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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Abhandlung
ser, als derjenige, welcher die Priesterinn zu Delphis
auf ihrem Dreyfuße mit begeisterter Geberde, und
derjenigen heiligverzerrten Miene vorstellt, mit wel-
cher sie die neugierigen und zweifelnden Menschen
durch ihre hohen Aussprüche noch zweifelhafter
macht. Dieser Buchdruckerstock hat seinen zu-
reichenden Grund in dem Wesen des Dings; oder,
niedriger zu reden, er schickt sich auf meine qua-
ckerischen Philosophen vollkommen. Diese bekom-
men, über ihren Erweisen, von der Einheit, von
dem sich selbst Bestimmenden, vom leeren Raume,
und dergleichen eben solche kunstmäßige Verzuckun-
gen auf ihren Großvaterstühlen, als die delphische
Priesterinn unter ihrem Wahrsagen auf dem Drey-
fuße bekam. Wenn diese schäumte, so redete sie
die Sprache der Götter, denn ein Sterblicher ver-
stund sie nicht; und wenn dergleichen Philosophen
bündig schreiben, so schreiben sie unverständlich,
denn dieses nennen sie die Sprache der Weisheit.
Die delphischen Aussprüche, so dunkel sie auch
waren, fanden dennoch ihre eifrigen Verehrer, und
man betete sie abergläubisch nach, ohne zu wissen,
was darunter verstanden würde. Jst aber nicht
eben dieses auch bey uns die Ursache, daß wir in
der Weltweisheit so abergläubische Sectirer in
- - aner finden, welche eben das denken, was ihr Lehr-
meister gedacht hat? Und oftmals hat dieser nichts
gedacht. Wer sich an dem Tempel zu Delphis ver-
greifen wollte, dem drohten die Priester mit den rä-
chenden Blitzen der Götter, und ganz Griechenland
ward in Harnisch gebracht. Frevelt man aber mit

einem

Abhandlung
ſer, als derjenige, welcher die Prieſterinn zu Delphis
auf ihrem Dreyfuße mit begeiſterter Geberde, und
derjenigen heiligverzerrten Miene vorſtellt, mit wel-
cher ſie die neugierigen und zweifelnden Menſchen
durch ihre hohen Ausſpruͤche noch zweifelhafter
macht. Dieſer Buchdruckerſtock hat ſeinen zu-
reichenden Grund in dem Weſen des Dings; oder,
niedriger zu reden, er ſchickt ſich auf meine qua-
ckeriſchen Philoſophen vollkommen. Dieſe bekom-
men, uͤber ihren Erweiſen, von der Einheit, von
dem ſich ſelbſt Beſtimmenden, vom leeren Raume,
und dergleichen eben ſolche kunſtmaͤßige Verzuckun-
gen auf ihren Großvaterſtuͤhlen, als die delphiſche
Prieſterinn unter ihrem Wahrſagen auf dem Drey-
fuße bekam. Wenn dieſe ſchaͤumte, ſo redete ſie
die Sprache der Goͤtter, denn ein Sterblicher ver-
ſtund ſie nicht; und wenn dergleichen Philoſophen
buͤndig ſchreiben, ſo ſchreiben ſie unverſtaͤndlich,
denn dieſes nennen ſie die Sprache der Weisheit.
Die delphiſchen Ausſpruͤche, ſo dunkel ſie auch
waren, fanden dennoch ihre eifrigen Verehrer, und
man betete ſie aberglaͤubiſch nach, ohne zu wiſſen,
was darunter verſtanden wuͤrde. Jſt aber nicht
eben dieſes auch bey uns die Urſache, daß wir in
der Weltweisheit ſo aberglaͤubiſche Sectirer in
‒ ‒ aner finden, welche eben das denken, was ihr Lehr-
meiſter gedacht hat? Und oftmals hat dieſer nichts
gedacht. Wer ſich an dem Tempel zu Delphis ver-
greifen wollte, dem drohten die Prieſter mit den raͤ-
chenden Blitzen der Goͤtter, und ganz Griechenland
ward in Harniſch gebracht. Frevelt man aber mit

einem
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[98/0098] Abhandlung ſer, als derjenige, welcher die Prieſterinn zu Delphis auf ihrem Dreyfuße mit begeiſterter Geberde, und derjenigen heiligverzerrten Miene vorſtellt, mit wel- cher ſie die neugierigen und zweifelnden Menſchen durch ihre hohen Ausſpruͤche noch zweifelhafter macht. Dieſer Buchdruckerſtock hat ſeinen zu- reichenden Grund in dem Weſen des Dings; oder, niedriger zu reden, er ſchickt ſich auf meine qua- ckeriſchen Philoſophen vollkommen. Dieſe bekom- men, uͤber ihren Erweiſen, von der Einheit, von dem ſich ſelbſt Beſtimmenden, vom leeren Raume, und dergleichen eben ſolche kunſtmaͤßige Verzuckun- gen auf ihren Großvaterſtuͤhlen, als die delphiſche Prieſterinn unter ihrem Wahrſagen auf dem Drey- fuße bekam. Wenn dieſe ſchaͤumte, ſo redete ſie die Sprache der Goͤtter, denn ein Sterblicher ver- ſtund ſie nicht; und wenn dergleichen Philoſophen buͤndig ſchreiben, ſo ſchreiben ſie unverſtaͤndlich, denn dieſes nennen ſie die Sprache der Weisheit. Die delphiſchen Ausſpruͤche, ſo dunkel ſie auch waren, fanden dennoch ihre eifrigen Verehrer, und man betete ſie aberglaͤubiſch nach, ohne zu wiſſen, was darunter verſtanden wuͤrde. Jſt aber nicht eben dieſes auch bey uns die Urſache, daß wir in der Weltweisheit ſo aberglaͤubiſche Sectirer in ‒ ‒ aner finden, welche eben das denken, was ihr Lehr- meiſter gedacht hat? Und oftmals hat dieſer nichts gedacht. Wer ſich an dem Tempel zu Delphis ver- greifen wollte, dem drohten die Prieſter mit den raͤ- chenden Blitzen der Goͤtter, und ganz Griechenland ward in Harniſch gebracht. Frevelt man aber mit einem

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/98>, abgerufen am 23.11.2024.