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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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an den Autor.
und, wenn ichs sagen darf, an Unverschämtheit alle
diejenigen übertrifft, welche bisher unserm Vaterlan-
de so manche vergnügte Stunde gemacht haben.
Bey Jhren Schriften, mein Herr, haben Sie keine
andre Absicht weiter, als daß ihr Name unsterblich,
und die Bewunderung der spätesten Nachwelt seyn
möge. Dieses ist der einzige Umstand, in welchen
ich von Jhrer Sittenlehre abgehe. Jch schreibe zwar
auch für die Nachwelt; deswegen aber mag ich nicht
für die Nachwelt hungern, und wenigstens scheint mir
derjenige eine sehr betrübte Figur zu machen, welcher
mit dem Lorbeer auf dem Haupte, und einem leeren
Magen, der Unsterblichkeit entgegen sehen muß. Jch
bin für das Vaterland, und mein Vaterland ist für
mich geboren. Die Pflichten gegen mich selbst bleiben
mir allezeit die stärksten, und ich empfinde den innerli-
chen Beruf, ein Autor zu werden, niemals überzeu-
gender, als wenn mich hungert. Jch will nicht hoffen,
daß mir dieses freye Bekenntniß bey Jhnen zum
Nachtheile gereichen wird; denn ich kenne meine Her-
ren Collegen gar zu genau, und weis es aus der Er-
fahrung, daß sie niemals großmüthiger thun, als
wenn sie die Freygebigkeit des Verlegers zur Un-
sterblichkeit aufgemuntert hat. Es war nöthig, Jh-
nen dieses alles im Voraus zu sagen; denn nunmehr
werden Sie wohl einsehen, daß ich zwar ein Autor,
aber ein solcher Autor bin, dem sein Leben so lieb ist, als
sein Nachruhm. Wollten Sie daran nur im gering-
sten zweifeln; so darf ich Jhnen nur ein Wort sagen.
Jch bin ein Poet, und eigentlich ein glückwünschender
Poet; denn es darf es kein Mäcenat oder keine Mä-

cena-
N 3

an den Autor.
und, wenn ichs ſagen darf, an Unverſchaͤmtheit alle
diejenigen uͤbertrifft, welche bisher unſerm Vaterlan-
de ſo manche vergnuͤgte Stunde gemacht haben.
Bey Jhren Schriften, mein Herr, haben Sie keine
andre Abſicht weiter, als daß ihr Name unſterblich,
und die Bewunderung der ſpaͤteſten Nachwelt ſeyn
moͤge. Dieſes iſt der einzige Umſtand, in welchen
ich von Jhrer Sittenlehre abgehe. Jch ſchreibe zwar
auch fuͤr die Nachwelt; deswegen aber mag ich nicht
fuͤr die Nachwelt hungern, und wenigſtens ſcheint mir
derjenige eine ſehr betruͤbte Figur zu machen, welcher
mit dem Lorbeer auf dem Haupte, und einem leeren
Magen, der Unſterblichkeit entgegen ſehen muß. Jch
bin fuͤr das Vaterland, und mein Vaterland iſt fuͤr
mich geboren. Die Pflichten gegen mich ſelbſt bleiben
mir allezeit die ſtaͤrkſten, und ich empfinde den innerli-
chen Beruf, ein Autor zu werden, niemals uͤberzeu-
gender, als wenn mich hungert. Jch will nicht hoffen,
daß mir dieſes freye Bekenntniß bey Jhnen zum
Nachtheile gereichen wird; denn ich kenne meine Her-
ren Collegen gar zu genau, und weis es aus der Er-
fahrung, daß ſie niemals großmuͤthiger thun, als
wenn ſie die Freygebigkeit des Verlegers zur Un-
ſterblichkeit aufgemuntert hat. Es war noͤthig, Jh-
nen dieſes alles im Voraus zu ſagen; denn nunmehr
werden Sie wohl einſehen, daß ich zwar ein Autor,
aber ein ſolcher Autor bin, dem ſein Leben ſo lieb iſt, als
ſein Nachruhm. Wollten Sie daran nur im gering-
ſten zweifeln; ſo darf ich Jhnen nur ein Wort ſagen.
Jch bin ein Poet, und eigentlich ein gluͤckwuͤnſchender
Poet; denn es darf es kein Maͤcenat oder keine Maͤ-

cena-
N 3
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[197/0271] an den Autor. und, wenn ichs ſagen darf, an Unverſchaͤmtheit alle diejenigen uͤbertrifft, welche bisher unſerm Vaterlan- de ſo manche vergnuͤgte Stunde gemacht haben. Bey Jhren Schriften, mein Herr, haben Sie keine andre Abſicht weiter, als daß ihr Name unſterblich, und die Bewunderung der ſpaͤteſten Nachwelt ſeyn moͤge. Dieſes iſt der einzige Umſtand, in welchen ich von Jhrer Sittenlehre abgehe. Jch ſchreibe zwar auch fuͤr die Nachwelt; deswegen aber mag ich nicht fuͤr die Nachwelt hungern, und wenigſtens ſcheint mir derjenige eine ſehr betruͤbte Figur zu machen, welcher mit dem Lorbeer auf dem Haupte, und einem leeren Magen, der Unſterblichkeit entgegen ſehen muß. Jch bin fuͤr das Vaterland, und mein Vaterland iſt fuͤr mich geboren. Die Pflichten gegen mich ſelbſt bleiben mir allezeit die ſtaͤrkſten, und ich empfinde den innerli- chen Beruf, ein Autor zu werden, niemals uͤberzeu- gender, als wenn mich hungert. Jch will nicht hoffen, daß mir dieſes freye Bekenntniß bey Jhnen zum Nachtheile gereichen wird; denn ich kenne meine Her- ren Collegen gar zu genau, und weis es aus der Er- fahrung, daß ſie niemals großmuͤthiger thun, als wenn ſie die Freygebigkeit des Verlegers zur Un- ſterblichkeit aufgemuntert hat. Es war noͤthig, Jh- nen dieſes alles im Voraus zu ſagen; denn nunmehr werden Sie wohl einſehen, daß ich zwar ein Autor, aber ein ſolcher Autor bin, dem ſein Leben ſo lieb iſt, als ſein Nachruhm. Wollten Sie daran nur im gering- ſten zweifeln; ſo darf ich Jhnen nur ein Wort ſagen. Jch bin ein Poet, und eigentlich ein gluͤckwuͤnſchender Poet; denn es darf es kein Maͤcenat oder keine Maͤ- cena- N 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/271>, abgerufen am 18.05.2024.