[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.der Jugend. Jst es wohl schwerer, die lateinische Sprache zu entwe-
der Jugend. Jſt es wohl ſchwerer, die lateiniſche Sprache zu entwe-
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der Jugend.
Jſt es wohl ſchwerer, die lateiniſche Sprache zu
erlernen, als die franzoͤſiſche, oder die deutſche? Das
kannſt du nicht ſagen. Wie alt biſt du geweſen,
als du deutſch reden konnteſt, und entſinnſt du dich
wohl, daß du ſchon im achten Jahre mit deiner
Franzoͤſinn zu plaudern vermoͤgend warſt? Der
Umgang, eine fleißige Uebung, und der Mangel ei-
ner verwirrten Methode und ekelhafter Regeln,
brachten dich ſo zeitlich zu dieſer Geſchicklichkeit.
Eben das verlange ich bey der lateiniſchen Sprache.
Wo findet man aber diejenigen, welche geſchickt ſind,
die Jugend auf ſolche Art zu unterweiſen? wie viele
giebt es nicht, die zwar wiſſen, wie ſie auf der Ca-
theder, aber nicht, wie ſie in der Kuͤche lateiniſch re-
den ſollen. Wir beide haben ſtudiert; wir laſſen
uns beide Gelehrte nennen, und dennoch ſollte es
uns ſchwer fallen, die gemeinſten Handlungen der
Menſchen auszudruͤcken. Jch gebe dieſes zu, mein
werther Herrmann; ich glaube aber, daß dein Ein-
wurf die Wahrheit meiner Meynung nicht wider-
legt, ſondern nur noch mehr bekraͤftigt. Waͤren
wir, waͤren andre in ihrer Jugend beſſer angefuͤhrt
worden: So wuͤrde es uns und andern an der Ge-
ſchicklichkeit nicht fehlen, welche man allerdings bey
wenigen antrifft. Unterdeſſen will ich dir doch ver-
ſchiedne aufweiſen, welche dieſe Geſchicklichkeit wirk-
lich beſitzen, noch mehrere aber, welche gar wohl faͤ-
hig waͤren, ſolche zu erlangen, wenn man nur ihre
Bemuͤhung durch billige Vergeltungen aufmunter-
te. Die Schuld faͤllt allemal auf die Aeltern zu-
ruͤck, welche die Art, ihre Kinder zu unterweiſen,
entwe-
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