Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Todtenliste
Verdienste einen Edelmann machten, so wäre ihm
und seines gleichen Vater und Mutter, und die
ganze Sippschaft, nichts nütze. Seine Wirth-
schaft ward sehr unordentlich bestellt. War er
nicht auf der Jagd, so saß er bey Tische, und als-
dann war er vermögend, seine ganze hochadliche
Nachbarschaft zu Boden zu saufen. Seine Bauern
machte er arm, und jagte sie durch Processe zum
Dorfe hinaus. Er folgte ihnen aber selbst bald nach,
weil er, wegen Schulden, seinem Verwalter das Gut
überlassen, und den Rest seines Lebens in Bergen
zubringen mußte.

Nicolaus Andreä, handelte anfangs mit ge-
dörrten Fischen, und war zugleich ein Wechsler.
Diese Lebensart stund ihm aber nicht länger an;
er bemühte sich also, Capellan in der fanoensischen
Kirche, nicht weit von der Stadt, zu werden, wel-
chen Dienst er auch, wider alles Vermuthen, er-
hielt. Kein Mensch konnte begreifen, wie es zu-
gienge. Er sagte aber; wer in Bergen einen Dienst
haben wollte, der müßte entweder der Vetter eines
Rathmannes, oder ein Lakey, oder ein Hahnrey
seyn; folglich habe er einen dreyfachen Beruf zu
seinem Amte. Wer nur einen solchen Dienst su-
che, zu dem er sich schicke, der würde seinen Zweck
nimmermehr erlangen. Ein Kutscher könne ein
Amtmann, ein Amtmann Superintendent, ein Su-
perintendent hingegen ein Geldmäkler, und folg-
lich dieser gar leicht ein Capellan werden. Er
habe eine gute Lunge; er könne schmälen, und mit

seinem

eine Todtenliſte
Verdienſte einen Edelmann machten, ſo waͤre ihm
und ſeines gleichen Vater und Mutter, und die
ganze Sippſchaft, nichts nuͤtze. Seine Wirth-
ſchaft ward ſehr unordentlich beſtellt. War er
nicht auf der Jagd, ſo ſaß er bey Tiſche, und als-
dann war er vermoͤgend, ſeine ganze hochadliche
Nachbarſchaft zu Boden zu ſaufen. Seine Bauern
machte er arm, und jagte ſie durch Proceſſe zum
Dorfe hinaus. Er folgte ihnen aber ſelbſt bald nach,
weil er, wegen Schulden, ſeinem Verwalter das Gut
uͤberlaſſen, und den Reſt ſeines Lebens in Bergen
zubringen mußte.

Nicolaus Andreaͤ, handelte anfangs mit ge-
doͤrrten Fiſchen, und war zugleich ein Wechsler.
Dieſe Lebensart ſtund ihm aber nicht laͤnger an;
er bemuͤhte ſich alſo, Capellan in der fanoenſiſchen
Kirche, nicht weit von der Stadt, zu werden, wel-
chen Dienſt er auch, wider alles Vermuthen, er-
hielt. Kein Menſch konnte begreifen, wie es zu-
gienge. Er ſagte aber; wer in Bergen einen Dienſt
haben wollte, der muͤßte entweder der Vetter eines
Rathmannes, oder ein Lakey, oder ein Hahnrey
ſeyn; folglich habe er einen dreyfachen Beruf zu
ſeinem Amte. Wer nur einen ſolchen Dienſt ſu-
che, zu dem er ſich ſchicke, der wuͤrde ſeinen Zweck
nimmermehr erlangen. Ein Kutſcher koͤnne ein
Amtmann, ein Amtmann Superintendent, ein Su-
perintendent hingegen ein Geldmaͤkler, und folg-
lich dieſer gar leicht ein Capellan werden. Er
habe eine gute Lunge; er koͤnne ſchmaͤlen, und mit

ſeinem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0256" n="182"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eine Todtenli&#x017F;te</hi></fw><lb/>
Verdien&#x017F;te einen Edelmann machten, &#x017F;o wa&#x0364;re ihm<lb/>
und &#x017F;eines gleichen Vater und Mutter, und die<lb/>
ganze Sipp&#x017F;chaft, nichts nu&#x0364;tze. Seine Wirth-<lb/>
&#x017F;chaft ward &#x017F;ehr unordentlich be&#x017F;tellt. War er<lb/>
nicht auf der Jagd, &#x017F;o &#x017F;aß er bey Ti&#x017F;che, und als-<lb/>
dann war er vermo&#x0364;gend, &#x017F;eine ganze hochadliche<lb/>
Nachbar&#x017F;chaft zu Boden zu &#x017F;aufen. Seine Bauern<lb/>
machte er arm, und jagte &#x017F;ie durch Proce&#x017F;&#x017F;e zum<lb/>
Dorfe hinaus. Er folgte ihnen aber &#x017F;elb&#x017F;t bald nach,<lb/>
weil er, wegen Schulden, &#x017F;einem Verwalter das Gut<lb/>
u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, und den Re&#x017F;t &#x017F;eines Lebens in Bergen<lb/>
zubringen mußte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Nicolaus Andrea&#x0364;,</hi> handelte anfangs mit ge-<lb/>
do&#x0364;rrten Fi&#x017F;chen, und war zugleich ein Wechsler.<lb/>
Die&#x017F;e Lebensart &#x017F;tund ihm aber nicht la&#x0364;nger an;<lb/>
er bemu&#x0364;hte &#x017F;ich al&#x017F;o, Capellan in der fanoen&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Kirche, nicht weit von der Stadt, zu werden, wel-<lb/>
chen Dien&#x017F;t er auch, wider alles Vermuthen, er-<lb/>
hielt. Kein Men&#x017F;ch konnte begreifen, wie es zu-<lb/>
gienge. Er &#x017F;agte aber; wer in Bergen einen Dien&#x017F;t<lb/>
haben wollte, der mu&#x0364;ßte entweder der Vetter eines<lb/>
Rathmannes, oder ein Lakey, oder ein Hahnrey<lb/>
&#x017F;eyn; folglich habe er einen dreyfachen Beruf zu<lb/>
&#x017F;einem Amte. Wer nur einen &#x017F;olchen Dien&#x017F;t &#x017F;u-<lb/>
che, zu dem er &#x017F;ich &#x017F;chicke, der wu&#x0364;rde &#x017F;einen Zweck<lb/>
nimmermehr erlangen. Ein Kut&#x017F;cher ko&#x0364;nne ein<lb/>
Amtmann, ein Amtmann Superintendent, ein Su-<lb/>
perintendent hingegen ein Geldma&#x0364;kler, und folg-<lb/>
lich die&#x017F;er gar leicht ein Capellan werden. Er<lb/>
habe eine gute Lunge; er ko&#x0364;nne &#x017F;chma&#x0364;len, und mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;einem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0256] eine Todtenliſte Verdienſte einen Edelmann machten, ſo waͤre ihm und ſeines gleichen Vater und Mutter, und die ganze Sippſchaft, nichts nuͤtze. Seine Wirth- ſchaft ward ſehr unordentlich beſtellt. War er nicht auf der Jagd, ſo ſaß er bey Tiſche, und als- dann war er vermoͤgend, ſeine ganze hochadliche Nachbarſchaft zu Boden zu ſaufen. Seine Bauern machte er arm, und jagte ſie durch Proceſſe zum Dorfe hinaus. Er folgte ihnen aber ſelbſt bald nach, weil er, wegen Schulden, ſeinem Verwalter das Gut uͤberlaſſen, und den Reſt ſeines Lebens in Bergen zubringen mußte. Nicolaus Andreaͤ, handelte anfangs mit ge- doͤrrten Fiſchen, und war zugleich ein Wechsler. Dieſe Lebensart ſtund ihm aber nicht laͤnger an; er bemuͤhte ſich alſo, Capellan in der fanoenſiſchen Kirche, nicht weit von der Stadt, zu werden, wel- chen Dienſt er auch, wider alles Vermuthen, er- hielt. Kein Menſch konnte begreifen, wie es zu- gienge. Er ſagte aber; wer in Bergen einen Dienſt haben wollte, der muͤßte entweder der Vetter eines Rathmannes, oder ein Lakey, oder ein Hahnrey ſeyn; folglich habe er einen dreyfachen Beruf zu ſeinem Amte. Wer nur einen ſolchen Dienſt ſu- che, zu dem er ſich ſchicke, der wuͤrde ſeinen Zweck nimmermehr erlangen. Ein Kutſcher koͤnne ein Amtmann, ein Amtmann Superintendent, ein Su- perintendent hingegen ein Geldmaͤkler, und folg- lich dieſer gar leicht ein Capellan werden. Er habe eine gute Lunge; er koͤnne ſchmaͤlen, und mit ſeinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/256
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/256>, abgerufen am 18.05.2024.