Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Satyrische Briefe.

Mitten in diesen kritischen Umständen verblen-
dete der Himmel einen Professor, daß er um mich
warb. Mein Vater sagte, er wäre ein gelehrter
Mann. Es kann seyn. Aber ein gelehrter Pro-
fessor, und ein Capitain, den man liebt, sind zwo
ganz unterschiedne Creaturen. Er hatte ein gu-
tes Auskommen, und ich wußte, ungeachtet aller
Mühe, die ich mir gab, an ihm weiter nichts aus-
zusetzen, als daß er zwey und vierzig Jahre alt
war. Ein Mädchen von acht und zwanzig
Jahren hätte sich daran nicht stoßen sollen!

So? Wer hat Jhnen denn gesagt, mein Herr,
daß ich damals acht und zwanzig Jahre alt war?
Um diese Zeit sind die Frauenzimmer in ihren ste-
henden Jahren, und ich war seit fünf Jahren be-
ständig drey und zwanzig Jahre alt gewesen. Jhr
Einwurf taugte also nichts. Lassen Sie mich mei-
nen Roman weiter erzählen. Die alten Römer
mögen sich vermuthlich an die Väter gewendet ha-
ben, wenn sie sich in die Töchter verliebt hatten;
wenigstens machte es mein Herr Professor so. Er
arbeitete an meinen Herrn Vater folgende gelehrte
Schrift aus.

Hoch-
Satyriſche Briefe.

Mitten in dieſen kritiſchen Umſtaͤnden verblen-
dete der Himmel einen Profeſſor, daß er um mich
warb. Mein Vater ſagte, er waͤre ein gelehrter
Mann. Es kann ſeyn. Aber ein gelehrter Pro-
feſſor, und ein Capitain, den man liebt, ſind zwo
ganz unterſchiedne Creaturen. Er hatte ein gu-
tes Auskommen, und ich wußte, ungeachtet aller
Muͤhe, die ich mir gab, an ihm weiter nichts aus-
zuſetzen, als daß er zwey und vierzig Jahre alt
war. Ein Maͤdchen von acht und zwanzig
Jahren haͤtte ſich daran nicht ſtoßen ſollen!

So? Wer hat Jhnen denn geſagt, mein Herr,
daß ich damals acht und zwanzig Jahre alt war?
Um dieſe Zeit ſind die Frauenzimmer in ihren ſte-
henden Jahren, und ich war ſeit fuͤnf Jahren be-
ſtaͤndig drey und zwanzig Jahre alt geweſen. Jhr
Einwurf taugte alſo nichts. Laſſen Sie mich mei-
nen Roman weiter erzaͤhlen. Die alten Roͤmer
moͤgen ſich vermuthlich an die Vaͤter gewendet ha-
ben, wenn ſie ſich in die Toͤchter verliebt hatten;
wenigſtens machte es mein Herr Profeſſor ſo. Er
arbeitete an meinen Herrn Vater folgende gelehrte
Schrift aus.

Hoch-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0226" n="198"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi> </fw><lb/>
        <p>Mitten in die&#x017F;en kriti&#x017F;chen Um&#x017F;ta&#x0364;nden verblen-<lb/>
dete der Himmel einen Profe&#x017F;&#x017F;or, daß er um mich<lb/>
warb. Mein Vater &#x017F;agte, er wa&#x0364;re ein gelehrter<lb/>
Mann. Es kann &#x017F;eyn. Aber ein gelehrter Pro-<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;or, und ein Capitain, den man liebt, &#x017F;ind zwo<lb/>
ganz unter&#x017F;chiedne Creaturen. Er hatte ein gu-<lb/>
tes Auskommen, und ich wußte, ungeachtet aller<lb/>
Mu&#x0364;he, die ich mir gab, an ihm weiter nichts aus-<lb/>
zu&#x017F;etzen, als daß er zwey und vierzig Jahre alt<lb/>
war. <hi rendition="#fr">Ein Ma&#x0364;dchen von acht und zwanzig<lb/>
Jahren ha&#x0364;tte &#x017F;ich daran nicht &#x017F;toßen &#x017F;ollen!</hi><lb/>
So? Wer hat Jhnen denn ge&#x017F;agt, mein Herr,<lb/>
daß ich damals acht und zwanzig Jahre alt war?<lb/>
Um die&#x017F;e Zeit &#x017F;ind die Frauenzimmer in ihren &#x017F;te-<lb/>
henden Jahren, und ich war &#x017F;eit fu&#x0364;nf Jahren be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig drey und zwanzig Jahre alt gewe&#x017F;en. Jhr<lb/>
Einwurf taugte al&#x017F;o nichts. La&#x017F;&#x017F;en Sie mich mei-<lb/>
nen Roman weiter erza&#x0364;hlen. Die alten Ro&#x0364;mer<lb/>
mo&#x0364;gen &#x017F;ich vermuthlich an die Va&#x0364;ter gewendet ha-<lb/>
ben, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich in die To&#x0364;chter verliebt hatten;<lb/>
wenig&#x017F;tens machte es mein Herr Profe&#x017F;&#x017F;or &#x017F;o. Er<lb/>
arbeitete an meinen Herrn Vater folgende gelehrte<lb/>
Schrift aus.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Hoch-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0226] Satyriſche Briefe. Mitten in dieſen kritiſchen Umſtaͤnden verblen- dete der Himmel einen Profeſſor, daß er um mich warb. Mein Vater ſagte, er waͤre ein gelehrter Mann. Es kann ſeyn. Aber ein gelehrter Pro- feſſor, und ein Capitain, den man liebt, ſind zwo ganz unterſchiedne Creaturen. Er hatte ein gu- tes Auskommen, und ich wußte, ungeachtet aller Muͤhe, die ich mir gab, an ihm weiter nichts aus- zuſetzen, als daß er zwey und vierzig Jahre alt war. Ein Maͤdchen von acht und zwanzig Jahren haͤtte ſich daran nicht ſtoßen ſollen! So? Wer hat Jhnen denn geſagt, mein Herr, daß ich damals acht und zwanzig Jahre alt war? Um dieſe Zeit ſind die Frauenzimmer in ihren ſte- henden Jahren, und ich war ſeit fuͤnf Jahren be- ſtaͤndig drey und zwanzig Jahre alt geweſen. Jhr Einwurf taugte alſo nichts. Laſſen Sie mich mei- nen Roman weiter erzaͤhlen. Die alten Roͤmer moͤgen ſich vermuthlich an die Vaͤter gewendet ha- ben, wenn ſie ſich in die Toͤchter verliebt hatten; wenigſtens machte es mein Herr Profeſſor ſo. Er arbeitete an meinen Herrn Vater folgende gelehrte Schrift aus. Hoch-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/226
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/226>, abgerufen am 17.05.2024.