Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Vortrefflichkeit

Zwar möchte mancher einwenden: Es sey un-
möglich, daß ein jeder eine so weitläuftige Wissen-
schaft in Sprachen besitze; man habe nicht allemal
Gelegenheit, sie zu erlernen; Nicht ein jeder sey fä-
hig 27, solche zu fassen. Sollte man denn deswegen
das reizende Vergnügen entbehren, etwas zu schrei-
ben? Keinesweges. Jch sehe es nicht, als eine un-
umgängliche Nothwendigkeit an, daß man viele
Sprachen verstehen müsse. Jch verlange nur, daß
die Anmerkungen aus vielen Sprachen bestehen sol-
len. Was man nicht selbst kann, das werden doch wohl
unsre guten Freunde können. Diese 28 sind schul-
dig, uns in der Noth zu helfen, und uns aus der
Schande der Unwissenheit zu reißen. Wer wollte
mir zumuthen, daß ich Griechisch, Rabbinisch, Ebrä-
isch, Chaldäisch, Syrisch, Arabisch, Französisch,
Jtalienisch und Englisch könnte? Jch verstehe nichts,
als meine Muttersprache, und ein wenig Latein.
Gleichwohl würde man es mir nimmermehr anse-
hen, wenn ich nicht so offenherzig wäre, und es an-

itzt
ich nun in meine Anmerkungen auch etwas Jtalienisches
setzen wollte, gleichwohl mir nichts anders, als vorstehen-
des, bekannt war: So habe ich lieber der natürlichen Ord-
nung ein wenig Gewalt anthun, als diese Schönheit mis-
sen wollen.
27 On voit peu d'Esprits sans doute, qui ne soient capables
de quelque Art ou de quelque Science. Ils ont tous un
certain desir d'apprendre & d' augmenter leurs lumieres,
qui se peut fortifier par une bonne Methode. Mr. No-
ble dans l' Ecole du monde.
28 It is a true saying, that misfortunes alone prove one's
friendships, they show us not only other peoples for
us, but our own fvr them; we hardly know our selves
any otherwise. New Letters of Mr. Al. Pope. p.
207.
Von der Vortrefflichkeit

Zwar moͤchte mancher einwenden: Es ſey un-
moͤglich, daß ein jeder eine ſo weitlaͤuftige Wiſſen-
ſchaft in Sprachen beſitze; man habe nicht allemal
Gelegenheit, ſie zu erlernen; Nicht ein jeder ſey faͤ-
hig 27, ſolche zu faſſen. Sollte man denn deswegen
das reizende Vergnuͤgen entbehren, etwas zu ſchrei-
ben? Keinesweges. Jch ſehe es nicht, als eine un-
umgaͤngliche Nothwendigkeit an, daß man viele
Sprachen verſtehen muͤſſe. Jch verlange nur, daß
die Anmerkungen aus vielen Sprachen beſtehen ſol-
len. Was man nicht ſelbſt kann, das werden doch wohl
unſre guten Freunde koͤnnen. Dieſe 28 ſind ſchul-
dig, uns in der Noth zu helfen, und uns aus der
Schande der Unwiſſenheit zu reißen. Wer wollte
mir zumuthen, daß ich Griechiſch, Rabbiniſch, Ebraͤ-
iſch, Chaldaͤiſch, Syriſch, Arabiſch, Franzoͤſiſch,
Jtalieniſch und Engliſch koͤnnte? Jch verſtehe nichts,
als meine Mutterſprache, und ein wenig Latein.
Gleichwohl wuͤrde man es mir nimmermehr anſe-
hen, wenn ich nicht ſo offenherzig waͤre, und es an-

itzt
ich nun in meine Anmerkungen auch etwas Jtalieniſches
ſetzen wollte, gleichwohl mir nichts anders, als vorſtehen-
des, bekannt war: So habe ich lieber der natuͤrlichen Ord-
nung ein wenig Gewalt anthun, als dieſe Schoͤnheit miſ-
ſen wollen.
27 On voit peu d’Eſprits ſans doute, qui ne ſoient capables
de quelque Art ou de quelque Science. Ils ont tous un
certain deſir d’apprendre & d’ augmenter leurs lumieres,
qui ſe peut fortifier par une bonne Methode. Mr. No-
ble dans l’ Ecole du monde.
28 It is a true ſaying, that misfortunes alone prove one’s
friendships, they show us not only other peoples for
us, but our own fvr them; we hardly know our ſelves
any otherwiſe. New Letters of Mr. Al. Pope. p.
207.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0096" n="22"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von der Vortrefflichkeit</hi> </fw><lb/>
      <p>Zwar mo&#x0364;chte mancher einwenden: Es &#x017F;ey un-<lb/>
mo&#x0364;glich, daß ein jeder eine &#x017F;o weitla&#x0364;uftige Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft in Sprachen be&#x017F;itze; man habe nicht allemal<lb/>
Gelegenheit, &#x017F;ie zu erlernen; Nicht ein jeder &#x017F;ey fa&#x0364;-<lb/>
hig <note place="foot" n="27"><hi rendition="#aq">On voit peu d&#x2019;E&#x017F;prits &#x017F;ans doute, qui ne &#x017F;oient capables<lb/>
de quelque Art ou de quelque Science. Ils ont tous un<lb/>
certain de&#x017F;ir d&#x2019;apprendre &amp; d&#x2019; augmenter leurs lumieres,<lb/>
qui &#x017F;e peut fortifier par une bonne Methode. Mr. No-<lb/>
ble dans l&#x2019; Ecole du monde.</hi></note>, &#x017F;olche zu fa&#x017F;&#x017F;en. Sollte man denn deswegen<lb/>
das reizende Vergnu&#x0364;gen entbehren, etwas zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben? Keinesweges. Jch &#x017F;ehe es nicht, als eine un-<lb/>
umga&#x0364;ngliche Nothwendigkeit an, daß man viele<lb/>
Sprachen ver&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Jch verlange nur, daß<lb/>
die Anmerkungen aus vielen Sprachen be&#x017F;tehen &#x017F;ol-<lb/>
len. Was man nicht &#x017F;elb&#x017F;t kann, das werden doch wohl<lb/>
un&#x017F;re guten Freunde ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;e <note place="foot" n="28"><hi rendition="#aq">It is a true &#x017F;aying, that misfortunes alone prove one&#x2019;s<lb/>
friendships, they show us not only other peoples for<lb/>
us, but our own fvr them; we hardly know our &#x017F;elves<lb/>
any otherwi&#x017F;e. New Letters of Mr. Al. Pope. p.</hi> 207.</note> &#x017F;ind &#x017F;chul-<lb/>
dig, uns in der Noth zu helfen, und uns aus der<lb/>
Schande der Unwi&#x017F;&#x017F;enheit zu reißen. Wer wollte<lb/>
mir zumuthen, daß ich Griechi&#x017F;ch, Rabbini&#x017F;ch, Ebra&#x0364;-<lb/>
i&#x017F;ch, Chalda&#x0364;i&#x017F;ch, Syri&#x017F;ch, Arabi&#x017F;ch, Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch,<lb/>
Jtalieni&#x017F;ch und Engli&#x017F;ch ko&#x0364;nnte? Jch ver&#x017F;tehe nichts,<lb/>
als meine Mutter&#x017F;prache, und ein wenig Latein.<lb/>
Gleichwohl wu&#x0364;rde man es mir nimmermehr an&#x017F;e-<lb/>
hen, wenn ich nicht &#x017F;o offenherzig wa&#x0364;re, und es an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">itzt</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="26">ich nun in meine Anmerkungen auch etwas Jtalieni&#x017F;ches<lb/>
&#x017F;etzen wollte, gleichwohl mir nichts anders, als vor&#x017F;tehen-<lb/>
des, bekannt war: So habe ich lieber der natu&#x0364;rlichen Ord-<lb/>
nung ein wenig Gewalt anthun, als die&#x017F;e Scho&#x0364;nheit mi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wollen.</note><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0096] Von der Vortrefflichkeit Zwar moͤchte mancher einwenden: Es ſey un- moͤglich, daß ein jeder eine ſo weitlaͤuftige Wiſſen- ſchaft in Sprachen beſitze; man habe nicht allemal Gelegenheit, ſie zu erlernen; Nicht ein jeder ſey faͤ- hig 27, ſolche zu faſſen. Sollte man denn deswegen das reizende Vergnuͤgen entbehren, etwas zu ſchrei- ben? Keinesweges. Jch ſehe es nicht, als eine un- umgaͤngliche Nothwendigkeit an, daß man viele Sprachen verſtehen muͤſſe. Jch verlange nur, daß die Anmerkungen aus vielen Sprachen beſtehen ſol- len. Was man nicht ſelbſt kann, das werden doch wohl unſre guten Freunde koͤnnen. Dieſe 28 ſind ſchul- dig, uns in der Noth zu helfen, und uns aus der Schande der Unwiſſenheit zu reißen. Wer wollte mir zumuthen, daß ich Griechiſch, Rabbiniſch, Ebraͤ- iſch, Chaldaͤiſch, Syriſch, Arabiſch, Franzoͤſiſch, Jtalieniſch und Engliſch koͤnnte? Jch verſtehe nichts, als meine Mutterſprache, und ein wenig Latein. Gleichwohl wuͤrde man es mir nimmermehr anſe- hen, wenn ich nicht ſo offenherzig waͤre, und es an- itzt 26 27 On voit peu d’Eſprits ſans doute, qui ne ſoient capables de quelque Art ou de quelque Science. Ils ont tous un certain deſir d’apprendre & d’ augmenter leurs lumieres, qui ſe peut fortifier par une bonne Methode. Mr. No- ble dans l’ Ecole du monde. 28 It is a true ſaying, that misfortunes alone prove one’s friendships, they show us not only other peoples for us, but our own fvr them; we hardly know our ſelves any otherwiſe. New Letters of Mr. Al. Pope. p. 207. 26 ich nun in meine Anmerkungen auch etwas Jtalieniſches ſetzen wollte, gleichwohl mir nichts anders, als vorſtehen- des, bekannt war: So habe ich lieber der natuͤrlichen Ord- nung ein wenig Gewalt anthun, als dieſe Schoͤnheit miſ- ſen wollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/96
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/96>, abgerufen am 18.05.2024.