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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
blick, da er vom Wagen stieg, denn man hatte
ihn bey seiner Abreise gewogen; und da fand man
ihn, zum unaussprechlichen Vergnügen seines ho-
hen Hauses, zwanzig Pfund schwerer, als vor
zwey Jahren. Den nächsten Sonntag darauf
mußten alle Bauern Gott danken, der diese Reise
so augenscheinlich gesegnet hatte. Es gab in der
Nachbarschaft leichtsinnige Gemüther, welche
über diesen zwanzigpfündigen Segen spotteten;
aber ich glaube nicht, daß sie recht thaten. Wie
viele von unsern jungen Edelleuten gehen in frem-
de Länder, und haben von ihren kostbaren Reisen
so vielen Nutzen bey weitem nicht, als dieser hatte!
Durch den Tod seiner Mutter, welcher kurz dar-
auf erfolgte, sahe sich unser Junker genöthigt, die
Verwaltung der Güter selbst zu übernehmen.
Weil er aber noch itzt eben die gemächliche Lebens-
art führte, die er unter der Aufsicht seines Hof-
meisters geführt hatte, so war es ihm nicht zu zu
muthen, daß er sich um die Einnahme und Aus-
gabe selbst bekümmern sollte. Er trug also diese
gemeine Arbeit einigen seiner Bedienten auf, und
weil er sieht, daß ihm weder am Essen, Trinken,
noch einiger Art der Bequemlichkeit etwas abgeht,
so ist er mit ihrer Verwaltung sehr wohl zufrie-
den. Sie werden reich, und er wird fett. Das
ist alles, was er wünscht; denn dazu ist er zu
faul, daß er geizig seyn, und erst mühsam untersu-
chen sollte, wo seine Bedienten in so kurzer Zeit zu
einem ansehnlichen Vermögen gelangen können.
Er hat sich niemals entschließen können, zu heira-

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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
blick, da er vom Wagen ſtieg, denn man hatte
ihn bey ſeiner Abreiſe gewogen; und da fand man
ihn, zum unausſprechlichen Vergnuͤgen ſeines ho-
hen Hauſes, zwanzig Pfund ſchwerer, als vor
zwey Jahren. Den naͤchſten Sonntag darauf
mußten alle Bauern Gott danken, der dieſe Reiſe
ſo augenſcheinlich geſegnet hatte. Es gab in der
Nachbarſchaft leichtſinnige Gemuͤther, welche
uͤber dieſen zwanzigpfuͤndigen Segen ſpotteten;
aber ich glaube nicht, daß ſie recht thaten. Wie
viele von unſern jungen Edelleuten gehen in frem-
de Laͤnder, und haben von ihren koſtbaren Reiſen
ſo vielen Nutzen bey weitem nicht, als dieſer hatte!
Durch den Tod ſeiner Mutter, welcher kurz dar-
auf erfolgte, ſahe ſich unſer Junker genoͤthigt, die
Verwaltung der Guͤter ſelbſt zu uͤbernehmen.
Weil er aber noch itzt eben die gemaͤchliche Lebens-
art fuͤhrte, die er unter der Aufſicht ſeines Hof-
meiſters gefuͤhrt hatte, ſo war es ihm nicht zu zu
muthen, daß er ſich um die Einnahme und Aus-
gabe ſelbſt bekuͤmmern ſollte. Er trug alſo dieſe
gemeine Arbeit einigen ſeiner Bedienten auf, und
weil er ſieht, daß ihm weder am Eſſen, Trinken,
noch einiger Art der Bequemlichkeit etwas abgeht,
ſo iſt er mit ihrer Verwaltung ſehr wohl zufrie-
den. Sie werden reich, und er wird fett. Das
iſt alles, was er wuͤnſcht; denn dazu iſt er zu
faul, daß er geizig ſeyn, und erſt muͤhſam unterſu-
chen ſollte, wo ſeine Bedienten in ſo kurzer Zeit zu
einem anſehnlichen Vermoͤgen gelangen koͤnnen.
Er hat ſich niemals entſchließen koͤnnen, zu heira-

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[179/0201] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. blick, da er vom Wagen ſtieg, denn man hatte ihn bey ſeiner Abreiſe gewogen; und da fand man ihn, zum unausſprechlichen Vergnuͤgen ſeines ho- hen Hauſes, zwanzig Pfund ſchwerer, als vor zwey Jahren. Den naͤchſten Sonntag darauf mußten alle Bauern Gott danken, der dieſe Reiſe ſo augenſcheinlich geſegnet hatte. Es gab in der Nachbarſchaft leichtſinnige Gemuͤther, welche uͤber dieſen zwanzigpfuͤndigen Segen ſpotteten; aber ich glaube nicht, daß ſie recht thaten. Wie viele von unſern jungen Edelleuten gehen in frem- de Laͤnder, und haben von ihren koſtbaren Reiſen ſo vielen Nutzen bey weitem nicht, als dieſer hatte! Durch den Tod ſeiner Mutter, welcher kurz dar- auf erfolgte, ſahe ſich unſer Junker genoͤthigt, die Verwaltung der Guͤter ſelbſt zu uͤbernehmen. Weil er aber noch itzt eben die gemaͤchliche Lebens- art fuͤhrte, die er unter der Aufſicht ſeines Hof- meiſters gefuͤhrt hatte, ſo war es ihm nicht zu zu muthen, daß er ſich um die Einnahme und Aus- gabe ſelbſt bekuͤmmern ſollte. Er trug alſo dieſe gemeine Arbeit einigen ſeiner Bedienten auf, und weil er ſieht, daß ihm weder am Eſſen, Trinken, noch einiger Art der Bequemlichkeit etwas abgeht, ſo iſt er mit ihrer Verwaltung ſehr wohl zufrie- den. Sie werden reich, und er wird fett. Das iſt alles, was er wuͤnſcht; denn dazu iſt er zu faul, daß er geizig ſeyn, und erſt muͤhſam unterſu- chen ſollte, wo ſeine Bedienten in ſo kurzer Zeit zu einem anſehnlichen Vermoͤgen gelangen koͤnnen. Er hat ſich niemals entſchließen koͤnnen, zu heira- then; M 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/201>, abgerufen am 24.11.2024.