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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von den abgeschiednen Seelen.
Futter verdient, daß er seinen Herrn einen Hahnrey,
und die gnädige Frau eine Hure heißt. Was ist
wohl natürlicher, als daß sie auch nach ihrem Ab-
sterben in dasjenige Land kommen, wo keiner ein
Narr ist, der französisch reden kann. Vielleicht flat-
tert itzt, indem ich dieses schreibe, mancher hungrige
Marqvis über unsrer Stadt, und schimpft uns, da-
mit er eine Ritterzehrung erhalten möge. Denn
so vernünftig und bescheiden sind sie nicht alle, wie
der Marquis d' Argens.

Dieser Vorbericht war nöthig. Jch komme
nunmehr zum Hauptwerke.

Mir träumte, ich sey gestorben. Jch sahe den
Körper, von dem sich meine Seele getrennt hatte,
auf dem Bette mit eben der Gleichgültigkeit liegen,
mit welcher man eine abgelegte Redutenmaske,
oder Koch seine theatralische Kleidung ansieht, in
welcher er nach Gelegenheit entweder als Prinz be-
fohlen, oder als Kammerdiener Befehle angenom-
men hat. Jch werde nicht gern sehen, wenn mir
jemand hierinnen widersprechen, oder mich gleich
anfangs in meiner Abhandlung stören, und läugnen
wollte, daß eine Seele ihren Körper so gleichgültig
ansehen könnte. Bey mir ist dieses gar nicht un-
wahrscheinlich. Jch bin in einer kleinen Stadt ge-
boren und erzogen, in welcher kein junger Herr
war, als des Amtmanns Sohn, und der Stadt-
schreiber. Jch habe um deswillen niemals Exem-
pel genug gehabt, welche meine Seele verleitet hät-
ten, sich mit ihrem Körper am meisten zu beschäffti-
gen: zu geschweigen, daß mein Körper eben nicht so

gebaut
Zweyter Theil. B

von den abgeſchiednen Seelen.
Futter verdient, daß er ſeinen Herrn einen Hahnrey,
und die gnaͤdige Frau eine Hure heißt. Was iſt
wohl natuͤrlicher, als daß ſie auch nach ihrem Ab-
ſterben in dasjenige Land kommen, wo keiner ein
Narr iſt, der franzoͤſiſch reden kann. Vielleicht flat-
tert itzt, indem ich dieſes ſchreibe, mancher hungrige
Marqvis uͤber unſrer Stadt, und ſchimpft uns, da-
mit er eine Ritterzehrung erhalten moͤge. Denn
ſo vernuͤnftig und beſcheiden ſind ſie nicht alle, wie
der Marquis d’ Argens.

Dieſer Vorbericht war noͤthig. Jch komme
nunmehr zum Hauptwerke.

Mir traͤumte, ich ſey geſtorben. Jch ſahe den
Koͤrper, von dem ſich meine Seele getrennt hatte,
auf dem Bette mit eben der Gleichguͤltigkeit liegen,
mit welcher man eine abgelegte Redutenmaske,
oder Koch ſeine theatraliſche Kleidung anſieht, in
welcher er nach Gelegenheit entweder als Prinz be-
fohlen, oder als Kammerdiener Befehle angenom-
men hat. Jch werde nicht gern ſehen, wenn mir
jemand hierinnen widerſprechen, oder mich gleich
anfangs in meiner Abhandlung ſtoͤren, und laͤugnen
wollte, daß eine Seele ihren Koͤrper ſo gleichguͤltig
anſehen koͤnnte. Bey mir iſt dieſes gar nicht un-
wahrſcheinlich. Jch bin in einer kleinen Stadt ge-
boren und erzogen, in welcher kein junger Herr
war, als des Amtmanns Sohn, und der Stadt-
ſchreiber. Jch habe um deswillen niemals Exem-
pel genug gehabt, welche meine Seele verleitet haͤt-
ten, ſich mit ihrem Koͤrper am meiſten zu beſchaͤffti-
gen: zu geſchweigen, daß mein Koͤrper eben nicht ſo

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[17/0017] von den abgeſchiednen Seelen. Futter verdient, daß er ſeinen Herrn einen Hahnrey, und die gnaͤdige Frau eine Hure heißt. Was iſt wohl natuͤrlicher, als daß ſie auch nach ihrem Ab- ſterben in dasjenige Land kommen, wo keiner ein Narr iſt, der franzoͤſiſch reden kann. Vielleicht flat- tert itzt, indem ich dieſes ſchreibe, mancher hungrige Marqvis uͤber unſrer Stadt, und ſchimpft uns, da- mit er eine Ritterzehrung erhalten moͤge. Denn ſo vernuͤnftig und beſcheiden ſind ſie nicht alle, wie der Marquis d’ Argens. Dieſer Vorbericht war noͤthig. Jch komme nunmehr zum Hauptwerke. Mir traͤumte, ich ſey geſtorben. Jch ſahe den Koͤrper, von dem ſich meine Seele getrennt hatte, auf dem Bette mit eben der Gleichguͤltigkeit liegen, mit welcher man eine abgelegte Redutenmaske, oder Koch ſeine theatraliſche Kleidung anſieht, in welcher er nach Gelegenheit entweder als Prinz be- fohlen, oder als Kammerdiener Befehle angenom- men hat. Jch werde nicht gern ſehen, wenn mir jemand hierinnen widerſprechen, oder mich gleich anfangs in meiner Abhandlung ſtoͤren, und laͤugnen wollte, daß eine Seele ihren Koͤrper ſo gleichguͤltig anſehen koͤnnte. Bey mir iſt dieſes gar nicht un- wahrſcheinlich. Jch bin in einer kleinen Stadt ge- boren und erzogen, in welcher kein junger Herr war, als des Amtmanns Sohn, und der Stadt- ſchreiber. Jch habe um deswillen niemals Exem- pel genug gehabt, welche meine Seele verleitet haͤt- ten, ſich mit ihrem Koͤrper am meiſten zu beſchaͤffti- gen: zu geſchweigen, daß mein Koͤrper eben nicht ſo gebaut Zweyter Theil. B

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/17>, abgerufen am 26.11.2024.