dieser Un-
ordnung beym Schulmeister. Vor kurzem ward
er über einer solchen Bosheit ertappt. Der ganze
Haufe seiner Mitschüler wachte wider ihn auf,
öffnete dem alten Lehrer die Augen, und entdeckte
diesem eine ganze Menge von Bosheiten, die er
bisher niemals hatte glauben wollen. Mein Al-
ter gerieth in die grimmige Wut eines verspotteten
Lehrmeisters. Er faßte ihn bey den Hosen, und
stäupte ihn vor den Augen der jauchzenden Schü-
ler, von denen einige so dienstfertig waren, ihn
zu halten, um ihm die Strafe besser fühlen zu
lassen. Was sollte der arme Jnqvisit thun, da
er überzeugt war, und sich weder entschuldigen,
noch retten konnte? Er hielt seinen Schilling
bußfertig aus, kroch zu den Füßen seines belei-
digten Lehrers, gestand sein Verbrechen, versprach
Besserung, und bat es ihm mit Thränen ab.
Das that er, um das Vertrauen dieses leicht-
gläubigen Alten, und seinen vorigen Posten wie-

der

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
partheyiſchen Gerechtigkeit eiferſuͤchtig iſt. Seine
Leichtfertigkeit geht ſo weit, daß er anfaͤnglich die
boshafteſten Streiche anſtellt, und ſodann mit der
heuchleriſchen Miene, als ob es ihn bitterlich ge-
reue, ſich ſelbſt anklagt, um ſeine Geſpielen in
Strafe zu bringen. Wenn einer von ihnen we-
gen einer That gezuͤchtiget werden ſoll, deren er
noch nicht uͤberwieſen iſt; ſo iſt dieſer verraͤtheri-
ſche Bube allemal bereit, wider ihn zu zeigen.
Findet er gar keine Gelegenheit, dieſen oder jenen
zu verklagen, ſo reißt er ſelbſt einige Blaͤtter aus
deſſen Buche, und verklagt ihn wegen dieſer Un-
ordnung beym Schulmeiſter. Vor kurzem ward
er uͤber einer ſolchen Bosheit ertappt. Der ganze
Haufe ſeiner Mitſchuͤler wachte wider ihn auf,
oͤffnete dem alten Lehrer die Augen, und entdeckte
dieſem eine ganze Menge von Bosheiten, die er
bisher niemals hatte glauben wollen. Mein Al-
ter gerieth in die grimmige Wut eines verſpotteten
Lehrmeiſters. Er faßte ihn bey den Hoſen, und
ſtaͤupte ihn vor den Augen der jauchzenden Schuͤ-
ler, von denen einige ſo dienſtfertig waren, ihn
zu halten, um ihm die Strafe beſſer fuͤhlen zu
laſſen. Was ſollte der arme Jnqviſit thun, da
er uͤberzeugt war, und ſich weder entſchuldigen,
noch retten konnte? Er hielt ſeinen Schilling
bußfertig aus, kroch zu den Fuͤßen ſeines belei-
digten Lehrers, geſtand ſein Verbrechen, verſprach
Beſſerung, und bat es ihm mit Thraͤnen ab.
Das that er, um das Vertrauen dieſes leicht-
glaͤubigen Alten, und ſeinen vorigen Poſten wie-

der
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[187/0209] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. partheyiſchen Gerechtigkeit eiferſuͤchtig iſt. Seine Leichtfertigkeit geht ſo weit, daß er anfaͤnglich die boshafteſten Streiche anſtellt, und ſodann mit der heuchleriſchen Miene, als ob es ihn bitterlich ge- reue, ſich ſelbſt anklagt, um ſeine Geſpielen in Strafe zu bringen. Wenn einer von ihnen we- gen einer That gezuͤchtiget werden ſoll, deren er noch nicht uͤberwieſen iſt; ſo iſt dieſer verraͤtheri- ſche Bube allemal bereit, wider ihn zu zeigen. Findet er gar keine Gelegenheit, dieſen oder jenen zu verklagen, ſo reißt er ſelbſt einige Blaͤtter aus deſſen Buche, und verklagt ihn wegen dieſer Un- ordnung beym Schulmeiſter. Vor kurzem ward er uͤber einer ſolchen Bosheit ertappt. Der ganze Haufe ſeiner Mitſchuͤler wachte wider ihn auf, oͤffnete dem alten Lehrer die Augen, und entdeckte dieſem eine ganze Menge von Bosheiten, die er bisher niemals hatte glauben wollen. Mein Al- ter gerieth in die grimmige Wut eines verſpotteten Lehrmeiſters. Er faßte ihn bey den Hoſen, und ſtaͤupte ihn vor den Augen der jauchzenden Schuͤ- ler, von denen einige ſo dienſtfertig waren, ihn zu halten, um ihm die Strafe beſſer fuͤhlen zu laſſen. Was ſollte der arme Jnqviſit thun, da er uͤberzeugt war, und ſich weder entſchuldigen, noch retten konnte? Er hielt ſeinen Schilling bußfertig aus, kroch zu den Fuͤßen ſeines belei- digten Lehrers, geſtand ſein Verbrechen, verſprach Beſſerung, und bat es ihm mit Thraͤnen ab. Das that er, um das Vertrauen dieſes leicht- glaͤubigen Alten, und ſeinen vorigen Poſten wie- der

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/209>, abgerufen am 25.11.2024.