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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
sie von ihrer Mutter, daß sie sich sehr gern, sehr
sorgfältig, und bey aller Gelegenheit putzte. Aber
auch dieser Fehler war noch zu entschuldigen, da
sie es weder aus Eitelkeit, noch aus Wollust, son-
dern bloß aus Angewohnheit that, nur, sich zu
putzen. Sie war eben so vergnügt, wenn sie an-
dere Frauenzimmer anputzen konnte. Sie ver-
schwendete nichts; denn ihr Putz war sehr wohl-
feil, aber nur immer neu. Von keinem Menschen
redete sie in Gesellschaft Böses; aber von Kleidern,
von Spitzen, von neuen Moden, von dergleichen
artigen Tändeleyen redete sie beständig. Unter
dieser angenehmen Beschäfftigung brachte sie ihr
sechs und dreyßigstes Jahr heran, da sie in eine
unvermuthete Krankheit fiel, die auf einmal so
heftig wurde, daß der Arzt aufrichtig gestund, es
sey unmöglich, daß sie noch vier und zwanzig
Stunden leben könne. Wer sollte diese traurige
Botschaft der Kranken bringen, die so gern lebte,
und mit so vielem Geschmacke gelebt hatte? Jhr
Mann liebte sie zu sehr, und war in der That all-
zusehr bewegt, als daß er im Stande gewesen wäre,
ihr den Tod anzukündigen. Der Geistliche sollte
es thun. Er that es auch mit der Vorsicht, die
man in dergleichen Fällen von einem vernünftigen
Manne fodern kann. Er beklagte sie wegen ihrer
jählingen Unpäßlichkeit; er machte ihr einige Hoff-
nung zu ihrer Genesung; zugleich stellte er ihr auch
die Möglichkeit eines geschwinden Todes vor; und
zeigte aus verschiedenen Zufällen, die sie selbst
entdeckte, wie wahrscheinlich diese Möglichkeit sey.

Bey

Antons Panßa von Mancha
ſie von ihrer Mutter, daß ſie ſich ſehr gern, ſehr
ſorgfaͤltig, und bey aller Gelegenheit putzte. Aber
auch dieſer Fehler war noch zu entſchuldigen, da
ſie es weder aus Eitelkeit, noch aus Wolluſt, ſon-
dern bloß aus Angewohnheit that, nur, ſich zu
putzen. Sie war eben ſo vergnuͤgt, wenn ſie an-
dere Frauenzimmer anputzen konnte. Sie ver-
ſchwendete nichts; denn ihr Putz war ſehr wohl-
feil, aber nur immer neu. Von keinem Menſchen
redete ſie in Geſellſchaft Boͤſes; aber von Kleidern,
von Spitzen, von neuen Moden, von dergleichen
artigen Taͤndeleyen redete ſie beſtaͤndig. Unter
dieſer angenehmen Beſchaͤfftigung brachte ſie ihr
ſechs und dreyßigſtes Jahr heran, da ſie in eine
unvermuthete Krankheit fiel, die auf einmal ſo
heftig wurde, daß der Arzt aufrichtig geſtund, es
ſey unmoͤglich, daß ſie noch vier und zwanzig
Stunden leben koͤnne. Wer ſollte dieſe traurige
Botſchaft der Kranken bringen, die ſo gern lebte,
und mit ſo vielem Geſchmacke gelebt hatte? Jhr
Mann liebte ſie zu ſehr, und war in der That all-
zuſehr bewegt, als daß er im Stande geweſen waͤre,
ihr den Tod anzukuͤndigen. Der Geiſtliche ſollte
es thun. Er that es auch mit der Vorſicht, die
man in dergleichen Faͤllen von einem vernuͤnftigen
Manne fodern kann. Er beklagte ſie wegen ihrer
jaͤhlingen Unpaͤßlichkeit; er machte ihr einige Hoff-
nung zu ihrer Geneſung; zugleich ſtellte er ihr auch
die Moͤglichkeit eines geſchwinden Todes vor; und
zeigte aus verſchiedenen Zufaͤllen, die ſie ſelbſt
entdeckte, wie wahrſcheinlich dieſe Moͤglichkeit ſey.

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[154/0176] Antons Panßa von Mancha ſie von ihrer Mutter, daß ſie ſich ſehr gern, ſehr ſorgfaͤltig, und bey aller Gelegenheit putzte. Aber auch dieſer Fehler war noch zu entſchuldigen, da ſie es weder aus Eitelkeit, noch aus Wolluſt, ſon- dern bloß aus Angewohnheit that, nur, ſich zu putzen. Sie war eben ſo vergnuͤgt, wenn ſie an- dere Frauenzimmer anputzen konnte. Sie ver- ſchwendete nichts; denn ihr Putz war ſehr wohl- feil, aber nur immer neu. Von keinem Menſchen redete ſie in Geſellſchaft Boͤſes; aber von Kleidern, von Spitzen, von neuen Moden, von dergleichen artigen Taͤndeleyen redete ſie beſtaͤndig. Unter dieſer angenehmen Beſchaͤfftigung brachte ſie ihr ſechs und dreyßigſtes Jahr heran, da ſie in eine unvermuthete Krankheit fiel, die auf einmal ſo heftig wurde, daß der Arzt aufrichtig geſtund, es ſey unmoͤglich, daß ſie noch vier und zwanzig Stunden leben koͤnne. Wer ſollte dieſe traurige Botſchaft der Kranken bringen, die ſo gern lebte, und mit ſo vielem Geſchmacke gelebt hatte? Jhr Mann liebte ſie zu ſehr, und war in der That all- zuſehr bewegt, als daß er im Stande geweſen waͤre, ihr den Tod anzukuͤndigen. Der Geiſtliche ſollte es thun. Er that es auch mit der Vorſicht, die man in dergleichen Faͤllen von einem vernuͤnftigen Manne fodern kann. Er beklagte ſie wegen ihrer jaͤhlingen Unpaͤßlichkeit; er machte ihr einige Hoff- nung zu ihrer Geneſung; zugleich ſtellte er ihr auch die Moͤglichkeit eines geſchwinden Todes vor; und zeigte aus verſchiedenen Zufaͤllen, die ſie ſelbſt entdeckte, wie wahrſcheinlich dieſe Moͤglichkeit ſey. Bey

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/176>, abgerufen am 24.11.2024.