[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Vorbericht. es kömmt endlich, und man behälts im Arreste!Hätte man es hiebey bewenden lassen, so würde man an diesem Verfahren nichts weiter auszusetzen fin- den, als allenfalls eine zu hitzig geäußerte Vorsicht. Jch bin wenig damit zufrieden, daß dieses Buch den Bauern in die Hände gebracht worden. Es kann leicht geschehen, daß Leute von schwacher Einsicht eine Schreibart nicht verstehen, die ihr eigner Gerichts- verwalter nicht versteht, der doch lateinische Bücher hat. Das gemeine Volk misbraucht gar leicht et- was, wovon es die ernsthafte Absicht nicht übersieht, und eine Obrigkeit kann in der That nicht vorsichtig ge- nug seyn, dergleichen Leuten alles wegzuräumen, was ihre Unwissenheit misbrauchen kann. Anfäng- lich glaubte ich auch, die Bauern hätten einen oder den andern Ausdruck unvorsichtig gemisbraucht, und über die Eide leichtsinnig gescherzt. Wäre die- ses gewesen; so würden sie diejenige Strafe ver- dient haben, welche ein solcher leichtsinniger Mis- brauch nach sich zieht; aber nein! Davon findet sich in den Acten nicht die mindeste Spur. Sie haben darinnen gelesen, sie haben mit Vergnügen darinnen gelesen, und das ist ein Verbrechen! Man treibt die Untersuchung weiter; man will alle wissen, die in diesem Buche gelesen haben. Es werden Zeu- gen c 2
Vorbericht. es koͤmmt endlich, und man behaͤlts im Arreſte!Haͤtte man es hiebey bewenden laſſen, ſo wuͤrde man an dieſem Verfahren nichts weiter auszuſetzen fin- den, als allenfalls eine zu hitzig geaͤußerte Vorſicht. Jch bin wenig damit zufrieden, daß dieſes Buch den Bauern in die Haͤnde gebracht worden. Es kann leicht geſchehen, daß Leute von ſchwacher Einſicht eine Schreibart nicht verſtehen, die ihr eigner Gerichts- verwalter nicht verſteht, der doch lateiniſche Buͤcher hat. Das gemeine Volk misbraucht gar leicht et- was, wovon es die ernſthafte Abſicht nicht uͤberſieht, und eine Obrigkeit kann in der That nicht vorſichtig ge- nug ſeyn, dergleichen Leuten alles wegzuraͤumen, was ihre Unwiſſenheit misbrauchen kann. Anfaͤng- lich glaubte ich auch, die Bauern haͤtten einen oder den andern Ausdruck unvorſichtig gemisbraucht, und uͤber die Eide leichtſinnig geſcherzt. Waͤre die- ſes geweſen; ſo wuͤrden ſie diejenige Strafe ver- dient haben, welche ein ſolcher leichtſinniger Mis- brauch nach ſich zieht; aber nein! Davon findet ſich in den Acten nicht die mindeſte Spur. Sie haben darinnen geleſen, ſie haben mit Vergnuͤgen darinnen geleſen, und das iſt ein Verbrechen! Man treibt die Unterſuchung weiter; man will alle wiſſen, die in dieſem Buche geleſen haben. Es werden Zeu- gen c 2
<TEI> <text> <front> <div> <p><pb facs="#f0035" n="35"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/> es koͤmmt endlich, und man behaͤlts im Arreſte!<lb/> Haͤtte man es hiebey bewenden laſſen, ſo wuͤrde man<lb/> an dieſem Verfahren nichts weiter auszuſetzen fin-<lb/> den, als allenfalls eine zu hitzig geaͤußerte Vorſicht.<lb/> Jch bin wenig damit zufrieden, daß dieſes Buch den<lb/> Bauern in die Haͤnde gebracht worden. Es kann<lb/> leicht geſchehen, daß Leute von ſchwacher Einſicht eine<lb/> Schreibart nicht verſtehen, die ihr eigner Gerichts-<lb/> verwalter nicht verſteht, der doch lateiniſche Buͤcher<lb/> hat. Das gemeine Volk misbraucht gar leicht et-<lb/> was, wovon es die ernſthafte Abſicht nicht uͤberſieht,<lb/> und eine Obrigkeit kann in der That nicht vorſichtig ge-<lb/> nug ſeyn, dergleichen Leuten alles wegzuraͤumen,<lb/> was ihre Unwiſſenheit misbrauchen kann. Anfaͤng-<lb/> lich glaubte ich auch, die Bauern haͤtten einen oder<lb/> den andern Ausdruck unvorſichtig gemisbraucht,<lb/> und uͤber die Eide leichtſinnig geſcherzt. Waͤre die-<lb/> ſes geweſen; ſo wuͤrden ſie diejenige Strafe ver-<lb/> dient haben, welche ein ſolcher leichtſinniger Mis-<lb/> brauch nach ſich zieht; aber nein! Davon findet ſich<lb/> in den Acten nicht die mindeſte Spur. Sie haben<lb/> darinnen geleſen, ſie haben mit Vergnuͤgen darinnen<lb/> geleſen, und das iſt ein Verbrechen! Man treibt<lb/> die Unterſuchung weiter; man will alle wiſſen, die<lb/> in dieſem Buche geleſen haben. Es werden Zeu-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">c 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [35/0035]
Vorbericht.
es koͤmmt endlich, und man behaͤlts im Arreſte!
Haͤtte man es hiebey bewenden laſſen, ſo wuͤrde man
an dieſem Verfahren nichts weiter auszuſetzen fin-
den, als allenfalls eine zu hitzig geaͤußerte Vorſicht.
Jch bin wenig damit zufrieden, daß dieſes Buch den
Bauern in die Haͤnde gebracht worden. Es kann
leicht geſchehen, daß Leute von ſchwacher Einſicht eine
Schreibart nicht verſtehen, die ihr eigner Gerichts-
verwalter nicht verſteht, der doch lateiniſche Buͤcher
hat. Das gemeine Volk misbraucht gar leicht et-
was, wovon es die ernſthafte Abſicht nicht uͤberſieht,
und eine Obrigkeit kann in der That nicht vorſichtig ge-
nug ſeyn, dergleichen Leuten alles wegzuraͤumen,
was ihre Unwiſſenheit misbrauchen kann. Anfaͤng-
lich glaubte ich auch, die Bauern haͤtten einen oder
den andern Ausdruck unvorſichtig gemisbraucht,
und uͤber die Eide leichtſinnig geſcherzt. Waͤre die-
ſes geweſen; ſo wuͤrden ſie diejenige Strafe ver-
dient haben, welche ein ſolcher leichtſinniger Mis-
brauch nach ſich zieht; aber nein! Davon findet ſich
in den Acten nicht die mindeſte Spur. Sie haben
darinnen geleſen, ſie haben mit Vergnuͤgen darinnen
geleſen, und das iſt ein Verbrechen! Man treibt
die Unterſuchung weiter; man will alle wiſſen, die
in dieſem Buche geleſen haben. Es werden Zeu-
gen
c 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/35 |
Zitationshilfe: | [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/35>, abgerufen am 16.02.2025. |