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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
stens gab ich es seiner Krankheit Schuld, das er
bey unsrer ersten Zusammenkunft ziemlich gleich-
gültig gegen mich that. Er erholte sich nach und
nach, gegen mich aber blieb er immer gleichgültig.
Wie unruhig ward ich Thörinn! Ganz unvermu-
thet erhielt ich die Nachricht, er sey nach Dresden
gereist, um die Sachen wegen seiner Compagnie
in Ordnung zu bringen. Nach Dresden zu reisen,
ohne mir ein Wort davon zu sagen, ohne Abschied
zu nehmen, ohne mir zu sagen, daß er sich dem
glücklichen Augenblicke nunmehr nahe, wo er mei-
ne Liebe und Beständigkeit krönen könne? Konnte
ein Gedanke für mich grausamer seyn, als der,
welcher natürlicher Weise aus diesen Vorstellungen
fliessen mußte? Und doch war ich immer noch so
leichtgläubig, daß ich mir einbildete, nur aus Lie-
be zu mir, nur um mich nicht zu kränken, sey er oh-
ne Abschied, und in der Stille fortgereist; um
mir eine ganz unerwartete Freude zu ma-
chen, habe er mich nicht wollen wissen lassen,
wie nahe er seinem Glücke sey. Mit ausgesperr-
ten Armen sahe ich im Geiste meinen treuen Lieb-
haber zu mir zurück fliegen, und sein neues Glück
als Hauptmann mit mir theilen. Aber warum
schrieb er mir nicht? Schreiben hätte er zum we-
nigsten gekonnt. Das hieß ich die Zärtlichkeit
aufs höchste treiben. Nun ward ich argwöhnisch,
und unruhig.

Mitten
N 3

Satyriſche Briefe.
ſtens gab ich es ſeiner Krankheit Schuld, das er
bey unſrer erſten Zuſammenkunft ziemlich gleich-
guͤltig gegen mich that. Er erholte ſich nach und
nach, gegen mich aber blieb er immer gleichguͤltig.
Wie unruhig ward ich Thoͤrinn! Ganz unvermu-
thet erhielt ich die Nachricht, er ſey nach Dresden
gereiſt, um die Sachen wegen ſeiner Compagnie
in Ordnung zu bringen. Nach Dresden zu reiſen,
ohne mir ein Wort davon zu ſagen, ohne Abſchied
zu nehmen, ohne mir zu ſagen, daß er ſich dem
gluͤcklichen Augenblicke nunmehr nahe, wo er mei-
ne Liebe und Beſtaͤndigkeit kroͤnen koͤnne? Konnte
ein Gedanke fuͤr mich grauſamer ſeyn, als der,
welcher natuͤrlicher Weiſe aus dieſen Vorſtellungen
flieſſen mußte? Und doch war ich immer noch ſo
leichtglaͤubig, daß ich mir einbildete, nur aus Lie-
be zu mir, nur um mich nicht zu kraͤnken, ſey er oh-
ne Abſchied, und in der Stille fortgereiſt; um
mir eine ganz unerwartete Freude zu ma-
chen, habe er mich nicht wollen wiſſen laſſen,
wie nahe er ſeinem Gluͤcke ſey. Mit ausgeſperr-
ten Armen ſahe ich im Geiſte meinen treuen Lieb-
haber zu mir zuruͤck fliegen, und ſein neues Gluͤck
als Hauptmann mit mir theilen. Aber warum
ſchrieb er mir nicht? Schreiben haͤtte er zum we-
nigſten gekonnt. Das hieß ich die Zaͤrtlichkeit
aufs hoͤchſte treiben. Nun ward ich argwoͤhniſch,
und unruhig.

Mitten
N 3
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[197/0225] Satyriſche Briefe. ſtens gab ich es ſeiner Krankheit Schuld, das er bey unſrer erſten Zuſammenkunft ziemlich gleich- guͤltig gegen mich that. Er erholte ſich nach und nach, gegen mich aber blieb er immer gleichguͤltig. Wie unruhig ward ich Thoͤrinn! Ganz unvermu- thet erhielt ich die Nachricht, er ſey nach Dresden gereiſt, um die Sachen wegen ſeiner Compagnie in Ordnung zu bringen. Nach Dresden zu reiſen, ohne mir ein Wort davon zu ſagen, ohne Abſchied zu nehmen, ohne mir zu ſagen, daß er ſich dem gluͤcklichen Augenblicke nunmehr nahe, wo er mei- ne Liebe und Beſtaͤndigkeit kroͤnen koͤnne? Konnte ein Gedanke fuͤr mich grauſamer ſeyn, als der, welcher natuͤrlicher Weiſe aus dieſen Vorſtellungen flieſſen mußte? Und doch war ich immer noch ſo leichtglaͤubig, daß ich mir einbildete, nur aus Lie- be zu mir, nur um mich nicht zu kraͤnken, ſey er oh- ne Abſchied, und in der Stille fortgereiſt; um mir eine ganz unerwartete Freude zu ma- chen, habe er mich nicht wollen wiſſen laſſen, wie nahe er ſeinem Gluͤcke ſey. Mit ausgeſperr- ten Armen ſahe ich im Geiſte meinen treuen Lieb- haber zu mir zuruͤck fliegen, und ſein neues Gluͤck als Hauptmann mit mir theilen. Aber warum ſchrieb er mir nicht? Schreiben haͤtte er zum we- nigſten gekonnt. Das hieß ich die Zaͤrtlichkeit aufs hoͤchſte treiben. Nun ward ich argwoͤhniſch, und unruhig. Mitten N 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/225>, abgerufen am 23.11.2024.