[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.Ein Traum "meiner schweren Berufsarbeit auf Mittel und"Wege gesonnen, das Wohl meiner Mitbürger "in beßre Aufnahme zu bringen. Jch merkte "wohl, in was für einen kläglichen Verfall das "Finanzwesen gerathen war, denn als ich um eine "Zulage für meine patriotisch geleisteten Dienste "ansuchte, so gab man mir abschlägliche Antwort, "und zur Ursache gab man dieses an: Es sey kein "Geld in der Casse. Von diesem Augenblicke an "nahm ich mir vor, meinem Vaterlande unter die "Arme zu greifen. Alle Tage gab ich ein neues "Mittel an die Hand, die gemeinen Einkünfte zu "erhöhen, und eben dadurch verdiente ich den "würdigen Beynamen des Projectmachers. Ja, "mein Herr, hätte man mir nur gefolgt. Jch "hatte auch meine theure Pflicht auf mir, so gut "als der Bürgermeister; und gleichwohl wiesen "sie mich mit meinen Vorschlägen allemal ab. "Was meynen Sie? Jch machte ein Project, daß "man die Geistlichen abschaffen, ihre Bosoldungen "einziehen, und die Rathsherrn anhalten sollte, "daß sie selbst nach der Zeche, und zur Fröhne, "predigen müßten. Was hätte man nicht ein "Jahr lang in der Stadt ersparen können? Und "den Geistlichen war ich so nicht gut, besonders "unserm dicken Oberpfarrer, der hätte es auf die- "se Art gewiß empfinden sollen, was das heiße, "einen geschwornen Mann von der Kanzel zu wer- "fen. Glauben Sie wohl, daß mein Vorschlag "angenommen ward? Jch versuchte es auf eine "andre
Ein Traum „meiner ſchweren Berufsarbeit auf Mittel und„Wege geſonnen, das Wohl meiner Mitbuͤrger „in beßre Aufnahme zu bringen. Jch merkte „wohl, in was fuͤr einen klaͤglichen Verfall das „Finanzweſen gerathen war, denn als ich um eine „Zulage fuͤr meine patriotiſch geleiſteten Dienſte „anſuchte, ſo gab man mir abſchlaͤgliche Antwort, „und zur Urſache gab man dieſes an: Es ſey kein „Geld in der Caſſe. Von dieſem Augenblicke an „nahm ich mir vor, meinem Vaterlande unter die „Arme zu greifen. Alle Tage gab ich ein neues „Mittel an die Hand, die gemeinen Einkuͤnfte zu „erhoͤhen, und eben dadurch verdiente ich den „wuͤrdigen Beynamen des Projectmachers. Ja, „mein Herr, haͤtte man mir nur gefolgt. Jch „hatte auch meine theure Pflicht auf mir, ſo gut „als der Buͤrgermeiſter; und gleichwohl wieſen „ſie mich mit meinen Vorſchlaͤgen allemal ab. „Was meynen Sie? Jch machte ein Project, daß „man die Geiſtlichen abſchaffen, ihre Boſoldungen „einziehen, und die Rathsherrn anhalten ſollte, „daß ſie ſelbſt nach der Zeche, und zur Froͤhne, „predigen muͤßten. Was haͤtte man nicht ein „Jahr lang in der Stadt erſparen koͤnnen? Und „den Geiſtlichen war ich ſo nicht gut, beſonders „unſerm dicken Oberpfarrer, der haͤtte es auf die- „ſe Art gewiß empfinden ſollen, was das heiße, „einen geſchwornen Mann von der Kanzel zu wer- „fen. Glauben Sie wohl, daß mein Vorſchlag „angenommen ward? Jch verſuchte es auf eine „andre
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0068" n="68"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ein Traum</hi></fw><lb/> „meiner ſchweren Berufsarbeit auf Mittel und<lb/> „Wege geſonnen, das Wohl meiner Mitbuͤrger<lb/> „in beßre Aufnahme zu bringen. Jch merkte<lb/> „wohl, in was fuͤr einen klaͤglichen Verfall das<lb/> „Finanzweſen gerathen war, denn als ich um eine<lb/> „Zulage fuͤr meine patriotiſch geleiſteten Dienſte<lb/> „anſuchte, ſo gab man mir abſchlaͤgliche Antwort,<lb/> „und zur Urſache gab man dieſes an: Es ſey kein<lb/> „Geld in der Caſſe. Von dieſem Augenblicke an<lb/> „nahm ich mir vor, meinem Vaterlande unter die<lb/> „Arme zu greifen. Alle Tage gab ich ein neues<lb/> „Mittel an die Hand, die gemeinen Einkuͤnfte zu<lb/> „erhoͤhen, und eben dadurch verdiente ich den<lb/> „wuͤrdigen Beynamen des Projectmachers. Ja,<lb/> „mein Herr, haͤtte man mir nur gefolgt. Jch<lb/> „hatte auch meine theure Pflicht auf mir, ſo gut<lb/> „als der Buͤrgermeiſter; und gleichwohl wieſen<lb/> „ſie mich mit meinen Vorſchlaͤgen allemal ab.<lb/> „Was meynen Sie? Jch machte ein Project, daß<lb/> „man die Geiſtlichen abſchaffen, ihre Boſoldungen<lb/> „einziehen, und die Rathsherrn anhalten ſollte,<lb/> „daß ſie ſelbſt nach der Zeche, und zur Froͤhne,<lb/> „predigen muͤßten. Was haͤtte man nicht ein<lb/> „Jahr lang in der Stadt erſparen koͤnnen? Und<lb/> „den Geiſtlichen war ich ſo nicht gut, beſonders<lb/> „unſerm dicken Oberpfarrer, der haͤtte es auf die-<lb/> „ſe Art gewiß empfinden ſollen, was das heiße,<lb/> „einen geſchwornen Mann von der Kanzel zu wer-<lb/> „fen. Glauben Sie wohl, daß mein Vorſchlag<lb/> „angenommen ward? Jch verſuchte es auf eine<lb/> <fw place="bottom" type="catch">„andre</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0068]
Ein Traum
„meiner ſchweren Berufsarbeit auf Mittel und
„Wege geſonnen, das Wohl meiner Mitbuͤrger
„in beßre Aufnahme zu bringen. Jch merkte
„wohl, in was fuͤr einen klaͤglichen Verfall das
„Finanzweſen gerathen war, denn als ich um eine
„Zulage fuͤr meine patriotiſch geleiſteten Dienſte
„anſuchte, ſo gab man mir abſchlaͤgliche Antwort,
„und zur Urſache gab man dieſes an: Es ſey kein
„Geld in der Caſſe. Von dieſem Augenblicke an
„nahm ich mir vor, meinem Vaterlande unter die
„Arme zu greifen. Alle Tage gab ich ein neues
„Mittel an die Hand, die gemeinen Einkuͤnfte zu
„erhoͤhen, und eben dadurch verdiente ich den
„wuͤrdigen Beynamen des Projectmachers. Ja,
„mein Herr, haͤtte man mir nur gefolgt. Jch
„hatte auch meine theure Pflicht auf mir, ſo gut
„als der Buͤrgermeiſter; und gleichwohl wieſen
„ſie mich mit meinen Vorſchlaͤgen allemal ab.
„Was meynen Sie? Jch machte ein Project, daß
„man die Geiſtlichen abſchaffen, ihre Boſoldungen
„einziehen, und die Rathsherrn anhalten ſollte,
„daß ſie ſelbſt nach der Zeche, und zur Froͤhne,
„predigen muͤßten. Was haͤtte man nicht ein
„Jahr lang in der Stadt erſparen koͤnnen? Und
„den Geiſtlichen war ich ſo nicht gut, beſonders
„unſerm dicken Oberpfarrer, der haͤtte es auf die-
„ſe Art gewiß empfinden ſollen, was das heiße,
„einen geſchwornen Mann von der Kanzel zu wer-
„fen. Glauben Sie wohl, daß mein Vorſchlag
„angenommen ward? Jch verſuchte es auf eine
„andre
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |