Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite




Mein herannahendes Alter, und die eigne Er-
fahrung werden mich hinlänglich rechtferti-
gen, da ich mir vorgenommen habe, auf die
bösen Männer eine Lobschrift zu machen. Der Spie-
gel erinnert mich, daß es Zeit sey, ernsthaft zu werden.
Hat man mir in meinen jungen Jahren mit Vergnü-
gen zugehört, wenn ich die unschuldigsten Handlun-
gen der Mannspersonen auf eine boshafte Art beur-
theilte: So wird man sich gegenwärtige Schrift, als
eine öffentliche Ehrenerklärung gefallen lassen; da
ich mir die Gewalt anthue, und diejenigen lobe, von
denen vielleicht die meisten meiner Mitschwestern
glauben, daß sie es am wenigsten verdienen. Ein
zwanzigjähriger Ehestand hat mich die Vortrefflich-
keit der bösen Männer einsehen gelehrt; und mein
Beweis muß überzeugend seyn, weil ich nichts rede,
als was ich selbst erfahren habe. Diese Gründe
scheinen mir wichtig genug zu seyn; und ich bin ver-
sichert, daß der Beruf desjenigen weisen Mundes,
welcher vor einiger Zeit auf die bösen Weiber eine
Lobrede gehalten hat, wenigstens nicht stärker gewe-
sen ist, als der meinige.

Noch etwas muß ich im Voraus erinnern. Fehlt
gegenwärtiger Abhandlung die Deutlichkeit, das
Feuer, und die Ordnung im Vortrage: So bedenke
man nur, daß sie ein Frauenzimmer geschrieben, ein
Frauenzimmer, welches das Vorurtheil des Vaters
nur in der Küche erzogen, und dem die kluge Vor-
sicht eines bösen Mannes alle Mittel benommen,

deut-




Mein herannahendes Alter, und die eigne Er-
fahrung werden mich hinlaͤnglich rechtferti-
gen, da ich mir vorgenommen habe, auf die
boͤſen Maͤnner eine Lobſchrift zu machen. Der Spie-
gel erinnert mich, daß es Zeit ſey, ernſthaft zu werden.
Hat man mir in meinen jungen Jahren mit Vergnuͤ-
gen zugehoͤrt, wenn ich die unſchuldigſten Handlun-
gen der Mannsperſonen auf eine boshafte Art beur-
theilte: So wird man ſich gegenwaͤrtige Schrift, als
eine oͤffentliche Ehrenerklaͤrung gefallen laſſen; da
ich mir die Gewalt anthue, und diejenigen lobe, von
denen vielleicht die meiſten meiner Mitſchweſtern
glauben, daß ſie es am wenigſten verdienen. Ein
zwanzigjaͤhriger Eheſtand hat mich die Vortrefflich-
keit der boͤſen Maͤnner einſehen gelehrt; und mein
Beweis muß uͤberzeugend ſeyn, weil ich nichts rede,
als was ich ſelbſt erfahren habe. Dieſe Gruͤnde
ſcheinen mir wichtig genug zu ſeyn; und ich bin ver-
ſichert, daß der Beruf desjenigen weiſen Mundes,
welcher vor einiger Zeit auf die boͤſen Weiber eine
Lobrede gehalten hat, wenigſtens nicht ſtaͤrker gewe-
ſen iſt, als der meinige.

Noch etwas muß ich im Voraus erinnern. Fehlt
gegenwaͤrtiger Abhandlung die Deutlichkeit, das
Feuer, und die Ordnung im Vortrage: So bedenke
man nur, daß ſie ein Frauenzimmer geſchrieben, ein
Frauenzimmer, welches das Vorurtheil des Vaters
nur in der Kuͤche erzogen, und dem die kluge Vor-
ſicht eines boͤſen Mannes alle Mittel benommen,

deut-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0135" n="61"/>
        <fw place="top" type="header">
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </fw>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>ein herannahendes Alter, und die eigne Er-<lb/>
fahrung werden mich hinla&#x0364;nglich rechtferti-<lb/>
gen, da ich mir vorgenommen habe, auf die<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en Ma&#x0364;nner eine Lob&#x017F;chrift zu machen. Der Spie-<lb/>
gel erinnert mich, daß es Zeit &#x017F;ey, ern&#x017F;thaft zu werden.<lb/>
Hat man mir in meinen jungen Jahren mit Vergnu&#x0364;-<lb/>
gen zugeho&#x0364;rt, wenn ich die un&#x017F;chuldig&#x017F;ten Handlun-<lb/>
gen der Mannsper&#x017F;onen auf eine boshafte Art beur-<lb/>
theilte: So wird man &#x017F;ich gegenwa&#x0364;rtige Schrift, als<lb/>
eine o&#x0364;ffentliche Ehrenerkla&#x0364;rung gefallen la&#x017F;&#x017F;en; da<lb/>
ich mir die Gewalt anthue, und diejenigen lobe, von<lb/>
denen vielleicht die mei&#x017F;ten meiner Mit&#x017F;chwe&#x017F;tern<lb/>
glauben, daß &#x017F;ie es am wenig&#x017F;ten verdienen. Ein<lb/>
zwanzigja&#x0364;hriger Ehe&#x017F;tand hat mich die Vortrefflich-<lb/>
keit der bo&#x0364;&#x017F;en Ma&#x0364;nner ein&#x017F;ehen gelehrt; und mein<lb/>
Beweis muß u&#x0364;berzeugend &#x017F;eyn, weil ich nichts rede,<lb/>
als was ich &#x017F;elb&#x017F;t erfahren habe. Die&#x017F;e Gru&#x0364;nde<lb/>
&#x017F;cheinen mir wichtig genug zu &#x017F;eyn; und ich bin ver-<lb/>
&#x017F;ichert, daß der Beruf desjenigen wei&#x017F;en Mundes,<lb/>
welcher vor einiger Zeit auf die bo&#x0364;&#x017F;en Weiber eine<lb/>
Lobrede gehalten hat, wenig&#x017F;tens nicht &#x017F;ta&#x0364;rker gewe-<lb/>
&#x017F;en i&#x017F;t, als der meinige.</p><lb/>
        <p>Noch etwas muß ich im Voraus erinnern. Fehlt<lb/>
gegenwa&#x0364;rtiger Abhandlung die Deutlichkeit, das<lb/>
Feuer, und die Ordnung im Vortrage: So bedenke<lb/>
man nur, daß &#x017F;ie ein Frauenzimmer ge&#x017F;chrieben, ein<lb/>
Frauenzimmer, welches das Vorurtheil des Vaters<lb/>
nur in der Ku&#x0364;che erzogen, und dem die kluge Vor-<lb/>
&#x017F;icht eines bo&#x0364;&#x017F;en Mannes alle Mittel benommen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">deut-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0135] Mein herannahendes Alter, und die eigne Er- fahrung werden mich hinlaͤnglich rechtferti- gen, da ich mir vorgenommen habe, auf die boͤſen Maͤnner eine Lobſchrift zu machen. Der Spie- gel erinnert mich, daß es Zeit ſey, ernſthaft zu werden. Hat man mir in meinen jungen Jahren mit Vergnuͤ- gen zugehoͤrt, wenn ich die unſchuldigſten Handlun- gen der Mannsperſonen auf eine boshafte Art beur- theilte: So wird man ſich gegenwaͤrtige Schrift, als eine oͤffentliche Ehrenerklaͤrung gefallen laſſen; da ich mir die Gewalt anthue, und diejenigen lobe, von denen vielleicht die meiſten meiner Mitſchweſtern glauben, daß ſie es am wenigſten verdienen. Ein zwanzigjaͤhriger Eheſtand hat mich die Vortrefflich- keit der boͤſen Maͤnner einſehen gelehrt; und mein Beweis muß uͤberzeugend ſeyn, weil ich nichts rede, als was ich ſelbſt erfahren habe. Dieſe Gruͤnde ſcheinen mir wichtig genug zu ſeyn; und ich bin ver- ſichert, daß der Beruf desjenigen weiſen Mundes, welcher vor einiger Zeit auf die boͤſen Weiber eine Lobrede gehalten hat, wenigſtens nicht ſtaͤrker gewe- ſen iſt, als der meinige. Noch etwas muß ich im Voraus erinnern. Fehlt gegenwaͤrtiger Abhandlung die Deutlichkeit, das Feuer, und die Ordnung im Vortrage: So bedenke man nur, daß ſie ein Frauenzimmer geſchrieben, ein Frauenzimmer, welches das Vorurtheil des Vaters nur in der Kuͤche erzogen, und dem die kluge Vor- ſicht eines boͤſen Mannes alle Mittel benommen, deut-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/135
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/135>, abgerufen am 18.05.2024.