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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von den abgeschiednen Seelen.
und breites Gesicht gehabt hätte. Weil ich es also
nicht selbst errathen konnte, so faßte ich das Herz,
mich ihr zu nähern. Jch eröffnete ihr mein Anlie-
gen, und ich merkte, daß sie über meine Fragen ver-
gnügt war. Sie reichte mir die Hand, und sagte:
Jch will dein Verlangen erfüllen. Seitdem ich von
meinem Körper getrennt worden, seitdem ist die-
ses mein einziges Vergnügen, daß ich auf die
Handlungen der abgeschiednen Seelen Acht habe.
Eben dieses war vormals meine Beschäfftigung, daß
ich auf meine Mitbürger Achtung gab. Jch zeigte
ihnen in Schriften, worinnen sie fehlten, und wo-
durch sie ihre Glückseligkeit befördern könnten.
Folge mir! Du wirst alles erfahren, was dir nützlich
seyn kann. Jch bat sie, mir ihren Nahmen zu sa-
gen. Sie that es, nachdem ich ihr vorher in die-
sem Stücke alle Verschwiegenheit versprechen müs-
sen. Meine Leser werden mir verzeihen, daß ich
hierinnen mein Versprechen halten muß. Die ab-
geschiednen Seelen sind noch etwas gewissenhafter,
als die Seelen der Liebhaber. Vielleicht war es
die Seele eines Biedermanns? Eines Einsiedlers?
Eines Patrioten? Eines Freymäurers? Ja, vielleicht;
doch ich werde mich darüber nicht weiter erklären.
Vielleicht war es aber auch die Seele des Rubens.

Nicht weit von uns sah ich einen großen Zulauf
von Seelen, und das Getümmel, welches sie verur-
sachten, machte mir Lust, näher hinzuzugehen. Mein
Führer warnte mich anfänglich, mit der Versiche-
rung, daß man in diesem Gedränge gar leicht
Schläge bekäme. Jch wagte es aber dennoch, und

bat

von den abgeſchiednen Seelen.
und breites Geſicht gehabt haͤtte. Weil ich es alſo
nicht ſelbſt errathen konnte, ſo faßte ich das Herz,
mich ihr zu naͤhern. Jch eroͤffnete ihr mein Anlie-
gen, und ich merkte, daß ſie uͤber meine Fragen ver-
gnuͤgt war. Sie reichte mir die Hand, und ſagte:
Jch will dein Verlangen erfuͤllen. Seitdem ich von
meinem Koͤrper getrennt worden, ſeitdem iſt die-
ſes mein einziges Vergnuͤgen, daß ich auf die
Handlungen der abgeſchiednen Seelen Acht habe.
Eben dieſes war vormals meine Beſchaͤfftigung, daß
ich auf meine Mitbuͤrger Achtung gab. Jch zeigte
ihnen in Schriften, worinnen ſie fehlten, und wo-
durch ſie ihre Gluͤckſeligkeit befoͤrdern koͤnnten.
Folge mir! Du wirſt alles erfahren, was dir nuͤtzlich
ſeyn kann. Jch bat ſie, mir ihren Nahmen zu ſa-
gen. Sie that es, nachdem ich ihr vorher in die-
ſem Stuͤcke alle Verſchwiegenheit verſprechen muͤſ-
ſen. Meine Leſer werden mir verzeihen, daß ich
hierinnen mein Verſprechen halten muß. Die ab-
geſchiednen Seelen ſind noch etwas gewiſſenhafter,
als die Seelen der Liebhaber. Vielleicht war es
die Seele eines Biedermanns? Eines Einſiedlers?
Eines Patrioten? Eines Freymaͤurers? Ja, vielleicht;
doch ich werde mich daruͤber nicht weiter erklaͤren.
Vielleicht war es aber auch die Seele des Rubens.

Nicht weit von uns ſah ich einen großen Zulauf
von Seelen, und das Getuͤmmel, welches ſie verur-
ſachten, machte mir Luſt, naͤher hinzuzugehen. Mein
Fuͤhrer warnte mich anfaͤnglich, mit der Verſiche-
rung, daß man in dieſem Gedraͤnge gar leicht
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[27/0027] von den abgeſchiednen Seelen. und breites Geſicht gehabt haͤtte. Weil ich es alſo nicht ſelbſt errathen konnte, ſo faßte ich das Herz, mich ihr zu naͤhern. Jch eroͤffnete ihr mein Anlie- gen, und ich merkte, daß ſie uͤber meine Fragen ver- gnuͤgt war. Sie reichte mir die Hand, und ſagte: Jch will dein Verlangen erfuͤllen. Seitdem ich von meinem Koͤrper getrennt worden, ſeitdem iſt die- ſes mein einziges Vergnuͤgen, daß ich auf die Handlungen der abgeſchiednen Seelen Acht habe. Eben dieſes war vormals meine Beſchaͤfftigung, daß ich auf meine Mitbuͤrger Achtung gab. Jch zeigte ihnen in Schriften, worinnen ſie fehlten, und wo- durch ſie ihre Gluͤckſeligkeit befoͤrdern koͤnnten. Folge mir! Du wirſt alles erfahren, was dir nuͤtzlich ſeyn kann. Jch bat ſie, mir ihren Nahmen zu ſa- gen. Sie that es, nachdem ich ihr vorher in die- ſem Stuͤcke alle Verſchwiegenheit verſprechen muͤſ- ſen. Meine Leſer werden mir verzeihen, daß ich hierinnen mein Verſprechen halten muß. Die ab- geſchiednen Seelen ſind noch etwas gewiſſenhafter, als die Seelen der Liebhaber. Vielleicht war es die Seele eines Biedermanns? Eines Einſiedlers? Eines Patrioten? Eines Freymaͤurers? Ja, vielleicht; doch ich werde mich daruͤber nicht weiter erklaͤren. Vielleicht war es aber auch die Seele des Rubens. Nicht weit von uns ſah ich einen großen Zulauf von Seelen, und das Getuͤmmel, welches ſie verur- ſachten, machte mir Luſt, naͤher hinzuzugehen. Mein Fuͤhrer warnte mich anfaͤnglich, mit der Verſiche- rung, daß man in dieſem Gedraͤnge gar leicht Schlaͤge bekaͤme. Jch wagte es aber dennoch, und bat

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/27>, abgerufen am 24.11.2024.