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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
sich niemand besser zu Jhrem Schulmeister schickt, als
ich. Rechnen und Schreiben ist auch meine Sache
nicht; aber was thut das? Jch will mir einen gro-
ßen Jungen aus der Gemeine halten, der es an mei-
ner statt thut. Jch denke ja wohl, das geschieht in
den meisten Aemtern, daß einer den Titel und die
Besoldung hat, und einen großen Jungen für sich
arbeiten läßt. Was vornehmen Leuten recht ist,
das wird doch bey einem armen Dorfschulmeister
auch angehn. Mit einem Worte, ich verlasse mich
darauf, daß ich den Dienst kriege. Gevatterbrie-
fe, und Hochzeitbriefe, das ist mein Werk, die kann
ich schreiben, trotz zehn andern! Jch schicke Jhnen
von beiden eine Probe mit, die sich gewaschen hat.
Wenn Sie mir den Dienst geben, gnädigster Herr
Lieutenant, so schenke ich ihnen den besten Lockfinken,
den ich habe, einen Reiter, über den nichts geht. Der
junge Herr soll meinen Staar kriegen, das ist ein
Staar! Er kann Ew. Gnaden in dreyerley Spra-
chen einen Hahnrey heißen, und hat mehr gelernt, als
mancher Magister. Lassen Sie mir durch Jhren
Pachter antworten, gnädiger Herr. Er darf mir nur
den Brief mit dem Drescher überschicken. Jch halte
mich mit meiner Frau itzt, weil ich keinen Dienst habe,
haussen in der Kneipschenke am Anger auf. Und
hiermit Gott befohlen. Der ich allstets beharre

Gnädiger Herr Lieutenant,
Ew. Excellenz

allerunterthänigst, treugehorsamst
pflichtschuldigster
- - - -
N. S.

Satyriſche Briefe.
ſich niemand beſſer zu Jhrem Schulmeiſter ſchickt, als
ich. Rechnen und Schreiben iſt auch meine Sache
nicht; aber was thut das? Jch will mir einen gro-
ßen Jungen aus der Gemeine halten, der es an mei-
ner ſtatt thut. Jch denke ja wohl, das geſchieht in
den meiſten Aemtern, daß einer den Titel und die
Beſoldung hat, und einen großen Jungen fuͤr ſich
arbeiten laͤßt. Was vornehmen Leuten recht iſt,
das wird doch bey einem armen Dorfſchulmeiſter
auch angehn. Mit einem Worte, ich verlaſſe mich
darauf, daß ich den Dienſt kriege. Gevatterbrie-
fe, und Hochzeitbriefe, das iſt mein Werk, die kann
ich ſchreiben, trotz zehn andern! Jch ſchicke Jhnen
von beiden eine Probe mit, die ſich gewaſchen hat.
Wenn Sie mir den Dienſt geben, gnaͤdigſter Herr
Lieutenant, ſo ſchenke ich ihnen den beſten Lockfinken,
den ich habe, einen Reiter, uͤber den nichts geht. Der
junge Herr ſoll meinen Staar kriegen, das iſt ein
Staar! Er kann Ew. Gnaden in dreyerley Spra-
chen einen Hahnrey heißen, und hat mehr gelernt, als
mancher Magiſter. Laſſen Sie mir durch Jhren
Pachter antworten, gnaͤdiger Herr. Er darf mir nur
den Brief mit dem Dreſcher uͤberſchicken. Jch halte
mich mit meiner Frau itzt, weil ich keinen Dienſt habe,
hauſſen in der Kneipſchenke am Anger auf. Und
hiermit Gott befohlen. Der ich allſtets beharre

Gnaͤdiger Herr Lieutenant,
Ew. Excellenz

allerunterthaͤnigſt, treugehorſamſt
pflichtſchuldigſter
‒ ‒ ‒ ‒
N. S.
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[45/0073] Satyriſche Briefe. ſich niemand beſſer zu Jhrem Schulmeiſter ſchickt, als ich. Rechnen und Schreiben iſt auch meine Sache nicht; aber was thut das? Jch will mir einen gro- ßen Jungen aus der Gemeine halten, der es an mei- ner ſtatt thut. Jch denke ja wohl, das geſchieht in den meiſten Aemtern, daß einer den Titel und die Beſoldung hat, und einen großen Jungen fuͤr ſich arbeiten laͤßt. Was vornehmen Leuten recht iſt, das wird doch bey einem armen Dorfſchulmeiſter auch angehn. Mit einem Worte, ich verlaſſe mich darauf, daß ich den Dienſt kriege. Gevatterbrie- fe, und Hochzeitbriefe, das iſt mein Werk, die kann ich ſchreiben, trotz zehn andern! Jch ſchicke Jhnen von beiden eine Probe mit, die ſich gewaſchen hat. Wenn Sie mir den Dienſt geben, gnaͤdigſter Herr Lieutenant, ſo ſchenke ich ihnen den beſten Lockfinken, den ich habe, einen Reiter, uͤber den nichts geht. Der junge Herr ſoll meinen Staar kriegen, das iſt ein Staar! Er kann Ew. Gnaden in dreyerley Spra- chen einen Hahnrey heißen, und hat mehr gelernt, als mancher Magiſter. Laſſen Sie mir durch Jhren Pachter antworten, gnaͤdiger Herr. Er darf mir nur den Brief mit dem Dreſcher uͤberſchicken. Jch halte mich mit meiner Frau itzt, weil ich keinen Dienſt habe, hauſſen in der Kneipſchenke am Anger auf. Und hiermit Gott befohlen. Der ich allſtets beharre Gnaͤdiger Herr Lieutenant, Ew. Excellenz allerunterthaͤnigſt, treugehorſamſt pflichtſchuldigſter ‒ ‒ ‒ ‒ N. S.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/73>, abgerufen am 27.11.2024.