"ger, Cajus, genöthigt, sich mit dem Sempro- "nius zu vergleichen, so gut er kann. Jch bitte "diejenigen von meinen jungen Lesern, welche "sich künftig als Priester der Gerechtigkeit "wollen einweihen lassen, daß sie die Mühe sich "nicht dauern lassen, die Verbindungen dieser "Aufgabe in einen Stammbaum zu bringen. "Jn Sachen von Wichtigkeit, wie diese ist, "kann man nicht zeitig gnug anfangen, sich "zu üben.
"Bey der Anweisung von der Kunst sich "bestechen zu lassen habe ich endlich auch diese "Regel wiederholt: Ein Richter darf es nicht "gar zu sehr auf die Großmuth seiner Par- "theyen ankommen lassen, und nicht verstatten, "daß ihm die Geschenke nur von ferne gewie- "sen werden. Accipe, dum dolet! Die Er- "kenntlichkeit, die die Partheyen alsdann erst "leisten wollen, wenn der Proceß zu Ende ist, "gehören zu den leeren und unnützen Compli- "menten. Sie bedeuten nichts mehr, als "das bekannte: Mein Herr, wir wollen se- "hen! welches uns die Großen in ihren Vor- "zimmern machen, wenn wir von ihnen etwas "bitten, das sie uns nicht gewähren wollen. "Ein Client, der in Angst ist, seinen Proceß "zu verlieren, thut in dieser Noth eben so "große, und eben so vergebne Gelübde, als "derjenige that, der währenden Sturms dem
großen
Satyriſche Briefe.
„ger, Cajus, genoͤthigt, ſich mit dem Sempro- „nius zu vergleichen, ſo gut er kann. Jch bitte „diejenigen von meinen jungen Leſern, welche „ſich kuͤnftig als Prieſter der Gerechtigkeit „wollen einweihen laſſen, daß ſie die Muͤhe ſich „nicht dauern laſſen, die Verbindungen dieſer „Aufgabe in einen Stammbaum zu bringen. „Jn Sachen von Wichtigkeit, wie dieſe iſt, „kann man nicht zeitig gnug anfangen, ſich „zu uͤben.
„Bey der Anweiſung von der Kunſt ſich „beſtechen zu laſſen habe ich endlich auch dieſe „Regel wiederholt: Ein Richter darf es nicht „gar zu ſehr auf die Großmuth ſeiner Par- „theyen ankommen laſſen, und nicht verſtatten, „daß ihm die Geſchenke nur von ferne gewie- „ſen werden. Accipe, dum dolet! Die Er- „kenntlichkeit, die die Partheyen alsdann erſt „leiſten wollen, wenn der Proceß zu Ende iſt, „gehoͤren zu den leeren und unnuͤtzen Compli- „menten. Sie bedeuten nichts mehr, als „das bekannte: Mein Herr, wir wollen ſe- „hen! welches uns die Großen in ihren Vor- „zimmern machen, wenn wir von ihnen etwas „bitten, das ſie uns nicht gewaͤhren wollen. „Ein Client, der in Angſt iſt, ſeinen Proceß „zu verlieren, thut in dieſer Noth eben ſo „große, und eben ſo vergebne Geluͤbde, als „derjenige that, der waͤhrenden Sturms dem
großen
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Satyriſche Briefe.
„ger, Cajus, genoͤthigt, ſich mit dem Sempro-
„nius zu vergleichen, ſo gut er kann. Jch bitte
„diejenigen von meinen jungen Leſern, welche
„ſich kuͤnftig als Prieſter der Gerechtigkeit
„wollen einweihen laſſen, daß ſie die Muͤhe ſich
„nicht dauern laſſen, die Verbindungen dieſer
„Aufgabe in einen Stammbaum zu bringen.
„Jn Sachen von Wichtigkeit, wie dieſe iſt,
„kann man nicht zeitig gnug anfangen, ſich
„zu uͤben.
„Bey der Anweiſung von der Kunſt ſich
„beſtechen zu laſſen habe ich endlich auch dieſe
„Regel wiederholt: Ein Richter darf es nicht
„gar zu ſehr auf die Großmuth ſeiner Par-
„theyen ankommen laſſen, und nicht verſtatten,
„daß ihm die Geſchenke nur von ferne gewie-
„ſen werden. Accipe, dum dolet! Die Er-
„kenntlichkeit, die die Partheyen alsdann erſt
„leiſten wollen, wenn der Proceß zu Ende iſt,
„gehoͤren zu den leeren und unnuͤtzen Compli-
„menten. Sie bedeuten nichts mehr, als
„das bekannte: Mein Herr, wir wollen ſe-
„hen! welches uns die Großen in ihren Vor-
„zimmern machen, wenn wir von ihnen etwas
„bitten, das ſie uns nicht gewaͤhren wollen.
„Ein Client, der in Angſt iſt, ſeinen Proceß
„zu verlieren, thut in dieſer Noth eben ſo
„große, und eben ſo vergebne Geluͤbde, als
„derjenige that, der waͤhrenden Sturms dem
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/158>, abgerufen am 18.06.2024.
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