Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
dem sie andere retten wollen. Jn allen ihren
Schriften, in ihrem mündlichen Verfahren, von dem
Provocationssatze an bis auf die Liquidationes,
findet man vielmals nicht den geringsten Schein
der Redlichkeit. Wie wenig meynen sie es mit sich
selbst gut! Wie viel glücklicher würden sie bey ihrer
Praxi seyn, wenn sie sich angewöhnen könnten, we-
nigstens von außem ehrlich zu scheinen! Das Er-
ste, was sie ihren Clienten fragen, ist gemeiniglich
dieses, ob er schwören könne? ob er Geld habe?
Wie viele werden dadurch abgeschreckt, welche noch
einiges Gewissen, und wenig Geld haben? Würden
sie nicht viel weiter kommen, wenn sie mehrere
Gleichgültigkeit für ihren eignen Nutzen blicken lies-
sen; wenn sie thäten, als wollten sie sich der gerech-
ten Sache ihrer Clienten nur darum annehmen,
weil ihre Sache die gerechte Sache wäre; wenn
sie wider die Bevortheilung des Gegenparts, wider
die Sportelsucht des Advocaten, wider die vortheil-
hafte Langwierigkeit der Processe eiferten! Jhre
Clienten würden bey diesen einschmeichelnden Reden
betäubt werden, und mit Vergnügen den Beutel of-
fen halten, um diesen wackern Rechtsgelehrten, die-
sen Vater der Wittwen und Waisen, für seine red-
lichen Absichten taxmäßig zu bezahlen: Da im Ge-
gentheile bey vielen ihre Unverschämtheit, ihre so
wenig verstellte Begierde nach Gelde, die traurige
Ursache ist, daß ein nur einigermaßen vorsichtiger
Client sich scheuet, den Weg Rechtens zu ergreifen,
und sich lieber mit Schaden vergleichen, als mit sei-
nem völligen Untergange den Proceß gewinnen will.

Diese

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
dem ſie andere retten wollen. Jn allen ihren
Schriften, in ihrem muͤndlichen Verfahren, von dem
Provocationsſatze an bis auf die Liquidationes,
findet man vielmals nicht den geringſten Schein
der Redlichkeit. Wie wenig meynen ſie es mit ſich
ſelbſt gut! Wie viel gluͤcklicher wuͤrden ſie bey ihrer
Praxi ſeyn, wenn ſie ſich angewoͤhnen koͤnnten, we-
nigſtens von außem ehrlich zu ſcheinen! Das Er-
ſte, was ſie ihren Clienten fragen, iſt gemeiniglich
dieſes, ob er ſchwoͤren koͤnne? ob er Geld habe?
Wie viele werden dadurch abgeſchreckt, welche noch
einiges Gewiſſen, und wenig Geld haben? Wuͤrden
ſie nicht viel weiter kommen, wenn ſie mehrere
Gleichguͤltigkeit fuͤr ihren eignen Nutzen blicken lieſ-
ſen; wenn ſie thaͤten, als wollten ſie ſich der gerech-
ten Sache ihrer Clienten nur darum annehmen,
weil ihre Sache die gerechte Sache waͤre; wenn
ſie wider die Bevortheilung des Gegenparts, wider
die Sportelſucht des Advocaten, wider die vortheil-
hafte Langwierigkeit der Proceſſe eiferten! Jhre
Clienten wuͤrden bey dieſen einſchmeichelnden Reden
betaͤubt werden, und mit Vergnuͤgen den Beutel of-
fen halten, um dieſen wackern Rechtsgelehrten, die-
ſen Vater der Wittwen und Waiſen, fuͤr ſeine red-
lichen Abſichten taxmaͤßig zu bezahlen: Da im Ge-
gentheile bey vielen ihre Unverſchaͤmtheit, ihre ſo
wenig verſtellte Begierde nach Gelde, die traurige
Urſache iſt, daß ein nur einigermaßen vorſichtiger
Client ſich ſcheuet, den Weg Rechtens zu ergreifen,
und ſich lieber mit Schaden vergleichen, als mit ſei-
nem voͤlligen Untergange den Proceß gewinnen will.

Dieſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="93"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
dem &#x017F;ie andere retten wollen. Jn allen ihren<lb/>
Schriften, in ihrem mu&#x0364;ndlichen Verfahren, von dem<lb/>
Provocations&#x017F;atze an bis auf die <hi rendition="#aq">Liquidationes,</hi><lb/>
findet man vielmals nicht den gering&#x017F;ten Schein<lb/>
der Redlichkeit. Wie wenig meynen &#x017F;ie es mit &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t gut! Wie viel glu&#x0364;cklicher wu&#x0364;rden &#x017F;ie bey ihrer<lb/>
Praxi &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich angewo&#x0364;hnen ko&#x0364;nnten, we-<lb/>
nig&#x017F;tens von außem ehrlich zu &#x017F;cheinen! Das Er-<lb/>
&#x017F;te, was &#x017F;ie ihren Clienten fragen, i&#x017F;t gemeiniglich<lb/>
die&#x017F;es, ob er &#x017F;chwo&#x0364;ren ko&#x0364;nne? ob er Geld habe?<lb/>
Wie viele werden dadurch abge&#x017F;chreckt, welche noch<lb/>
einiges Gewi&#x017F;&#x017F;en, und wenig Geld haben? Wu&#x0364;rden<lb/>
&#x017F;ie nicht viel weiter kommen, wenn &#x017F;ie mehrere<lb/>
Gleichgu&#x0364;ltigkeit fu&#x0364;r ihren eignen Nutzen blicken lie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; wenn &#x017F;ie tha&#x0364;ten, als wollten &#x017F;ie &#x017F;ich der gerech-<lb/>
ten Sache ihrer Clienten nur darum annehmen,<lb/>
weil ihre Sache die gerechte Sache wa&#x0364;re; wenn<lb/>
&#x017F;ie wider die Bevortheilung des Gegenparts, wider<lb/>
die Sportel&#x017F;ucht des Advocaten, wider die vortheil-<lb/>
hafte Langwierigkeit der Proce&#x017F;&#x017F;e eiferten! Jhre<lb/>
Clienten wu&#x0364;rden bey die&#x017F;en ein&#x017F;chmeichelnden Reden<lb/>
beta&#x0364;ubt werden, und mit Vergnu&#x0364;gen den Beutel of-<lb/>
fen halten, um die&#x017F;en wackern Rechtsgelehrten, die-<lb/>
&#x017F;en Vater der Wittwen und Wai&#x017F;en, fu&#x0364;r &#x017F;eine red-<lb/>
lichen Ab&#x017F;ichten taxma&#x0364;ßig zu bezahlen: Da im Ge-<lb/>
gentheile bey vielen ihre Unver&#x017F;cha&#x0364;mtheit, ihre &#x017F;o<lb/>
wenig ver&#x017F;tellte Begierde nach Gelde, die traurige<lb/>
Ur&#x017F;ache i&#x017F;t, daß ein nur einigermaßen vor&#x017F;ichtiger<lb/>
Client &#x017F;ich &#x017F;cheuet, den Weg Rechtens zu ergreifen,<lb/>
und &#x017F;ich lieber mit Schaden vergleichen, als mit &#x017F;ei-<lb/>
nem vo&#x0364;lligen Untergange den Proceß gewinnen will.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;e</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0115] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. dem ſie andere retten wollen. Jn allen ihren Schriften, in ihrem muͤndlichen Verfahren, von dem Provocationsſatze an bis auf die Liquidationes, findet man vielmals nicht den geringſten Schein der Redlichkeit. Wie wenig meynen ſie es mit ſich ſelbſt gut! Wie viel gluͤcklicher wuͤrden ſie bey ihrer Praxi ſeyn, wenn ſie ſich angewoͤhnen koͤnnten, we- nigſtens von außem ehrlich zu ſcheinen! Das Er- ſte, was ſie ihren Clienten fragen, iſt gemeiniglich dieſes, ob er ſchwoͤren koͤnne? ob er Geld habe? Wie viele werden dadurch abgeſchreckt, welche noch einiges Gewiſſen, und wenig Geld haben? Wuͤrden ſie nicht viel weiter kommen, wenn ſie mehrere Gleichguͤltigkeit fuͤr ihren eignen Nutzen blicken lieſ- ſen; wenn ſie thaͤten, als wollten ſie ſich der gerech- ten Sache ihrer Clienten nur darum annehmen, weil ihre Sache die gerechte Sache waͤre; wenn ſie wider die Bevortheilung des Gegenparts, wider die Sportelſucht des Advocaten, wider die vortheil- hafte Langwierigkeit der Proceſſe eiferten! Jhre Clienten wuͤrden bey dieſen einſchmeichelnden Reden betaͤubt werden, und mit Vergnuͤgen den Beutel of- fen halten, um dieſen wackern Rechtsgelehrten, die- ſen Vater der Wittwen und Waiſen, fuͤr ſeine red- lichen Abſichten taxmaͤßig zu bezahlen: Da im Ge- gentheile bey vielen ihre Unverſchaͤmtheit, ihre ſo wenig verſtellte Begierde nach Gelde, die traurige Urſache iſt, daß ein nur einigermaßen vorſichtiger Client ſich ſcheuet, den Weg Rechtens zu ergreifen, und ſich lieber mit Schaden vergleichen, als mit ſei- nem voͤlligen Untergange den Proceß gewinnen will. Dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/115
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/115>, abgerufen am 23.11.2024.