Sie mir bey meinem aufrichtigen Geständnisse we- nigstens nicht Schuld geben, daß ich Sie habe be- trügen wollen.
Leben Sie wohl. Jch bin etc. R - - -
Hochzuehrende Tante,
Herr R - - - hat mir einen Antrag gethan, welcher eine genauere Ueberlegung wohl zu verdienen scheint. Noch bin ich unschlüßig, ob mir schon die offenherzige Art, mit welcher Herr R - - - sich erklärt, besonders gefällt, und viel Gutes verspricht. Jch übersende Jhnen sei- nen Brief, und bitte mir Jhren guten Rath, so bald als es möglich ist, aus. Die mütterliche Lie- be, welche Sie bey andern Gelegenheiten gegen mich geäussert haben, läßt mich hoffen, daß Sie mir von ganzem Herzen rathen werden. Jch würde itzt meine verstorbne Mutter mehr als ie- mals vermissen, wenn mir nicht Jhre Wohlgewo- genheit ein Recht gegeben hätte, meine Zuflucht zu Jhnen zu nehmen. Jch habe meinen Onkel, und einige meiner Freundinnen des Wohlstands wegen zugleich mit zu Rathe gezogen: aber auf Jhren Ausspruch, Hochzuehrende Frau, werde ich es allein ankommen lassen, da mein Onkel, wenn ich es wagen darf zu sagen, ein wenig gar zu sorgsam ist, und meine Freundinnen gar zu
leicht-
Satyriſche Briefe.
Sie mir bey meinem aufrichtigen Geſtaͤndniſſe we- nigſtens nicht Schuld geben, daß ich Sie habe be- truͤgen wollen.
Leben Sie wohl. Jch bin ꝛc. R ‒ ‒ ‒
Hochzuehrende Tante,
Herr R ‒ ‒ ‒ hat mir einen Antrag gethan, welcher eine genauere Ueberlegung wohl zu verdienen ſcheint. Noch bin ich unſchluͤßig, ob mir ſchon die offenherzige Art, mit welcher Herr R ‒ ‒ ‒ ſich erklaͤrt, beſonders gefaͤllt, und viel Gutes verſpricht. Jch uͤberſende Jhnen ſei- nen Brief, und bitte mir Jhren guten Rath, ſo bald als es moͤglich iſt, aus. Die muͤtterliche Lie- be, welche Sie bey andern Gelegenheiten gegen mich geaͤuſſert haben, laͤßt mich hoffen, daß Sie mir von ganzem Herzen rathen werden. Jch wuͤrde itzt meine verſtorbne Mutter mehr als ie- mals vermiſſen, wenn mir nicht Jhre Wohlgewo- genheit ein Recht gegeben haͤtte, meine Zuflucht zu Jhnen zu nehmen. Jch habe meinen Onkel, und einige meiner Freundinnen des Wohlſtands wegen zugleich mit zu Rathe gezogen: aber auf Jhren Ausſpruch, Hochzuehrende Frau, werde ich es allein ankommen laſſen, da mein Onkel, wenn ich es wagen darf zu ſagen, ein wenig gar zu ſorgſam iſt, und meine Freundinnen gar zu
leicht-
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0359"n="331"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/>
Sie mir bey meinem aufrichtigen Geſtaͤndniſſe we-<lb/>
nigſtens nicht Schuld geben, daß ich Sie habe be-<lb/>
truͤgen wollen.</p><closer><salute>Leben Sie wohl. Jch bin ꝛc.<lb/>
R ‒‒‒</salute></closer></div><lb/><divtype="letter"><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Hochzuehrende Tante,</hi></hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">H</hi>err R ‒‒‒ hat mir einen Antrag gethan,<lb/>
welcher eine genauere Ueberlegung wohl zu<lb/>
verdienen ſcheint. Noch bin ich unſchluͤßig, ob<lb/>
mir ſchon die offenherzige Art, mit welcher Herr<lb/>
R ‒‒‒ſich erklaͤrt, beſonders gefaͤllt, und<lb/>
viel Gutes verſpricht. Jch uͤberſende Jhnen ſei-<lb/>
nen Brief, und bitte mir Jhren guten Rath, ſo<lb/>
bald als es moͤglich iſt, aus. Die muͤtterliche Lie-<lb/>
be, welche Sie bey andern Gelegenheiten gegen<lb/>
mich geaͤuſſert haben, laͤßt mich hoffen, daß Sie<lb/>
mir von ganzem Herzen rathen werden. Jch<lb/>
wuͤrde itzt meine verſtorbne Mutter mehr als ie-<lb/>
mals vermiſſen, wenn mir nicht Jhre Wohlgewo-<lb/>
genheit ein Recht gegeben haͤtte, meine Zuflucht<lb/>
zu Jhnen zu nehmen. Jch habe meinen Onkel,<lb/>
und einige meiner Freundinnen des Wohlſtands<lb/>
wegen zugleich mit zu Rathe gezogen: aber auf<lb/>
Jhren Ausſpruch, Hochzuehrende Frau, werde<lb/>
ich es allein ankommen laſſen, da mein Onkel,<lb/>
wenn ich es wagen darf zu ſagen, ein wenig gar<lb/>
zu ſorgſam iſt, und meine Freundinnen gar zu<lb/><fwplace="bottom"type="catch">leicht-</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[331/0359]
Satyriſche Briefe.
Sie mir bey meinem aufrichtigen Geſtaͤndniſſe we-
nigſtens nicht Schuld geben, daß ich Sie habe be-
truͤgen wollen.
Leben Sie wohl. Jch bin ꝛc.
R ‒ ‒ ‒
Hochzuehrende Tante,
Herr R ‒ ‒ ‒ hat mir einen Antrag gethan,
welcher eine genauere Ueberlegung wohl zu
verdienen ſcheint. Noch bin ich unſchluͤßig, ob
mir ſchon die offenherzige Art, mit welcher Herr
R ‒ ‒ ‒ ſich erklaͤrt, beſonders gefaͤllt, und
viel Gutes verſpricht. Jch uͤberſende Jhnen ſei-
nen Brief, und bitte mir Jhren guten Rath, ſo
bald als es moͤglich iſt, aus. Die muͤtterliche Lie-
be, welche Sie bey andern Gelegenheiten gegen
mich geaͤuſſert haben, laͤßt mich hoffen, daß Sie
mir von ganzem Herzen rathen werden. Jch
wuͤrde itzt meine verſtorbne Mutter mehr als ie-
mals vermiſſen, wenn mir nicht Jhre Wohlgewo-
genheit ein Recht gegeben haͤtte, meine Zuflucht
zu Jhnen zu nehmen. Jch habe meinen Onkel,
und einige meiner Freundinnen des Wohlſtands
wegen zugleich mit zu Rathe gezogen: aber auf
Jhren Ausſpruch, Hochzuehrende Frau, werde
ich es allein ankommen laſſen, da mein Onkel,
wenn ich es wagen darf zu ſagen, ein wenig gar
zu ſorgſam iſt, und meine Freundinnen gar zu
leicht-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/359>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.