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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von den abgeschiednen Seelen.
"andre Art. Jch überreichte eine Schrift, in wel-
"cher ich aufs deutlichste ausgerechnet hatte, daß
"die Stadtcasse alle Monate um dreytausend
"Thaler vermehrt werden würde, wenn eine jede
"Frau, welche die Herrschaft über ihren Mann
"führte, monatlich drey Mark zur Einnahme er-
"legen müßte. Hätte wohl ein Vorschlag billiger,
"und vernünftiger seyn können, als dieser? Aber
"es fehlte nicht viel, daß mich nicht alle Weiber,
"von der Bürgermeisterinn an bis auf meine eigne
"Frau, gesteinigt hätten. Jn der That durfte
"ich mich vier Wochen lang nicht sehen lassen, und
"das war die Belohnung für meinen wohlgemeyn-
"ten Eifer. Dennoch ward ich nicht müde, in der
"Hoffnung, daß wenigstens einmal meinen Mit-
"bürgern die Augen zu ihrem Besten aufgehen wür-
"den. Unser Küster, welcher auch kein Narr seyn
"wollte, gab mir unter den Fuß, ich sollte eine Vor-
"stellung thun, daß man auf die Möpse eine Kopf-
"steuer legen, und daß die Gratulanten ordentliche
"Hausierzeddel lösen, auch alle ihre Glückwünsche
"auf Stempelpapier drucken lassen sollten. Aber
"ich weis nicht, das Ding kömmt mir zu überstu-
"diert vor, und ich traue Jhnen die Einsicht zu,
"daß Sie gestehen werden, daß meine Projecte
"nicht allein die besten und einträglichsten, sondern
"auch die vernünftigsten sind, denn ich habe meine
"theure Pflicht. Was meynen Sie davon? Sa-
"gen Sie mir es offenherzig!"

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E 3

von den abgeſchiednen Seelen.
„andre Art. Jch uͤberreichte eine Schrift, in wel-
„cher ich aufs deutlichſte ausgerechnet hatte, daß
„die Stadtcaſſe alle Monate um dreytauſend
„Thaler vermehrt werden wuͤrde, wenn eine jede
„Frau, welche die Herrſchaft uͤber ihren Mann
„fuͤhrte, monatlich drey Mark zur Einnahme er-
„legen muͤßte. Haͤtte wohl ein Vorſchlag billiger,
„und vernuͤnftiger ſeyn koͤnnen, als dieſer? Aber
„es fehlte nicht viel, daß mich nicht alle Weiber,
„von der Buͤrgermeiſterinn an bis auf meine eigne
„Frau, geſteinigt haͤtten. Jn der That durfte
„ich mich vier Wochen lang nicht ſehen laſſen, und
„das war die Belohnung fuͤr meinen wohlgemeyn-
„ten Eifer. Dennoch ward ich nicht muͤde, in der
„Hoffnung, daß wenigſtens einmal meinen Mit-
„buͤrgern die Augen zu ihrem Beſten aufgehen wuͤr-
„den. Unſer Kuͤſter, welcher auch kein Narr ſeyn
„wollte, gab mir unter den Fuß, ich ſollte eine Vor-
„ſtellung thun, daß man auf die Moͤpſe eine Kopf-
„ſteuer legen, und daß die Gratulanten ordentliche
„Hauſierzeddel loͤſen, auch alle ihre Gluͤckwuͤnſche
„auf Stempelpapier drucken laſſen ſollten. Aber
„ich weis nicht, das Ding koͤmmt mir zu uͤberſtu-
„diert vor, und ich traue Jhnen die Einſicht zu,
„daß Sie geſtehen werden, daß meine Projecte
„nicht allein die beſten und eintraͤglichſten, ſondern
„auch die vernuͤnftigſten ſind, denn ich habe meine
„theure Pflicht. Was meynen Sie davon? Sa-
„gen Sie mir es offenherzig!„

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[69/0069] von den abgeſchiednen Seelen. „andre Art. Jch uͤberreichte eine Schrift, in wel- „cher ich aufs deutlichſte ausgerechnet hatte, daß „die Stadtcaſſe alle Monate um dreytauſend „Thaler vermehrt werden wuͤrde, wenn eine jede „Frau, welche die Herrſchaft uͤber ihren Mann „fuͤhrte, monatlich drey Mark zur Einnahme er- „legen muͤßte. Haͤtte wohl ein Vorſchlag billiger, „und vernuͤnftiger ſeyn koͤnnen, als dieſer? Aber „es fehlte nicht viel, daß mich nicht alle Weiber, „von der Buͤrgermeiſterinn an bis auf meine eigne „Frau, geſteinigt haͤtten. Jn der That durfte „ich mich vier Wochen lang nicht ſehen laſſen, und „das war die Belohnung fuͤr meinen wohlgemeyn- „ten Eifer. Dennoch ward ich nicht muͤde, in der „Hoffnung, daß wenigſtens einmal meinen Mit- „buͤrgern die Augen zu ihrem Beſten aufgehen wuͤr- „den. Unſer Kuͤſter, welcher auch kein Narr ſeyn „wollte, gab mir unter den Fuß, ich ſollte eine Vor- „ſtellung thun, daß man auf die Moͤpſe eine Kopf- „ſteuer legen, und daß die Gratulanten ordentliche „Hauſierzeddel loͤſen, auch alle ihre Gluͤckwuͤnſche „auf Stempelpapier drucken laſſen ſollten. Aber „ich weis nicht, das Ding koͤmmt mir zu uͤberſtu- „diert vor, und ich traue Jhnen die Einſicht zu, „daß Sie geſtehen werden, daß meine Projecte „nicht allein die beſten und eintraͤglichſten, ſondern „auch die vernuͤnftigſten ſind, denn ich habe meine „theure Pflicht. Was meynen Sie davon? Sa- „gen Sie mir es offenherzig!„ Jch E 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/69>, abgerufen am 24.11.2024.