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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"so würde ich mir bey einem dergleichen unvorsich-
"tigen Antrage doch Gewalt anthun, und Wiese,
"und Wein, und Geld, mit einer gerechtigkeitlie--
"benden, und unpartheyischen Mine verachten, um
"meinen guten Namen zu retten, und bey einer
"bessern Gelegenheit noch einmal so viel zu verdie-
"nen. Ein vernünftiger Client, er habe nun ei-
"ne gerechte oder ungerechte Sache, wird weit be-
"hutsamer gehn, und seinen Zweck auch weit eher
"erlangen. Die Leidenschaften der Richter sind
"wie die Leidenschaften andrer Menschen. Den
"Beyfall eines dummen Mäcenaten werde ich mir
"nicht leichter erwerben, als wenn ich von der
"Bewunderung rede, zu der sein Verstand alle
"Welt zwingt. Keine Verführungen sind dem
"Frauenzimmer gefährlicher, als wenn man ihnen
"von dem Werthe ihrer Tugenden, von ihrer
"edlen Grausamkeit, und von unsern unsträflichen,
"und ehrliebenden Absichten vorprediget. Ein ei-
"gennütziger, und partheyischer Richter nimmt un-
"ser Lob mit offnem Munde an, wenn wir ihm
"mit der Hochachtung schmeicheln, die seine vor-
"gegebne Billigkeit und Unpartheylichkeit verdie-
"nen. Er fühlt es zwar, daß wir nicht wahr
"reden; unsre Unwahrheit aber thut ihm so
"wohl, daß er sich Mühe giebt, zu glauben, es
"sey unser Ernst; daß er sich nach und nach selbst
"zu bereden sucht, er sey wirklich der billige, und
"unpartheyische Mann, von dem wir reden. Er
"sinnt bey sich auf eine Entschuldigung, wie er das

Ver-
E 3

Satyriſche Briefe.
„ſo wuͤrde ich mir bey einem dergleichen unvorſich-
„tigen Antrage doch Gewalt anthun, und Wieſe,
„und Wein, und Geld, mit einer gerechtigkeitlie--
„benden, und unpartheyiſchen Mine verachten, um
„meinen guten Namen zu retten, und bey einer
„beſſern Gelegenheit noch einmal ſo viel zu verdie-
„nen. Ein vernuͤnftiger Client, er habe nun ei-
„ne gerechte oder ungerechte Sache, wird weit be-
„hutſamer gehn, und ſeinen Zweck auch weit eher
„erlangen. Die Leidenſchaften der Richter ſind
„wie die Leidenſchaften andrer Menſchen. Den
„Beyfall eines dummen Maͤcenaten werde ich mir
„nicht leichter erwerben, als wenn ich von der
„Bewunderung rede, zu der ſein Verſtand alle
„Welt zwingt. Keine Verfuͤhrungen ſind dem
„Frauenzimmer gefaͤhrlicher, als wenn man ihnen
„von dem Werthe ihrer Tugenden, von ihrer
„edlen Grauſamkeit, und von unſern unſtraͤflichen,
„und ehrliebenden Abſichten vorprediget. Ein ei-
„gennuͤtziger, und partheyiſcher Richter nimmt un-
„ſer Lob mit offnem Munde an, wenn wir ihm
„mit der Hochachtung ſchmeicheln, die ſeine vor-
„gegebne Billigkeit und Unpartheylichkeit verdie-
„nen. Er fuͤhlt es zwar, daß wir nicht wahr
„reden; unſre Unwahrheit aber thut ihm ſo
„wohl, daß er ſich Muͤhe giebt, zu glauben, es
„ſey unſer Ernſt; daß er ſich nach und nach ſelbſt
„zu bereden ſucht, er ſey wirklich der billige, und
„unpartheyiſche Mann, von dem wir reden. Er
„ſinnt bey ſich auf eine Entſchuldigung, wie er das

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E 3
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[69/0097] Satyriſche Briefe. „ſo wuͤrde ich mir bey einem dergleichen unvorſich- „tigen Antrage doch Gewalt anthun, und Wieſe, „und Wein, und Geld, mit einer gerechtigkeitlie-- „benden, und unpartheyiſchen Mine verachten, um „meinen guten Namen zu retten, und bey einer „beſſern Gelegenheit noch einmal ſo viel zu verdie- „nen. Ein vernuͤnftiger Client, er habe nun ei- „ne gerechte oder ungerechte Sache, wird weit be- „hutſamer gehn, und ſeinen Zweck auch weit eher „erlangen. Die Leidenſchaften der Richter ſind „wie die Leidenſchaften andrer Menſchen. Den „Beyfall eines dummen Maͤcenaten werde ich mir „nicht leichter erwerben, als wenn ich von der „Bewunderung rede, zu der ſein Verſtand alle „Welt zwingt. Keine Verfuͤhrungen ſind dem „Frauenzimmer gefaͤhrlicher, als wenn man ihnen „von dem Werthe ihrer Tugenden, von ihrer „edlen Grauſamkeit, und von unſern unſtraͤflichen, „und ehrliebenden Abſichten vorprediget. Ein ei- „gennuͤtziger, und partheyiſcher Richter nimmt un- „ſer Lob mit offnem Munde an, wenn wir ihm „mit der Hochachtung ſchmeicheln, die ſeine vor- „gegebne Billigkeit und Unpartheylichkeit verdie- „nen. Er fuͤhlt es zwar, daß wir nicht wahr „reden; unſre Unwahrheit aber thut ihm ſo „wohl, daß er ſich Muͤhe giebt, zu glauben, es „ſey unſer Ernſt; daß er ſich nach und nach ſelbſt „zu bereden ſucht, er ſey wirklich der billige, und „unpartheyiſche Mann, von dem wir reden. Er „ſinnt bey ſich auf eine Entſchuldigung, wie er das Ver- E 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/97>, abgerufen am 24.11.2024.