empfindlicher schmeicheln, als wenn sie diesem gut- herzigen Alten in seiner schlechten Kleidung eben die Achtung bezeigen, die man einem angesehnen Grei- se vom Stande schuldig ist. Wie sehr werde ich Sie lieben, Mademoiselle, wenn Sie Sich gewöh- nen können, diesen guten Alten zu lieben! Noch eins. Jch kann mir nicht hitzig widersprechen las- sen. Jch habe nicht allemal Recht, es ist wahr; aber ich sehe es gern, wenn man mir Zeit läßt, die- ses selbst einzusehn. Jch sehe es sehr bald ein, und alsdann schäme ich mich doppelt, so wohl über meine Uebereilung, als über die Nachsicht meiner Freunde, die ich gemisbraucht habe.
Sehen Sie wohl aus allen diesen Umstän- den, Mademoiselle, daß ich die ungewöhnliche Ab- sicht habe, Herr im Hause zu seyn? Es ist eine sehr altvätrische Mode, aber ich will sie doch bey- behalten wissen. So viel kan ich Jhnen inzwi- schen versichern, daß so gewiß ich Herr im Hause zu seyn verlange, so gewiß will ich auch, daß mei- ne Frau Frau im Hause seyn soll. Diese Ver- sichrung muß Sie beruhigen.
Was meynen Sie, Mademoiselle? Getrauen Sie Sich, einen Mann zu heirathen, der alle diese Fehler hat? Glauben Sie, dem ungeachtet glück- lich mit ihm zu leben? Jch bitte mir binnen acht Tagen Jhre Antwort aus. Entschliessen Sie Sich dazu, so bin ich der glücklichste Mensch. Können Sie Sich nicht entschliessen, so werden
Sie
Satyriſche Briefe.
empfindlicher ſchmeicheln, als wenn ſie dieſem gut- herzigen Alten in ſeiner ſchlechten Kleidung eben die Achtung bezeigen, die man einem angeſehnen Grei- ſe vom Stande ſchuldig iſt. Wie ſehr werde ich Sie lieben, Mademoiſelle, wenn Sie Sich gewoͤh- nen koͤnnen, dieſen guten Alten zu lieben! Noch eins. Jch kann mir nicht hitzig widerſprechen laſ- ſen. Jch habe nicht allemal Recht, es iſt wahr; aber ich ſehe es gern, wenn man mir Zeit laͤßt, die- ſes ſelbſt einzuſehn. Jch ſehe es ſehr bald ein, und alsdann ſchaͤme ich mich doppelt, ſo wohl uͤber meine Uebereilung, als uͤber die Nachſicht meiner Freunde, die ich gemisbraucht habe.
Sehen Sie wohl aus allen dieſen Umſtaͤn- den, Mademoiſelle, daß ich die ungewoͤhnliche Ab- ſicht habe, Herr im Hauſe zu ſeyn? Es iſt eine ſehr altvaͤtriſche Mode, aber ich will ſie doch bey- behalten wiſſen. So viel kan ich Jhnen inzwi- ſchen verſichern, daß ſo gewiß ich Herr im Hauſe zu ſeyn verlange, ſo gewiß will ich auch, daß mei- ne Frau Frau im Hauſe ſeyn ſoll. Dieſe Ver- ſichrung muß Sie beruhigen.
Was meynen Sie, Mademoiſelle? Getrauen Sie Sich, einen Mann zu heirathen, der alle dieſe Fehler hat? Glauben Sie, dem ungeachtet gluͤck- lich mit ihm zu leben? Jch bitte mir binnen acht Tagen Jhre Antwort aus. Entſchlieſſen Sie Sich dazu, ſo bin ich der gluͤcklichſte Menſch. Koͤnnen Sie Sich nicht entſchlieſſen, ſo werden
Sie
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Satyriſche Briefe.
empfindlicher ſchmeicheln, als wenn ſie dieſem gut-
herzigen Alten in ſeiner ſchlechten Kleidung eben die
Achtung bezeigen, die man einem angeſehnen Grei-
ſe vom Stande ſchuldig iſt. Wie ſehr werde ich
Sie lieben, Mademoiſelle, wenn Sie Sich gewoͤh-
nen koͤnnen, dieſen guten Alten zu lieben! Noch
eins. Jch kann mir nicht hitzig widerſprechen laſ-
ſen. Jch habe nicht allemal Recht, es iſt wahr;
aber ich ſehe es gern, wenn man mir Zeit laͤßt, die-
ſes ſelbſt einzuſehn. Jch ſehe es ſehr bald ein, und
alsdann ſchaͤme ich mich doppelt, ſo wohl uͤber
meine Uebereilung, als uͤber die Nachſicht meiner
Freunde, die ich gemisbraucht habe.
Sehen Sie wohl aus allen dieſen Umſtaͤn-
den, Mademoiſelle, daß ich die ungewoͤhnliche Ab-
ſicht habe, Herr im Hauſe zu ſeyn? Es iſt eine
ſehr altvaͤtriſche Mode, aber ich will ſie doch bey-
behalten wiſſen. So viel kan ich Jhnen inzwi-
ſchen verſichern, daß ſo gewiß ich Herr im Hauſe
zu ſeyn verlange, ſo gewiß will ich auch, daß mei-
ne Frau Frau im Hauſe ſeyn ſoll. Dieſe Ver-
ſichrung muß Sie beruhigen.
Was meynen Sie, Mademoiſelle? Getrauen
Sie Sich, einen Mann zu heirathen, der alle dieſe
Fehler hat? Glauben Sie, dem ungeachtet gluͤck-
lich mit ihm zu leben? Jch bitte mir binnen acht
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/358>, abgerufen am 26.06.2024.
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