Mutter prügelte ihn so lange, bis er seinen Beruf erkannte, wobey er auch blieb, und im neun und funfzigsten Jahre seines Alters als Jnformator zu Dresden sanft und selig entschlief.
Jlgen Pape, ein Meistersänger und poßierli- cher Mann. Er hatte sehr hohe Absätze an seinen Schuhen, und gieng beständig, als wenn er im San- de wadete. Er schnaubte heftig, wenn er redete, und sang alles ab, was er sagte. Man hat ihn gar nicht lachen, wohl aber oftmals ohne Ursache weinen und zittern gesehen. Niemals war er vergnügter, als wenn es donnerte, und sah, ohne, daß es ihm etwas schadete, in den Blitz. Er starb an der Schwulst, und schrieb: das blinde Alter, oder: Tobias ein Trauerspiel.
Zacharias Pape, des vorigen Bruder, und auch ein Meistersänger, doch von jenem ganz unterschie- den. Er schminkte sich dergestalt, daß man niemals seine natürliche Farbe hat erfahren können. Die Hände wusch er sich in Rosenwasser, und kaute be- ständig süß Holz. Sein Wamms war mit Knö- pfen von buntem Glase besetzt, und an dem Halse trug er ein ordentliches Pferdegeläute. Jn Nürnberg war er unter eine Bande Gaukler gerathen; diese hat- ten ihn gelehrt, wie er seine Glieder auf eine erstau- nende Weise ausdehnen, in einem Augenblicke aber wieder zusammen ziehen konnte, daß er nicht größer war, als ein Jgel. Er war sehr ungesund, und hatte immerzu Anfälle vom hitzigen Fieber. Seine Gedich- te sind zusammengedruckt unter dem Titel: Canicu-
lares.
Ein Auszug aus der Chronike
Mutter pruͤgelte ihn ſo lange, bis er ſeinen Beruf erkannte, wobey er auch blieb, und im neun und funfzigſten Jahre ſeines Alters als Jnformator zu Dresden ſanft und ſelig entſchlief.
Jlgen Pape, ein Meiſterſaͤnger und poßierli- cher Mann. Er hatte ſehr hohe Abſaͤtze an ſeinen Schuhen, und gieng beſtaͤndig, als wenn er im San- de wadete. Er ſchnaubte heftig, wenn er redete, und ſang alles ab, was er ſagte. Man hat ihn gar nicht lachen, wohl aber oftmals ohne Urſache weinen und zittern geſehen. Niemals war er vergnuͤgter, als wenn es donnerte, und ſah, ohne, daß es ihm etwas ſchadete, in den Blitz. Er ſtarb an der Schwulſt, und ſchrieb: das blinde Alter, oder: Tobias ein Trauerſpiel.
Zacharias Pape, des vorigen Bruder, und auch ein Meiſterſaͤnger, doch von jenem ganz unterſchie- den. Er ſchminkte ſich dergeſtalt, daß man niemals ſeine natuͤrliche Farbe hat erfahren koͤnnen. Die Haͤnde wuſch er ſich in Roſenwaſſer, und kaute be- ſtaͤndig ſuͤß Holz. Sein Wamms war mit Knoͤ- pfen von buntem Glaſe beſetzt, und an dem Halſe trug er ein ordentliches Pferdegelaͤute. Jn Nuͤrnberg war er unter eine Bande Gaukler gerathen; dieſe hat- ten ihn gelehrt, wie er ſeine Glieder auf eine erſtau- nende Weiſe ausdehnen, in einem Augenblicke aber wieder zuſammen ziehen konnte, daß er nicht groͤßer war, als ein Jgel. Er war ſehr ungeſund, und hatte immerzu Anfaͤlle vom hitzigen Fieber. Seine Gedich- te ſind zuſammengedruckt unter dem Titel: Canicu-
lares.
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Ein Auszug aus der Chronike
Mutter pruͤgelte ihn ſo lange, bis er ſeinen Beruf
erkannte, wobey er auch blieb, und im neun und
funfzigſten Jahre ſeines Alters als Jnformator zu
Dresden ſanft und ſelig entſchlief.
Jlgen Pape, ein Meiſterſaͤnger und poßierli-
cher Mann. Er hatte ſehr hohe Abſaͤtze an ſeinen
Schuhen, und gieng beſtaͤndig, als wenn er im San-
de wadete. Er ſchnaubte heftig, wenn er redete, und
ſang alles ab, was er ſagte. Man hat ihn gar nicht
lachen, wohl aber oftmals ohne Urſache weinen und
zittern geſehen. Niemals war er vergnuͤgter, als
wenn es donnerte, und ſah, ohne, daß es ihm etwas
ſchadete, in den Blitz. Er ſtarb an der Schwulſt,
und ſchrieb: das blinde Alter, oder: Tobias ein
Trauerſpiel.
Zacharias Pape, des vorigen Bruder, und auch
ein Meiſterſaͤnger, doch von jenem ganz unterſchie-
den. Er ſchminkte ſich dergeſtalt, daß man niemals
ſeine natuͤrliche Farbe hat erfahren koͤnnen. Die
Haͤnde wuſch er ſich in Roſenwaſſer, und kaute be-
ſtaͤndig ſuͤß Holz. Sein Wamms war mit Knoͤ-
pfen von buntem Glaſe beſetzt, und an dem Halſe trug
er ein ordentliches Pferdegelaͤute. Jn Nuͤrnberg
war er unter eine Bande Gaukler gerathen; dieſe hat-
ten ihn gelehrt, wie er ſeine Glieder auf eine erſtau-
nende Weiſe ausdehnen, in einem Augenblicke aber
wieder zuſammen ziehen konnte, daß er nicht groͤßer
war, als ein Jgel. Er war ſehr ungeſund, und hatte
immerzu Anfaͤlle vom hitzigen Fieber. Seine Gedich-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/178>, abgerufen am 16.07.2024.
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