[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.eines Märtyrers. eine tückische Art zu gewinnen, und mir Verbre-chen aufzubürden, an denen ich gar keine Schuld hatte. Jch sollte mich verantworten, und meine Fehler gestehen; ich behauptete aber, ich wäre unschuldig, meine Feinde wären Lügner, und meine Vorgesetzte geblendete und parteyische Richter. Dieses war Ursache genug, mich zu verdammen. Die Entsetzung von meinem Amte, die Entziehung meines wenigen Vermögens und ein achtjähriges Gefängniß waren die Belohnun- gen meiner offenherzigen Redlichkeit. Jch ward endlich freygelassen, und man legte mir auf, Stadt und Land zu räumen. Jch that es, und seit- dem ist es mir unmöglich gewesen, irgendswo mein Glücke zu finden; vielmehr sah ich mich ge- zwungen, den Rest meiner Jahre auf eine so niederträchtige Art hinzubringen, daß ich Be- denken trage, solches der Nachwelt wissen zu las- sen. Jch bin endlich nackend und bloß, ohne Freunde, in der äußersten Verachtung, jedoch zu meiner Beruhigung, als ein Märtyrer der Wahrheit, im Jahre - - - gestorben, und hat mich gleich die ganze Welt verabscheut, so bin ich doch mit mir selbst zufrieden gewesen. Der Lebenslauf dieses so genannten Märty- ner J 2
eines Maͤrtyrers. eine tuͤckiſche Art zu gewinnen, und mir Verbre-chen aufzubuͤrden, an denen ich gar keine Schuld hatte. Jch ſollte mich verantworten, und meine Fehler geſtehen; ich behauptete aber, ich waͤre unſchuldig, meine Feinde waͤren Luͤgner, und meine Vorgeſetzte geblendete und parteyiſche Richter. Dieſes war Urſache genug, mich zu verdammen. Die Entſetzung von meinem Amte, die Entziehung meines wenigen Vermoͤgens und ein achtjaͤhriges Gefaͤngniß waren die Belohnun- gen meiner offenherzigen Redlichkeit. Jch ward endlich freygelaſſen, und man legte mir auf, Stadt und Land zu raͤumen. Jch that es, und ſeit- dem iſt es mir unmoͤglich geweſen, irgendswo mein Gluͤcke zu finden; vielmehr ſah ich mich ge- zwungen, den Reſt meiner Jahre auf eine ſo niedertraͤchtige Art hinzubringen, daß ich Be- denken trage, ſolches der Nachwelt wiſſen zu laſ- ſen. Jch bin endlich nackend und bloß, ohne Freunde, in der aͤußerſten Verachtung, jedoch zu meiner Beruhigung, als ein Maͤrtyrer der Wahrheit, im Jahre ‒ ‒ ‒ geſtorben, und hat mich gleich die ganze Welt verabſcheut, ſo bin ich doch mit mir ſelbſt zufrieden geweſen. Der Lebenslauf dieſes ſo genannten Maͤrty- ner J 2
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eines Maͤrtyrers.
eine tuͤckiſche Art zu gewinnen, und mir Verbre-
chen aufzubuͤrden, an denen ich gar keine Schuld
hatte. Jch ſollte mich verantworten, und meine
Fehler geſtehen; ich behauptete aber, ich waͤre
unſchuldig, meine Feinde waͤren Luͤgner, und
meine Vorgeſetzte geblendete und parteyiſche
Richter. Dieſes war Urſache genug, mich zu
verdammen. Die Entſetzung von meinem Amte,
die Entziehung meines wenigen Vermoͤgens und
ein achtjaͤhriges Gefaͤngniß waren die Belohnun-
gen meiner offenherzigen Redlichkeit. Jch ward
endlich freygelaſſen, und man legte mir auf, Stadt
und Land zu raͤumen. Jch that es, und ſeit-
dem iſt es mir unmoͤglich geweſen, irgendswo
mein Gluͤcke zu finden; vielmehr ſah ich mich ge-
zwungen, den Reſt meiner Jahre auf eine ſo
niedertraͤchtige Art hinzubringen, daß ich Be-
denken trage, ſolches der Nachwelt wiſſen zu laſ-
ſen. Jch bin endlich nackend und bloß, ohne
Freunde, in der aͤußerſten Verachtung, jedoch
zu meiner Beruhigung, als ein Maͤrtyrer der
Wahrheit, im Jahre ‒ ‒ ‒ geſtorben, und hat
mich gleich die ganze Welt verabſcheut, ſo bin ich
doch mit mir ſelbſt zufrieden geweſen.
Der Lebenslauf dieſes ſo genannten Maͤrty-
rers der Wahrheit hat mir merkwuͤrdig zu ſeyn
geſchienen. Er iſt wirklich im Jahre 1738 in ſei-
ner
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