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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Hinkmars von Repkow

Die Größe deiner Gaben) Wenn ein Dich-
ter an seinem Helden die Größe seiner Gaben rühmt,
so versteht der Leser ordentlicher Weise dessen Ge-
müchsgaben darunter. Dasjenige nennt man
zwar auch Gaben, was er, für sein saubereinge-
bundnes Carmen, von seinem großmüthigen Gön-
ner erhält. Allein so unbescheiden ist nicht leicht ein
Dichter, daß er dieser Gaben ausdrücklich geden-
ken sollte. Es versteht sich wohl von selbst, daß
er sich und der Wahrheit so große Gewalt nicht
umsonst anthun, und Tugenden rühmen wird, wel-
che vielmals derjenige, der sie besitzen soll, selbst
nicht an sich gemerkt hat. Mancher würde nicht
besungen werden, wenn sich der Dichter nicht auf
die Größe seiner Gaben Rechnung machte. Simo-
in
des sollte einen Wettstreit mit Mauleseln besingen.
Derjenige, dessen Maulesel den Preis davon getragen
hatten, mochte sein Geld so lieb haben, als seine Eh-
re, und bot um deswillen dem Dichter nur eine ge-
ringe Belohnung an. Dieses empfand Simoni-
des
übel. Jch, sagte er, besinge keine Maulesel!
So bald man ihm aber die Belohnung erhöhte: So
bald sang er von Mauleseln, und rufte:

Khairet' aellopodon thugatres ippon!

Mich dünkt, wir singen heut zu Tage noch ebenso!

Hierbey muß ich einen kleinen Handgriff anra-
then, welcher im gemeinen Leben seinen guten prak-
tischen Nutzen hat. Jst ein Dichter von der Frey-
gebigkeit seines Gönners schon hinlänglich versi-
chert: So wird er am besten thun, wenn er mit einer
philosophischen Großmuth alle vergänglichen Reich-

thümer
Hinkmars von Repkow

Die Groͤße deiner Gaben) Wenn ein Dich-
ter an ſeinem Helden die Groͤße ſeiner Gaben ruͤhmt,
ſo verſteht der Leſer ordentlicher Weiſe deſſen Ge-
muͤchsgaben darunter. Dasjenige nennt man
zwar auch Gaben, was er, fuͤr ſein ſaubereinge-
bundnes Carmen, von ſeinem großmuͤthigen Goͤn-
ner erhaͤlt. Allein ſo unbeſcheiden iſt nicht leicht ein
Dichter, daß er dieſer Gaben ausdruͤcklich geden-
ken ſollte. Es verſteht ſich wohl von ſelbſt, daß
er ſich und der Wahrheit ſo große Gewalt nicht
umſonſt anthun, und Tugenden ruͤhmen wird, wel-
che vielmals derjenige, der ſie beſitzen ſoll, ſelbſt
nicht an ſich gemerkt hat. Mancher wuͤrde nicht
beſungen werden, wenn ſich der Dichter nicht auf
die Groͤße ſeiner Gaben Rechnung machte. Simo-
in
des ſollte einen Wettſtreit mit Mauleſeln beſingen.
Derjenige, deſſen Mauleſel den Preis davon getragen
hatten, mochte ſein Geld ſo lieb haben, als ſeine Eh-
re, und bot um deswillen dem Dichter nur eine ge-
ringe Belohnung an. Dieſes empfand Simoni-
des
uͤbel. Jch, ſagte er, beſinge keine Mauleſel!
So bald man ihm aber die Belohnung erhoͤhte: So
bald ſang er von Mauleſeln, und rufte:

Χαιρετ᾽ ἀελλοποδων ϑυγατρες ἱππων!

Mich duͤnkt, wir ſingen heut zu Tage noch ebenſo!

Hierbey muß ich einen kleinen Handgriff anra-
then, welcher im gemeinen Leben ſeinen guten prak-
tiſchen Nutzen hat. Jſt ein Dichter von der Frey-
gebigkeit ſeines Goͤnners ſchon hinlaͤnglich verſi-
chert: So wird er am beſten thun, wenn er mit einer
philoſophiſchen Großmuth alle vergaͤnglichen Reich-

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[130/0130] Hinkmars von Repkow Die Groͤße deiner Gaben) Wenn ein Dich- ter an ſeinem Helden die Groͤße ſeiner Gaben ruͤhmt, ſo verſteht der Leſer ordentlicher Weiſe deſſen Ge- muͤchsgaben darunter. Dasjenige nennt man zwar auch Gaben, was er, fuͤr ſein ſaubereinge- bundnes Carmen, von ſeinem großmuͤthigen Goͤn- ner erhaͤlt. Allein ſo unbeſcheiden iſt nicht leicht ein Dichter, daß er dieſer Gaben ausdruͤcklich geden- ken ſollte. Es verſteht ſich wohl von ſelbſt, daß er ſich und der Wahrheit ſo große Gewalt nicht umſonſt anthun, und Tugenden ruͤhmen wird, wel- che vielmals derjenige, der ſie beſitzen ſoll, ſelbſt nicht an ſich gemerkt hat. Mancher wuͤrde nicht beſungen werden, wenn ſich der Dichter nicht auf die Groͤße ſeiner Gaben Rechnung machte. Simo- in des ſollte einen Wettſtreit mit Mauleſeln beſingen. Derjenige, deſſen Mauleſel den Preis davon getragen hatten, mochte ſein Geld ſo lieb haben, als ſeine Eh- re, und bot um deswillen dem Dichter nur eine ge- ringe Belohnung an. Dieſes empfand Simoni- des uͤbel. Jch, ſagte er, beſinge keine Mauleſel! So bald man ihm aber die Belohnung erhoͤhte: So bald ſang er von Mauleſeln, und rufte: Χαιρετ᾽ ἀελλοποδων ϑυγατρες ἱππων! Mich duͤnkt, wir ſingen heut zu Tage noch ebenſo! Hierbey muß ich einen kleinen Handgriff anra- then, welcher im gemeinen Leben ſeinen guten prak- tiſchen Nutzen hat. Jſt ein Dichter von der Frey- gebigkeit ſeines Goͤnners ſchon hinlaͤnglich verſi- chert: So wird er am beſten thun, wenn er mit einer philoſophiſchen Großmuth alle vergaͤnglichen Reich- thuͤmer

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/130>, abgerufen am 24.11.2024.