"Wem etwa diese Art, seine Absichten zu "erklären, zu dreist, und nicht fein genug "vorkömmt, den will ich durch den klei- "nen Roman befriedigen, welcher in den nachste- "henden sechs Briefen erzählt wird. Hat jemand "von meinen Lesern Zeit und Lust, sich selbst im "Briefschreiben zu üben, der wird wohl thun, "wenn er den zweyten Theil dazu verfertigt, und "die Neubegierde seiner Freunde befriediget, welche "vielleicht gern möchten wissen wollen, ob der Can- "didat die Pfarre wirklich angenommen; ob seine, "und der jungen Wittwe Wünsche erfüllt wor- "den; und ob der Kirchenpatron noch oft nöthig "gehabt, sie über ihren seligen Mann zu trösten."
Schreiben einer Priesterwittwe an den Candidaten.
Hochgeehrter Herr Magister,
Es hat der gnädige Herr mir befohlen, Jhnen innliegenden Brief zu übersenden. Er betrifft Jhre Beförderung an die Stelle meines seligen Mannes. Sollte die Sache zur Richtigkeit kom- men, so wünsche ich Jhnen im voraus Glück, und besonders dieses, daß Sie des Amts länger genies- sen mögen, als mein seeliger Herr, welcher es nur
vier
Satyriſche Briefe.
„Wem etwa dieſe Art, ſeine Abſichten zu „erklaͤren, zu dreiſt, und nicht fein genug „vorkoͤmmt, den will ich durch den klei- „nen Roman befriedigen, welcher in den nachſte- „henden ſechs Briefen erzaͤhlt wird. Hat jemand „von meinen Leſern Zeit und Luſt, ſich ſelbſt im „Briefſchreiben zu uͤben, der wird wohl thun, „wenn er den zweyten Theil dazu verfertigt, und „die Neubegierde ſeiner Freunde befriediget, welche „vielleicht gern moͤchten wiſſen wollen, ob der Can- „didat die Pfarre wirklich angenommen; ob ſeine, „und der jungen Wittwe Wuͤnſche erfuͤllt wor- „den; und ob der Kirchenpatron noch oft noͤthig „gehabt, ſie uͤber ihren ſeligen Mann zu troͤſten.„
Schreiben einer Prieſterwittwe an den Candidaten.
Hochgeehrter Herr Magiſter,
Es hat der gnaͤdige Herr mir befohlen, Jhnen innliegenden Brief zu uͤberſenden. Er betrifft Jhre Befoͤrderung an die Stelle meines ſeligen Mannes. Sollte die Sache zur Richtigkeit kom- men, ſo wuͤnſche ich Jhnen im voraus Gluͤck, und beſonders dieſes, daß Sie des Amts laͤnger genies- ſen moͤgen, als mein ſeeliger Herr, welcher es nur
vier
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Satyriſche Briefe.
„Wem etwa dieſe Art, ſeine Abſichten zu
„erklaͤren, zu dreiſt, und nicht fein genug
„vorkoͤmmt, den will ich durch den klei-
„nen Roman befriedigen, welcher in den nachſte-
„henden ſechs Briefen erzaͤhlt wird. Hat jemand
„von meinen Leſern Zeit und Luſt, ſich ſelbſt im
„Briefſchreiben zu uͤben, der wird wohl thun,
„wenn er den zweyten Theil dazu verfertigt, und
„die Neubegierde ſeiner Freunde befriediget, welche
„vielleicht gern moͤchten wiſſen wollen, ob der Can-
„didat die Pfarre wirklich angenommen; ob ſeine,
„und der jungen Wittwe Wuͤnſche erfuͤllt wor-
„den; und ob der Kirchenpatron noch oft noͤthig
„gehabt, ſie uͤber ihren ſeligen Mann zu troͤſten.„
Schreiben
einer Prieſterwittwe an den Candidaten.
Hochgeehrter Herr Magiſter,
Es hat der gnaͤdige Herr mir befohlen, Jhnen
innliegenden Brief zu uͤberſenden. Er betrifft
Jhre Befoͤrderung an die Stelle meines ſeligen
Mannes. Sollte die Sache zur Richtigkeit kom-
men, ſo wuͤnſche ich Jhnen im voraus Gluͤck, und
beſonders dieſes, daß Sie des Amts laͤnger genies-
ſen moͤgen, als mein ſeeliger Herr, welcher es nur
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/56>, abgerufen am 24.11.2024.
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