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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
wußte, daß er die Compagnie bekommen hatte.
Jch war dem gewünschten Augenblicke nahe, dem
ich zehn Jahre entgegen gesehn hatte. Jede Mi-
nute, die ich vergebens auf ihn wartete, schien
mir ganze Tage zu seyn. Er kam nicht. Es
verstrichen vier Wochen, ohne daß ich von meinem
Ungetreuen eine Zeile Antwort bekam. Endlich
erhielt ich einen Brief von ihm. Urtheilen Sie
von meinem Schrecken, als ich folgendes las.

Mademoiselle,

"Jch erinnere mich der angenehmen Augenblicke
"sehr wohl, da ich das Vergnügen hatte, in
"Jhrer Gesellschaft zu seyn. Glauben Sie Ma-
"demoiselle, daß wir Officiere denen Mädchen
"unendlichen Dank schuldig sind, welche bey un-
"sern müßigen Stunden, deren wir sehr viele ha-
"ben, sich gefallen lassen, unsre Schmeicheleyen an-
"zuhören, und sie zu beantworten. Außer die-
"sem Zeitvertreibe würde es für uns auf dem Lan-
"de und in kleinen Städten nicht auszustehen seyn,
"wo man so wenig Gesellschaft findet, die unserm
"Stande gemäß ist. Jch glaube, Sie, als eine
"alte gute Freundinn und Bekannte von mir,
"werden mir es gönnen, wenn ich Jhnen melde,
"daß ich eine Compagnie unter dem Regimente
"des Herrn Obristen von - - - bekommen ha-
"be, und gestern so glücklich gewesen bin, mich
"mit seiner Fräulein Tochter zu vermählen. Sie

ist

Satyriſche Briefe.
wußte, daß er die Compagnie bekommen hatte.
Jch war dem gewuͤnſchten Augenblicke nahe, dem
ich zehn Jahre entgegen geſehn hatte. Jede Mi-
nute, die ich vergebens auf ihn wartete, ſchien
mir ganze Tage zu ſeyn. Er kam nicht. Es
verſtrichen vier Wochen, ohne daß ich von meinem
Ungetreuen eine Zeile Antwort bekam. Endlich
erhielt ich einen Brief von ihm. Urtheilen Sie
von meinem Schrecken, als ich folgendes las.

Mademoiſelle,

Jch erinnere mich der angenehmen Augenblicke
„ſehr wohl, da ich das Vergnuͤgen hatte, in
„Jhrer Geſellſchaft zu ſeyn. Glauben Sie Ma-
„demoiſelle, daß wir Officiere denen Maͤdchen
„unendlichen Dank ſchuldig ſind, welche bey un-
„ſern muͤßigen Stunden, deren wir ſehr viele ha-
„ben, ſich gefallen laſſen, unſre Schmeicheleyen an-
„zuhoͤren, und ſie zu beantworten. Außer die-
„ſem Zeitvertreibe wuͤrde es fuͤr uns auf dem Lan-
„de und in kleinen Staͤdten nicht auszuſtehen ſeyn,
„wo man ſo wenig Geſellſchaft findet, die unſerm
„Stande gemaͤß iſt. Jch glaube, Sie, als eine
„alte gute Freundinn und Bekannte von mir,
„werden mir es goͤnnen, wenn ich Jhnen melde,
„daß ich eine Compagnie unter dem Regimente
„des Herrn Obriſten von ‒ ‒ ‒ bekommen ha-
„be, und geſtern ſo gluͤcklich geweſen bin, mich
„mit ſeiner Fraͤulein Tochter zu vermaͤhlen. Sie

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[207/0235] Satyriſche Briefe. wußte, daß er die Compagnie bekommen hatte. Jch war dem gewuͤnſchten Augenblicke nahe, dem ich zehn Jahre entgegen geſehn hatte. Jede Mi- nute, die ich vergebens auf ihn wartete, ſchien mir ganze Tage zu ſeyn. Er kam nicht. Es verſtrichen vier Wochen, ohne daß ich von meinem Ungetreuen eine Zeile Antwort bekam. Endlich erhielt ich einen Brief von ihm. Urtheilen Sie von meinem Schrecken, als ich folgendes las. Mademoiſelle, „Jch erinnere mich der angenehmen Augenblicke „ſehr wohl, da ich das Vergnuͤgen hatte, in „Jhrer Geſellſchaft zu ſeyn. Glauben Sie Ma- „demoiſelle, daß wir Officiere denen Maͤdchen „unendlichen Dank ſchuldig ſind, welche bey un- „ſern muͤßigen Stunden, deren wir ſehr viele ha- „ben, ſich gefallen laſſen, unſre Schmeicheleyen an- „zuhoͤren, und ſie zu beantworten. Außer die- „ſem Zeitvertreibe wuͤrde es fuͤr uns auf dem Lan- „de und in kleinen Staͤdten nicht auszuſtehen ſeyn, „wo man ſo wenig Geſellſchaft findet, die unſerm „Stande gemaͤß iſt. Jch glaube, Sie, als eine „alte gute Freundinn und Bekannte von mir, „werden mir es goͤnnen, wenn ich Jhnen melde, „daß ich eine Compagnie unter dem Regimente „des Herrn Obriſten von ‒ ‒ ‒ bekommen ha- „be, und geſtern ſo gluͤcklich geweſen bin, mich „mit ſeiner Fraͤulein Tochter zu vermaͤhlen. Sie iſt

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/235>, abgerufen am 23.11.2024.