Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
Gnädiger Herr, mußt du rufen, und dich tief tief
bücken. Thu nur, als wenn du mir die Hand küssen
wolltest. Jch werde kein Narr seyn, und es zulassen.
Bedaure, daß du nicht im Stande wärest - - daß
du dir die hohe Gnade nicht versehen hättest - - -
daß du, da ich dir das erstemal die Gnade meines
Zuspruchs gönnete, so wenig geschickt - - - daß
du bey deinen betrübten Umständen - - - (ge-
schwinde fahre nach dem Schnupftuche, und reibe
dir die Augen) daß dein seliger Mann - - - (im-
mer besser geweint) daß du als eine unglückliche
verlassene Wittwe - - - Siehst du, so mußt du
recht bestürzt reden, immer von vorne anfangen,
und nichts ausreden. Jch will dir zu rechter Zeit
in die Rede fallen. "Meine liebe Frau Magi-
"strinn (will ich mit einem huldreichen Tone auf
"dich herab reden) fassen Sie Sich, es ist Gottes
"Wille, und Sie sind eine zu gute Christinn, als
"daß Sie unter Jhrem Kreuze murren sollten.
"Tragen Sie es, als eine vernünftige Frau, in
"Geduld. Der Himmel, der Sie auf eine so
"schmerzliche Art betrübt hat, wird Sie vielleicht
"auf andere Art wieder erfreuen. Sie sind diese
"fromme Gelassenheit sich selbst, und ihrem ar-
"men Kinde schuldig. Sind Sie bey Jhren
"glücklichen Umständen andern, als eine vernünf-
"tige Frau, ein Exempel gewesen: so seyn Sie es
"auch itzt bey ihrem Unglücke. Versichern Sie Sich
"meiner Dienstbereitwilligkeit auf alle mögliche
"Art. Der Herr Candidat scheint mir ein ver-

nünftiger
C 2

Satyriſche Briefe.
Gnaͤdiger Herr, mußt du rufen, und dich tief tief
buͤcken. Thu nur, als wenn du mir die Hand kuͤſſen
wollteſt. Jch werde kein Narr ſeyn, und es zulaſſen.
Bedaure, daß du nicht im Stande waͤreſt ‒ ‒ daß
du dir die hohe Gnade nicht verſehen haͤtteſt ‒ ‒ ‒
daß du, da ich dir das erſtemal die Gnade meines
Zuſpruchs goͤnnete, ſo wenig geſchickt ‒ ‒ ‒ daß
du bey deinen betruͤbten Umſtaͤnden ‒ ‒ ‒ (ge-
ſchwinde fahre nach dem Schnupftuche, und reibe
dir die Augen) daß dein ſeliger Mann ‒ ‒ ‒ (im-
mer beſſer geweint) daß du als eine ungluͤckliche
verlaſſene Wittwe ‒ ‒ ‒ Siehſt du, ſo mußt du
recht beſtuͤrzt reden, immer von vorne anfangen,
und nichts ausreden. Jch will dir zu rechter Zeit
in die Rede fallen. „Meine liebe Frau Magi-
„ſtrinn (will ich mit einem huldreichen Tone auf
„dich herab reden) faſſen Sie Sich, es iſt Gottes
„Wille, und Sie ſind eine zu gute Chriſtinn, als
„daß Sie unter Jhrem Kreuze murren ſollten.
„Tragen Sie es, als eine vernuͤnftige Frau, in
„Geduld. Der Himmel, der Sie auf eine ſo
„ſchmerzliche Art betruͤbt hat, wird Sie vielleicht
„auf andere Art wieder erfreuen. Sie ſind dieſe
„fromme Gelaſſenheit ſich ſelbſt, und ihrem ar-
„men Kinde ſchuldig. Sind Sie bey Jhren
„gluͤcklichen Umſtaͤnden andern, als eine vernuͤnf-
„tige Frau, ein Exempel geweſen: ſo ſeyn Sie es
„auch itzt bey ihrem Ungluͤcke. Verſichern Sie Sich
„meiner Dienſtbereitwilligkeit auf alle moͤgliche
„Art. Der Herr Candidat ſcheint mir ein ver-

nuͤnftiger
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <p><pb facs="#f0063" n="35"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
Gna&#x0364;diger Herr, mußt du rufen, und dich tief tief<lb/>
bu&#x0364;cken. Thu nur, als wenn du mir die Hand ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wollte&#x017F;t. Jch werde kein Narr &#x017F;eyn, und es zula&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Bedaure, daß du nicht im Stande wa&#x0364;re&#x017F;t &#x2012; &#x2012; daß<lb/>
du dir die hohe Gnade nicht ver&#x017F;ehen ha&#x0364;tte&#x017F;t &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
daß du, da ich dir das er&#x017F;temal die Gnade meines<lb/>
Zu&#x017F;pruchs go&#x0364;nnete, &#x017F;o wenig ge&#x017F;chickt &#x2012; &#x2012; &#x2012; daß<lb/>
du bey deinen betru&#x0364;bten Um&#x017F;ta&#x0364;nden &#x2012; &#x2012; &#x2012; (ge-<lb/>
&#x017F;chwinde fahre nach dem Schnupftuche, und reibe<lb/>
dir die Augen) daß dein &#x017F;eliger Mann &#x2012; &#x2012; &#x2012; (im-<lb/>
mer be&#x017F;&#x017F;er geweint) daß du als eine unglu&#x0364;ckliche<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;ene Wittwe &#x2012; &#x2012; &#x2012; Sieh&#x017F;t du, &#x017F;o mußt du<lb/>
recht be&#x017F;tu&#x0364;rzt reden, immer von vorne anfangen,<lb/>
und nichts ausreden. Jch will dir zu rechter Zeit<lb/>
in die Rede fallen. &#x201E;Meine liebe Frau Magi-<lb/>
&#x201E;&#x017F;trinn (will ich mit einem huldreichen Tone auf<lb/>
&#x201E;dich herab reden) fa&#x017F;&#x017F;en Sie Sich, es i&#x017F;t Gottes<lb/>
&#x201E;Wille, und Sie &#x017F;ind eine zu gute Chri&#x017F;tinn, als<lb/>
&#x201E;daß Sie unter Jhrem Kreuze murren &#x017F;ollten.<lb/>
&#x201E;Tragen Sie es, als eine vernu&#x0364;nftige Frau, in<lb/>
&#x201E;Geduld. Der Himmel, der Sie auf eine &#x017F;o<lb/>
&#x201E;&#x017F;chmerzliche Art betru&#x0364;bt hat, wird Sie vielleicht<lb/>
&#x201E;auf andere Art wieder erfreuen. Sie &#x017F;ind die&#x017F;e<lb/>
&#x201E;fromme Gela&#x017F;&#x017F;enheit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und ihrem ar-<lb/>
&#x201E;men Kinde &#x017F;chuldig. Sind Sie bey Jhren<lb/>
&#x201E;glu&#x0364;cklichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden andern, als eine vernu&#x0364;nf-<lb/>
&#x201E;tige Frau, ein Exempel gewe&#x017F;en: &#x017F;o &#x017F;eyn Sie es<lb/>
&#x201E;auch itzt bey ihrem Unglu&#x0364;cke. Ver&#x017F;ichern Sie Sich<lb/>
&#x201E;meiner Dien&#x017F;tbereitwilligkeit auf alle mo&#x0364;gliche<lb/>
&#x201E;Art. Der Herr Candidat &#x017F;cheint mir ein ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nu&#x0364;nftiger</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0063] Satyriſche Briefe. Gnaͤdiger Herr, mußt du rufen, und dich tief tief buͤcken. Thu nur, als wenn du mir die Hand kuͤſſen wollteſt. Jch werde kein Narr ſeyn, und es zulaſſen. Bedaure, daß du nicht im Stande waͤreſt ‒ ‒ daß du dir die hohe Gnade nicht verſehen haͤtteſt ‒ ‒ ‒ daß du, da ich dir das erſtemal die Gnade meines Zuſpruchs goͤnnete, ſo wenig geſchickt ‒ ‒ ‒ daß du bey deinen betruͤbten Umſtaͤnden ‒ ‒ ‒ (ge- ſchwinde fahre nach dem Schnupftuche, und reibe dir die Augen) daß dein ſeliger Mann ‒ ‒ ‒ (im- mer beſſer geweint) daß du als eine ungluͤckliche verlaſſene Wittwe ‒ ‒ ‒ Siehſt du, ſo mußt du recht beſtuͤrzt reden, immer von vorne anfangen, und nichts ausreden. Jch will dir zu rechter Zeit in die Rede fallen. „Meine liebe Frau Magi- „ſtrinn (will ich mit einem huldreichen Tone auf „dich herab reden) faſſen Sie Sich, es iſt Gottes „Wille, und Sie ſind eine zu gute Chriſtinn, als „daß Sie unter Jhrem Kreuze murren ſollten. „Tragen Sie es, als eine vernuͤnftige Frau, in „Geduld. Der Himmel, der Sie auf eine ſo „ſchmerzliche Art betruͤbt hat, wird Sie vielleicht „auf andere Art wieder erfreuen. Sie ſind dieſe „fromme Gelaſſenheit ſich ſelbſt, und ihrem ar- „men Kinde ſchuldig. Sind Sie bey Jhren „gluͤcklichen Umſtaͤnden andern, als eine vernuͤnf- „tige Frau, ein Exempel geweſen: ſo ſeyn Sie es „auch itzt bey ihrem Ungluͤcke. Verſichern Sie Sich „meiner Dienſtbereitwilligkeit auf alle moͤgliche „Art. Der Herr Candidat ſcheint mir ein ver- nuͤnftiger C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/63
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/63>, abgerufen am 27.11.2024.