"haben; da wir ihn aber mit den dürftigen Klagen "betäuben, so ist er nur unser Richter, und hört "auf, unser Freund zu seyn. Eine Sache, wel- "che die Erfahrung bestätiget, hätte eben nicht "nöthig, mit Beyspielen erläutert zu werden; "zum Ueberflusse aber will ich es doch thun.
Mein Herr,
Es wird nun fast ein Jahr seyn, daß ich wegen der tausend Thaler klagen müssen, die Herr N. meinem verstorbnen Manne schuldig geblieben ist. Die Billigkeit meiner Fordrung ist klar, und mein Advocat hat mich versichert, mein Beweis wäre so überzeugend, daß mir die Obrigkeit ohne Weitläuftigkeit zu meinem Rechte verhelfen wer- de. Jch habe, dieses Jahr über, mir und meinen Kindern den nothdürftigsten Unterhalt entzogen, um so viel Geld aufzubringen, als nöthig gewe- sen ist, Jhnen, mein Herr, an Gerichtsunkosten zu entrichten. Nun ist es mir weiter nicht mög- lich, einen Groschen daran zu setzen. Jch lebe in der größten Dürftigkeit. Stellen Sie Sich, mein Herr, vier unerzogne Kinder vor, die mir am Halse hängen, und um Nahrung flehen, welche ich ihnen nicht geben kann. Jch küsse diese klei- nen Unglücklichen, um sie zu beruhigen, und sage ihnen, daß wir unser Glück von den Händen eines
gerech-
Satyriſche Briefe.
„haben; da wir ihn aber mit den duͤrftigen Klagen „betaͤuben, ſo iſt er nur unſer Richter, und hoͤrt „auf, unſer Freund zu ſeyn. Eine Sache, wel- „che die Erfahrung beſtaͤtiget, haͤtte eben nicht „noͤthig, mit Beyſpielen erlaͤutert zu werden; „zum Ueberfluſſe aber will ich es doch thun.
Mein Herr,
Es wird nun faſt ein Jahr ſeyn, daß ich wegen der tauſend Thaler klagen muͤſſen, die Herr N. meinem verſtorbnen Manne ſchuldig geblieben iſt. Die Billigkeit meiner Fordrung iſt klar, und mein Advocat hat mich verſichert, mein Beweis waͤre ſo uͤberzeugend, daß mir die Obrigkeit ohne Weitlaͤuftigkeit zu meinem Rechte verhelfen wer- de. Jch habe, dieſes Jahr uͤber, mir und meinen Kindern den nothduͤrftigſten Unterhalt entzogen, um ſo viel Geld aufzubringen, als noͤthig gewe- ſen iſt, Jhnen, mein Herr, an Gerichtsunkoſten zu entrichten. Nun iſt es mir weiter nicht moͤg- lich, einen Groſchen daran zu ſetzen. Jch lebe in der groͤßten Duͤrftigkeit. Stellen Sie Sich, mein Herr, vier unerzogne Kinder vor, die mir am Halſe haͤngen, und um Nahrung flehen, welche ich ihnen nicht geben kann. Jch kuͤſſe dieſe klei- nen Ungluͤcklichen, um ſie zu beruhigen, und ſage ihnen, daß wir unſer Gluͤck von den Haͤnden eines
gerech-
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Satyriſche Briefe.
„haben; da wir ihn aber mit den duͤrftigen Klagen
„betaͤuben, ſo iſt er nur unſer Richter, und hoͤrt
„auf, unſer Freund zu ſeyn. Eine Sache, wel-
„che die Erfahrung beſtaͤtiget, haͤtte eben nicht
„noͤthig, mit Beyſpielen erlaͤutert zu werden;
„zum Ueberfluſſe aber will ich es doch thun.
Mein Herr,
Es wird nun faſt ein Jahr ſeyn, daß ich wegen
der tauſend Thaler klagen muͤſſen, die Herr
N. meinem verſtorbnen Manne ſchuldig geblieben
iſt. Die Billigkeit meiner Fordrung iſt klar, und
mein Advocat hat mich verſichert, mein Beweis
waͤre ſo uͤberzeugend, daß mir die Obrigkeit ohne
Weitlaͤuftigkeit zu meinem Rechte verhelfen wer-
de. Jch habe, dieſes Jahr uͤber, mir und meinen
Kindern den nothduͤrftigſten Unterhalt entzogen,
um ſo viel Geld aufzubringen, als noͤthig gewe-
ſen iſt, Jhnen, mein Herr, an Gerichtsunkoſten
zu entrichten. Nun iſt es mir weiter nicht moͤg-
lich, einen Groſchen daran zu ſetzen. Jch lebe in
der groͤßten Duͤrftigkeit. Stellen Sie Sich,
mein Herr, vier unerzogne Kinder vor, die mir
am Halſe haͤngen, und um Nahrung flehen, welche
ich ihnen nicht geben kann. Jch kuͤſſe dieſe klei-
nen Ungluͤcklichen, um ſie zu beruhigen, und ſage
ihnen, daß wir unſer Gluͤck von den Haͤnden eines
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/134>, abgerufen am 23.11.2024.
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