Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Hinkmars von Repkow
ten Schwierigkeiten erleichtern hilft. Sie wollen
loben! Das ist genug! Ob aber die Züge in ihrer Lob-
schrift dem Originale ähnlich sind; das ist eine Sa-
che, die man eben so genau nicht untersuchen, noch
viel weniger aber von ihnen verlangen darf. Sie glei-
chen darinnen einer gewissen Art von Malern, welche
die Bildnisse großer Fürsten und Herren feil haben.
Alle diese sehen einander ähnlich, und die Bilder von
Ludwig dem vierzehnten an, bis auf den General
Menzel haben nur ein Gesicht. Der einzige Unter-
schied besteht in der Tracht und Farbe des Kleides,
und, wenn es hoch kömmt, in einem Schnurrbar-
te. Dem ungeachtet weis man, wen es vorstel-
len soll, und derjenige muß blind seyn, der es nicht
aus der Unterschrift sehen sollte. Machen es die
meisten unsrer heutigen Scribenten in ihren Zu-
schriften wohl anders? Sie haben nur eine Art zu
loben, und ein jeder, den das Verhängniß dazu er-
sehen hat, daß er unter ihre Hände gerathen, und
ihr Mäcenat werden soll, den stellen sie uns allemal,
als den vollkommensten, als den tugendhaftesten
Sterblichen vor. Kurz, auch ihre Gönner und
Helden haben nur ein Gesicht, den Unterschied
macht weiter nichts, als der Titel des Gönners.

Mit Zittern wagt mein Kiel] Jch bin
ein Poet, das ist ein postulatum, und ich will es
keinem Menschen rathen, mir zuzumuthen, daß ich
diesen Satz beweisen soll. Wenn man also im
obigen Texte die Worte; mit Zittern wagt mein
Kiel,
nicht von der demüthigen Positur verstehen

woll-

Hinkmars von Repkow
ten Schwierigkeiten erleichtern hilft. Sie wollen
loben! Das iſt genug! Ob aber die Zuͤge in ihrer Lob-
ſchrift dem Originale aͤhnlich ſind; das iſt eine Sa-
che, die man eben ſo genau nicht unterſuchen, noch
viel weniger aber von ihnen verlangen darf. Sie glei-
chen darinnen einer gewiſſen Art von Malern, welche
die Bildniſſe großer Fuͤrſten und Herren feil haben.
Alle dieſe ſehen einander aͤhnlich, und die Bilder von
Ludwig dem vierzehnten an, bis auf den General
Menzel haben nur ein Geſicht. Der einzige Unter-
ſchied beſteht in der Tracht und Farbe des Kleides,
und, wenn es hoch koͤmmt, in einem Schnurrbar-
te. Dem ungeachtet weis man, wen es vorſtel-
len ſoll, und derjenige muß blind ſeyn, der es nicht
aus der Unterſchrift ſehen ſollte. Machen es die
meiſten unſrer heutigen Scribenten in ihren Zu-
ſchriften wohl anders? Sie haben nur eine Art zu
loben, und ein jeder, den das Verhaͤngniß dazu er-
ſehen hat, daß er unter ihre Haͤnde gerathen, und
ihr Maͤcenat werden ſoll, den ſtellen ſie uns allemal,
als den vollkommenſten, als den tugendhafteſten
Sterblichen vor. Kurz, auch ihre Goͤnner und
Helden haben nur ein Geſicht, den Unterſchied
macht weiter nichts, als der Titel des Goͤnners.

Mit Zittern wagt mein Kiel] Jch bin
ein Poet, das iſt ein poſtulatum, und ich will es
keinem Menſchen rathen, mir zuzumuthen, daß ich
dieſen Satz beweiſen ſoll. Wenn man alſo im
obigen Texte die Worte; mit Zittern wagt mein
Kiel,
nicht von der demuͤthigen Poſitur verſtehen

woll-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0116" n="116"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Hinkmars von Repkow</hi></fw><lb/>
ten Schwierigkeiten erleichtern hilft. Sie wollen<lb/>
loben! Das i&#x017F;t genug! Ob aber die Zu&#x0364;ge in ihrer Lob-<lb/>
&#x017F;chrift dem Originale a&#x0364;hnlich &#x017F;ind; das i&#x017F;t eine Sa-<lb/>
che, die man eben &#x017F;o genau nicht unter&#x017F;uchen, noch<lb/>
viel weniger aber von ihnen verlangen darf. Sie glei-<lb/>
chen darinnen einer gewi&#x017F;&#x017F;en Art von Malern, welche<lb/>
die Bildni&#x017F;&#x017F;e großer Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Herren feil haben.<lb/>
Alle die&#x017F;e &#x017F;ehen einander a&#x0364;hnlich, und die Bilder von<lb/>
Ludwig dem vierzehnten an, bis auf den General<lb/>
Menzel haben nur ein Ge&#x017F;icht. Der einzige Unter-<lb/>
&#x017F;chied be&#x017F;teht in der Tracht und Farbe des Kleides,<lb/>
und, wenn es hoch ko&#x0364;mmt, in einem Schnurrbar-<lb/>
te. Dem ungeachtet weis man, wen es vor&#x017F;tel-<lb/>
len &#x017F;oll, und derjenige muß blind &#x017F;eyn, der es nicht<lb/>
aus der Unter&#x017F;chrift &#x017F;ehen &#x017F;ollte. Machen es die<lb/>
mei&#x017F;ten un&#x017F;rer heutigen Scribenten in ihren Zu-<lb/>
&#x017F;chriften wohl anders? Sie haben nur eine Art zu<lb/>
loben, und ein jeder, den das Verha&#x0364;ngniß dazu er-<lb/>
&#x017F;ehen hat, daß er unter ihre Ha&#x0364;nde gerathen, und<lb/>
ihr Ma&#x0364;cenat werden &#x017F;oll, den &#x017F;tellen &#x017F;ie uns allemal,<lb/>
als den vollkommen&#x017F;ten, als den tugendhafte&#x017F;ten<lb/>
Sterblichen vor. Kurz, auch ihre Go&#x0364;nner und<lb/>
Helden haben nur ein Ge&#x017F;icht, den Unter&#x017F;chied<lb/>
macht weiter nichts, als der Titel des Go&#x0364;nners.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mit Zittern wagt mein Kiel</hi>] Jch bin<lb/>
ein Poet, das i&#x017F;t ein <hi rendition="#aq">po&#x017F;tulatum,</hi> und ich will es<lb/>
keinem Men&#x017F;chen rathen, mir zuzumuthen, daß ich<lb/>
die&#x017F;en Satz bewei&#x017F;en &#x017F;oll. Wenn man al&#x017F;o im<lb/>
obigen Texte die Worte; <hi rendition="#fr">mit Zittern wagt mein<lb/>
Kiel,</hi> nicht von der demu&#x0364;thigen Po&#x017F;itur ver&#x017F;tehen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">woll-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0116] Hinkmars von Repkow ten Schwierigkeiten erleichtern hilft. Sie wollen loben! Das iſt genug! Ob aber die Zuͤge in ihrer Lob- ſchrift dem Originale aͤhnlich ſind; das iſt eine Sa- che, die man eben ſo genau nicht unterſuchen, noch viel weniger aber von ihnen verlangen darf. Sie glei- chen darinnen einer gewiſſen Art von Malern, welche die Bildniſſe großer Fuͤrſten und Herren feil haben. Alle dieſe ſehen einander aͤhnlich, und die Bilder von Ludwig dem vierzehnten an, bis auf den General Menzel haben nur ein Geſicht. Der einzige Unter- ſchied beſteht in der Tracht und Farbe des Kleides, und, wenn es hoch koͤmmt, in einem Schnurrbar- te. Dem ungeachtet weis man, wen es vorſtel- len ſoll, und derjenige muß blind ſeyn, der es nicht aus der Unterſchrift ſehen ſollte. Machen es die meiſten unſrer heutigen Scribenten in ihren Zu- ſchriften wohl anders? Sie haben nur eine Art zu loben, und ein jeder, den das Verhaͤngniß dazu er- ſehen hat, daß er unter ihre Haͤnde gerathen, und ihr Maͤcenat werden ſoll, den ſtellen ſie uns allemal, als den vollkommenſten, als den tugendhafteſten Sterblichen vor. Kurz, auch ihre Goͤnner und Helden haben nur ein Geſicht, den Unterſchied macht weiter nichts, als der Titel des Goͤnners. Mit Zittern wagt mein Kiel] Jch bin ein Poet, das iſt ein poſtulatum, und ich will es keinem Menſchen rathen, mir zuzumuthen, daß ich dieſen Satz beweiſen ſoll. Wenn man alſo im obigen Texte die Worte; mit Zittern wagt mein Kiel, nicht von der demuͤthigen Poſitur verſtehen woll-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/116
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/116>, abgerufen am 24.11.2024.