Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
zimmer zu oft, und, wie sie glaubt, immer nicht
auf eine Art erwähne, die für eine Schmeicheley
angesehen werden könne. Darüber eifert sie mit
einer Heftigkeit, die dem Zanke sehr nahe kömmt.
Sie würde mich böse machen, wenn sie nicht schön
aussähe: Aber, ihr kleiner Mund bekömmt einen
ganz neuen Reiz, wenn er schmält; ihre Augen
sind auf eine besondere Art angenehm, wenn sie
ein wenig grimmig werden. Jch liebe diese kleine
Kunstrichterinn in der wilden Unordnung, worein
sie die Liebe zu ihrem Geschlechte setzt. Jch werde
mich wohl noch weiter auf diese Art versündigen.
Jch würde gar zu viel verlieren, wenn ich sie nicht
wider mich erzürnte. Wie reizend wird sie mit
ihren weißen Zähnen knirschen, wenn sie diese
Stelle so unvermuthet in meinen Sprüchwörtern
findet! Jch habe ihr gedroht, daß ich ihre Par-
theylichkeit der Welt verrathen wollte, wenn sie
nicht aufhörte, mich mit ihrer Kritik zu martern.
Jn der That hat sie bey ihren tugendhaften Voll-
kommenheiten gar nicht Ursache, sich der Fehler
ihres Geschlechts anzunehmen. Sie sollte beden-
ken, daß ihr Geschlecht die Hälfte der Welt aus-
macht; so würde sie selbst nachrechnen können, daß
ich niemals zwo tugendhafte, oder zwo lächerliche
Charaktere malen kann, ohne den einen von dem
Frauenzimmer zu borgen. Gleichwohl entschul-
dige ich bey ihr diese Vorurtheile. Sie thut
nichts, als was der größte Theil der Leser thut,
welche zwar geschehen lassen, daß man aller spot-
tet, aber alsdenn die Stirne runzeln, wenn man

den

Antons Panßa von Mancha
zimmer zu oft, und, wie ſie glaubt, immer nicht
auf eine Art erwaͤhne, die fuͤr eine Schmeicheley
angeſehen werden koͤnne. Daruͤber eifert ſie mit
einer Heftigkeit, die dem Zanke ſehr nahe koͤmmt.
Sie wuͤrde mich boͤſe machen, wenn ſie nicht ſchoͤn
ausſaͤhe: Aber, ihr kleiner Mund bekoͤmmt einen
ganz neuen Reiz, wenn er ſchmaͤlt; ihre Augen
ſind auf eine beſondere Art angenehm, wenn ſie
ein wenig grimmig werden. Jch liebe dieſe kleine
Kunſtrichterinn in der wilden Unordnung, worein
ſie die Liebe zu ihrem Geſchlechte ſetzt. Jch werde
mich wohl noch weiter auf dieſe Art verſuͤndigen.
Jch wuͤrde gar zu viel verlieren, wenn ich ſie nicht
wider mich erzuͤrnte. Wie reizend wird ſie mit
ihren weißen Zaͤhnen knirſchen, wenn ſie dieſe
Stelle ſo unvermuthet in meinen Spruͤchwoͤrtern
findet! Jch habe ihr gedroht, daß ich ihre Par-
theylichkeit der Welt verrathen wollte, wenn ſie
nicht aufhoͤrte, mich mit ihrer Kritik zu martern.
Jn der That hat ſie bey ihren tugendhaften Voll-
kommenheiten gar nicht Urſache, ſich der Fehler
ihres Geſchlechts anzunehmen. Sie ſollte beden-
ken, daß ihr Geſchlecht die Haͤlfte der Welt aus-
macht; ſo wuͤrde ſie ſelbſt nachrechnen koͤnnen, daß
ich niemals zwo tugendhafte, oder zwo laͤcherliche
Charaktere malen kann, ohne den einen von dem
Frauenzimmer zu borgen. Gleichwohl entſchul-
dige ich bey ihr dieſe Vorurtheile. Sie thut
nichts, als was der groͤßte Theil der Leſer thut,
welche zwar geſchehen laſſen, daß man aller ſpot-
tet, aber alsdenn die Stirne runzeln, wenn man

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="162"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
zimmer zu oft, und, wie &#x017F;ie glaubt, immer nicht<lb/>
auf eine Art erwa&#x0364;hne, die fu&#x0364;r eine Schmeicheley<lb/>
ange&#x017F;ehen werden ko&#x0364;nne. Daru&#x0364;ber eifert &#x017F;ie mit<lb/>
einer Heftigkeit, die dem Zanke &#x017F;ehr nahe ko&#x0364;mmt.<lb/>
Sie wu&#x0364;rde mich bo&#x0364;&#x017F;e machen, wenn &#x017F;ie nicht &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
aus&#x017F;a&#x0364;he: Aber, ihr kleiner Mund beko&#x0364;mmt einen<lb/>
ganz neuen <hi rendition="#fr">Reiz</hi>, wenn er &#x017F;chma&#x0364;lt; ihre Augen<lb/>
&#x017F;ind auf eine be&#x017F;ondere Art angenehm, wenn &#x017F;ie<lb/>
ein wenig grimmig werden. Jch liebe die&#x017F;e kleine<lb/>
Kun&#x017F;trichterinn in der wilden Unordnung, worein<lb/>
&#x017F;ie die Liebe zu ihrem Ge&#x017F;chlechte &#x017F;etzt. Jch werde<lb/>
mich wohl noch weiter auf die&#x017F;e Art ver&#x017F;u&#x0364;ndigen.<lb/>
Jch wu&#x0364;rde gar zu viel verlieren, wenn ich &#x017F;ie nicht<lb/>
wider mich erzu&#x0364;rnte. Wie reizend wird &#x017F;ie mit<lb/>
ihren weißen Za&#x0364;hnen knir&#x017F;chen, wenn &#x017F;ie die&#x017F;e<lb/>
Stelle &#x017F;o unvermuthet in meinen Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern<lb/>
findet! Jch habe ihr gedroht, daß ich ihre Par-<lb/>
theylichkeit der Welt verrathen wollte, wenn &#x017F;ie<lb/>
nicht aufho&#x0364;rte, mich mit ihrer Kritik zu martern.<lb/>
Jn der That hat &#x017F;ie bey ihren tugendhaften Voll-<lb/>
kommenheiten gar nicht Ur&#x017F;ache, &#x017F;ich der Fehler<lb/>
ihres Ge&#x017F;chlechts anzunehmen. Sie &#x017F;ollte beden-<lb/>
ken, daß ihr Ge&#x017F;chlecht die Ha&#x0364;lfte der Welt aus-<lb/>
macht; &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t nachrechnen ko&#x0364;nnen, daß<lb/>
ich niemals zwo tugendhafte, oder zwo la&#x0364;cherliche<lb/>
Charaktere malen kann, ohne den einen von dem<lb/>
Frauenzimmer zu borgen. Gleichwohl ent&#x017F;chul-<lb/>
dige ich bey ihr die&#x017F;e Vorurtheile. Sie thut<lb/>
nichts, als was der gro&#x0364;ßte Theil der Le&#x017F;er thut,<lb/>
welche zwar ge&#x017F;chehen la&#x017F;&#x017F;en, daß man aller &#x017F;pot-<lb/>
tet, aber alsdenn die Stirne runzeln, wenn man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0184] Antons Panßa von Mancha zimmer zu oft, und, wie ſie glaubt, immer nicht auf eine Art erwaͤhne, die fuͤr eine Schmeicheley angeſehen werden koͤnne. Daruͤber eifert ſie mit einer Heftigkeit, die dem Zanke ſehr nahe koͤmmt. Sie wuͤrde mich boͤſe machen, wenn ſie nicht ſchoͤn ausſaͤhe: Aber, ihr kleiner Mund bekoͤmmt einen ganz neuen Reiz, wenn er ſchmaͤlt; ihre Augen ſind auf eine beſondere Art angenehm, wenn ſie ein wenig grimmig werden. Jch liebe dieſe kleine Kunſtrichterinn in der wilden Unordnung, worein ſie die Liebe zu ihrem Geſchlechte ſetzt. Jch werde mich wohl noch weiter auf dieſe Art verſuͤndigen. Jch wuͤrde gar zu viel verlieren, wenn ich ſie nicht wider mich erzuͤrnte. Wie reizend wird ſie mit ihren weißen Zaͤhnen knirſchen, wenn ſie dieſe Stelle ſo unvermuthet in meinen Spruͤchwoͤrtern findet! Jch habe ihr gedroht, daß ich ihre Par- theylichkeit der Welt verrathen wollte, wenn ſie nicht aufhoͤrte, mich mit ihrer Kritik zu martern. Jn der That hat ſie bey ihren tugendhaften Voll- kommenheiten gar nicht Urſache, ſich der Fehler ihres Geſchlechts anzunehmen. Sie ſollte beden- ken, daß ihr Geſchlecht die Haͤlfte der Welt aus- macht; ſo wuͤrde ſie ſelbſt nachrechnen koͤnnen, daß ich niemals zwo tugendhafte, oder zwo laͤcherliche Charaktere malen kann, ohne den einen von dem Frauenzimmer zu borgen. Gleichwohl entſchul- dige ich bey ihr dieſe Vorurtheile. Sie thut nichts, als was der groͤßte Theil der Leſer thut, welche zwar geſchehen laſſen, daß man aller ſpot- tet, aber alsdenn die Stirne runzeln, wenn man den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/184
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/184>, abgerufen am 03.05.2024.