Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
Lobschrift auf Amouretten,

Die Mäßigkeit, welche sie beobachtet, ist merk-
würdig. Sie frißt nicht mehr, als ihr gut ist, und
säuft nicht eher, als wenn sie durstet. Nur darin-
nen ist sie den Menschen ähnlich, daß sie eine Liebha-
berinn vom Caffee ist.

Dieses sind die vornehmsten Tugenden, welche
meine Amourette zieren. Es ist kein Zweifel, daß
sie deren nicht noch mehr besitzen sollte. Allein, sie
macht so wenig Rühmens von sich selbst, daß ich
befürchte, ich würde ihre Sittsamkeit beleidigen,
wenn ich sie weiter lobte.

Jch will unpartheyisch seyn. Jch will auch
dasjenige von ihr anführen, was Uebelgesinnte für
Fehler auslegen wollen. Zugleich aber werde ich
zeigen, daß es Verleumdungen sind.

Man wirft ihr vor, sie schlafe zu lange; sie liege
beständig im Bette. Jst denn dieses ein Fehler?
Jst es nicht vielmehr ein untrügliches Zeugniß, daß
sie, wenigstens von väterlicher Seite, aus einem vor-
nehmen Hause sey?

Sie soll verliebt seyn. Man will unschuldige
Kleinigkeiten beobachtet haben, aus welchen die Lä-
sterzungen ganze Romane machen. Es geschieht
ihr zu viel. Zwar zu gewissen Zeiten empfindet sie
einige verliebte Schwachheiten: Aber, ein kleiner
Zwang, und noch mehr ein freundliches Zureden,
ist vermögend, sie von allen Unordnungen abzuhal-
ten. Alsdann ist man erst tugendhaft, wenn man
einen Trieb, zu fehlen, empfindet, wenn man Gele-
genheit hat, solchen zu befriedigen, beides aber groß-
müthig überwindet.

Sie
Lobſchrift auf Amouretten,

Die Maͤßigkeit, welche ſie beobachtet, iſt merk-
wuͤrdig. Sie frißt nicht mehr, als ihr gut iſt, und
ſaͤuft nicht eher, als wenn ſie durſtet. Nur darin-
nen iſt ſie den Menſchen aͤhnlich, daß ſie eine Liebha-
berinn vom Caffee iſt.

Dieſes ſind die vornehmſten Tugenden, welche
meine Amourette zieren. Es iſt kein Zweifel, daß
ſie deren nicht noch mehr beſitzen ſollte. Allein, ſie
macht ſo wenig Ruͤhmens von ſich ſelbſt, daß ich
befuͤrchte, ich wuͤrde ihre Sittſamkeit beleidigen,
wenn ich ſie weiter lobte.

Jch will unpartheyiſch ſeyn. Jch will auch
dasjenige von ihr anfuͤhren, was Uebelgeſinnte fuͤr
Fehler auslegen wollen. Zugleich aber werde ich
zeigen, daß es Verleumdungen ſind.

Man wirft ihr vor, ſie ſchlafe zu lange; ſie liege
beſtaͤndig im Bette. Jſt denn dieſes ein Fehler?
Jſt es nicht vielmehr ein untruͤgliches Zeugniß, daß
ſie, wenigſtens von vaͤterlicher Seite, aus einem vor-
nehmen Hauſe ſey?

Sie ſoll verliebt ſeyn. Man will unſchuldige
Kleinigkeiten beobachtet haben, aus welchen die Laͤ-
ſterzungen ganze Romane machen. Es geſchieht
ihr zu viel. Zwar zu gewiſſen Zeiten empfindet ſie
einige verliebte Schwachheiten: Aber, ein kleiner
Zwang, und noch mehr ein freundliches Zureden,
iſt vermoͤgend, ſie von allen Unordnungen abzuhal-
ten. Alsdann iſt man erſt tugendhaft, wenn man
einen Trieb, zu fehlen, empfindet, wenn man Gele-
genheit hat, ſolchen zu befriedigen, beides aber groß-
muͤthig uͤberwindet.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0130" n="56"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Lob&#x017F;chrift auf Amouretten,</hi> </fw><lb/>
        <p>Die Ma&#x0364;ßigkeit, welche &#x017F;ie beobachtet, i&#x017F;t merk-<lb/>
wu&#x0364;rdig. Sie frißt nicht mehr, als ihr gut i&#x017F;t, und<lb/>
&#x017F;a&#x0364;uft nicht eher, als wenn &#x017F;ie dur&#x017F;tet. Nur darin-<lb/>
nen i&#x017F;t &#x017F;ie den Men&#x017F;chen a&#x0364;hnlich, daß &#x017F;ie eine Liebha-<lb/>
berinn vom Caffee i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es &#x017F;ind die vornehm&#x017F;ten Tugenden, welche<lb/>
meine Amourette zieren. Es i&#x017F;t kein Zweifel, daß<lb/>
&#x017F;ie deren nicht noch mehr be&#x017F;itzen &#x017F;ollte. Allein, &#x017F;ie<lb/>
macht &#x017F;o wenig Ru&#x0364;hmens von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, daß ich<lb/>
befu&#x0364;rchte, ich wu&#x0364;rde ihre Sitt&#x017F;amkeit beleidigen,<lb/>
wenn ich &#x017F;ie weiter lobte.</p><lb/>
        <p>Jch will unpartheyi&#x017F;ch &#x017F;eyn. Jch will auch<lb/>
dasjenige von ihr anfu&#x0364;hren, was Uebelge&#x017F;innte fu&#x0364;r<lb/>
Fehler auslegen wollen. Zugleich aber werde ich<lb/>
zeigen, daß es Verleumdungen &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Man wirft ihr vor, &#x017F;ie &#x017F;chlafe zu lange; &#x017F;ie liege<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig im Bette. J&#x017F;t denn die&#x017F;es ein Fehler?<lb/>
J&#x017F;t es nicht vielmehr ein untru&#x0364;gliches Zeugniß, daß<lb/>
&#x017F;ie, wenig&#x017F;tens von va&#x0364;terlicher Seite, aus einem vor-<lb/>
nehmen Hau&#x017F;e &#x017F;ey?</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;oll verliebt &#x017F;eyn. Man will un&#x017F;chuldige<lb/>
Kleinigkeiten beobachtet haben, aus welchen die La&#x0364;-<lb/>
&#x017F;terzungen ganze Romane machen. Es ge&#x017F;chieht<lb/>
ihr zu viel. Zwar zu gewi&#x017F;&#x017F;en Zeiten empfindet &#x017F;ie<lb/>
einige verliebte Schwachheiten: Aber, ein kleiner<lb/>
Zwang, und noch mehr ein freundliches Zureden,<lb/>
i&#x017F;t vermo&#x0364;gend, &#x017F;ie von allen Unordnungen abzuhal-<lb/>
ten. Alsdann i&#x017F;t man er&#x017F;t tugendhaft, wenn man<lb/>
einen Trieb, zu fehlen, empfindet, wenn man Gele-<lb/>
genheit hat, &#x017F;olchen zu befriedigen, beides aber groß-<lb/>
mu&#x0364;thig u&#x0364;berwindet.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0130] Lobſchrift auf Amouretten, Die Maͤßigkeit, welche ſie beobachtet, iſt merk- wuͤrdig. Sie frißt nicht mehr, als ihr gut iſt, und ſaͤuft nicht eher, als wenn ſie durſtet. Nur darin- nen iſt ſie den Menſchen aͤhnlich, daß ſie eine Liebha- berinn vom Caffee iſt. Dieſes ſind die vornehmſten Tugenden, welche meine Amourette zieren. Es iſt kein Zweifel, daß ſie deren nicht noch mehr beſitzen ſollte. Allein, ſie macht ſo wenig Ruͤhmens von ſich ſelbſt, daß ich befuͤrchte, ich wuͤrde ihre Sittſamkeit beleidigen, wenn ich ſie weiter lobte. Jch will unpartheyiſch ſeyn. Jch will auch dasjenige von ihr anfuͤhren, was Uebelgeſinnte fuͤr Fehler auslegen wollen. Zugleich aber werde ich zeigen, daß es Verleumdungen ſind. Man wirft ihr vor, ſie ſchlafe zu lange; ſie liege beſtaͤndig im Bette. Jſt denn dieſes ein Fehler? Jſt es nicht vielmehr ein untruͤgliches Zeugniß, daß ſie, wenigſtens von vaͤterlicher Seite, aus einem vor- nehmen Hauſe ſey? Sie ſoll verliebt ſeyn. Man will unſchuldige Kleinigkeiten beobachtet haben, aus welchen die Laͤ- ſterzungen ganze Romane machen. Es geſchieht ihr zu viel. Zwar zu gewiſſen Zeiten empfindet ſie einige verliebte Schwachheiten: Aber, ein kleiner Zwang, und noch mehr ein freundliches Zureden, iſt vermoͤgend, ſie von allen Unordnungen abzuhal- ten. Alsdann iſt man erſt tugendhaft, wenn man einen Trieb, zu fehlen, empfindet, wenn man Gele- genheit hat, ſolchen zu befriedigen, beides aber groß- muͤthig uͤberwindet. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/130
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/130>, abgerufen am 22.11.2024.