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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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von Nicolaus Klimen.
vorgestanden hat. Dem ungeachtet glaubte er,
der Traum seiner Mutter sey erfüllt; denn ein re-
gierender Bürgermeister habe höchstens nur über
Hals und Hand die Gewalt, ein Schulmeister hin-
gegen herrsche mit unumschränkter Macht über den
ganzen Körper seiner Schulkinder.

Veit Seghersell, war aus einem adlichen
Geschlechte, und ein Todfeind aller Hasen und
Füchse. Mit Hunden und Pferden gieng er um,
als mit seines gleichen, und liebte ihre Gesellschaft
am meisten, weil er unter ihnen die vernünftigste
Creatur war. Aus den Umgange mit Menschen
machte er sich nicht viel; denn sie redeten allemal
von Sachen, die er nicht verstund. Mit der Bibel
konnte er sich gar nicht behelfen, desto besser aber
mit dem Erbregister, welches seine Bauern nach-
drücklich erfahren haben. Auf dem Nimrod hielt
er große Stücke, weil ihm sein Pfarrer gesagt hat-
te, er würde ein gewaltiger Jäger genannt, er woll-
te sich es auch nicht ausreden lassen, daß dieser
Nimrod ein Landedelmann in Assyrien gewesen
wäre. Um die Geschichte auswärtiger Völ-
ker und seines Vaterlandes bekümmerte er sich
nicht; doch hatte er ein vortreffliches Gedächtniß,
wenn er auf seine Ahnen zu reden kam. Einen
Bürger roch er auf zwanzig Schritte weit. Nichts
war ihm unbegreiflicher, als wenn er hörte, daß
ein Mann wegen seiner Tapferkeit, wegen seiner
Staatserfahrenheit, oder wegen andrer Verdienste,
die er dem Vaterlande erzeigt hatte, in den Adel-
stand erhoben ward; denn er sagte, wenn solche

Ver-
M 3

von Nicolaus Klimen.
vorgeſtanden hat. Dem ungeachtet glaubte er,
der Traum ſeiner Mutter ſey erfuͤllt; denn ein re-
gierender Buͤrgermeiſter habe hoͤchſtens nur uͤber
Hals und Hand die Gewalt, ein Schulmeiſter hin-
gegen herrſche mit unumſchraͤnkter Macht uͤber den
ganzen Koͤrper ſeiner Schulkinder.

Veit Segherſell, war aus einem adlichen
Geſchlechte, und ein Todfeind aller Haſen und
Fuͤchſe. Mit Hunden und Pferden gieng er um,
als mit ſeines gleichen, und liebte ihre Geſellſchaft
am meiſten, weil er unter ihnen die vernuͤnftigſte
Creatur war. Aus den Umgange mit Menſchen
machte er ſich nicht viel; denn ſie redeten allemal
von Sachen, die er nicht verſtund. Mit der Bibel
konnte er ſich gar nicht behelfen, deſto beſſer aber
mit dem Erbregiſter, welches ſeine Bauern nach-
druͤcklich erfahren haben. Auf dem Nimrod hielt
er große Stuͤcke, weil ihm ſein Pfarrer geſagt hat-
te, er wuͤrde ein gewaltiger Jaͤger genannt, er woll-
te ſich es auch nicht ausreden laſſen, daß dieſer
Nimrod ein Landedelmann in Aſſyrien geweſen
waͤre. Um die Geſchichte auswaͤrtiger Voͤl-
ker und ſeines Vaterlandes bekuͤmmerte er ſich
nicht; doch hatte er ein vortreffliches Gedaͤchtniß,
wenn er auf ſeine Ahnen zu reden kam. Einen
Buͤrger roch er auf zwanzig Schritte weit. Nichts
war ihm unbegreiflicher, als wenn er hoͤrte, daß
ein Mann wegen ſeiner Tapferkeit, wegen ſeiner
Staatserfahrenheit, oder wegen andrer Verdienſte,
die er dem Vaterlande erzeigt hatte, in den Adel-
ſtand erhoben ward; denn er ſagte, wenn ſolche

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M 3
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[181/0255] von Nicolaus Klimen. vorgeſtanden hat. Dem ungeachtet glaubte er, der Traum ſeiner Mutter ſey erfuͤllt; denn ein re- gierender Buͤrgermeiſter habe hoͤchſtens nur uͤber Hals und Hand die Gewalt, ein Schulmeiſter hin- gegen herrſche mit unumſchraͤnkter Macht uͤber den ganzen Koͤrper ſeiner Schulkinder. Veit Segherſell, war aus einem adlichen Geſchlechte, und ein Todfeind aller Haſen und Fuͤchſe. Mit Hunden und Pferden gieng er um, als mit ſeines gleichen, und liebte ihre Geſellſchaft am meiſten, weil er unter ihnen die vernuͤnftigſte Creatur war. Aus den Umgange mit Menſchen machte er ſich nicht viel; denn ſie redeten allemal von Sachen, die er nicht verſtund. Mit der Bibel konnte er ſich gar nicht behelfen, deſto beſſer aber mit dem Erbregiſter, welches ſeine Bauern nach- druͤcklich erfahren haben. Auf dem Nimrod hielt er große Stuͤcke, weil ihm ſein Pfarrer geſagt hat- te, er wuͤrde ein gewaltiger Jaͤger genannt, er woll- te ſich es auch nicht ausreden laſſen, daß dieſer Nimrod ein Landedelmann in Aſſyrien geweſen waͤre. Um die Geſchichte auswaͤrtiger Voͤl- ker und ſeines Vaterlandes bekuͤmmerte er ſich nicht; doch hatte er ein vortreffliches Gedaͤchtniß, wenn er auf ſeine Ahnen zu reden kam. Einen Buͤrger roch er auf zwanzig Schritte weit. Nichts war ihm unbegreiflicher, als wenn er hoͤrte, daß ein Mann wegen ſeiner Tapferkeit, wegen ſeiner Staatserfahrenheit, oder wegen andrer Verdienſte, die er dem Vaterlande erzeigt hatte, in den Adel- ſtand erhoben ward; denn er ſagte, wenn ſolche Ver- M 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/255>, abgerufen am 24.11.2024.