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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Vorbericht.
würde ich in Gefahr seyn, von diesen unwissenden
Richtern für einen Verführer der Jugend gehalten
zu werden. Was soll man mit diesen Leuten an-
fangen? Man schicke sie wieder in Secunde! Da
mögen sie den Voßius lernen, und sich erklären las-
sen, was die Figur der Jronie heiße!

Nichts ist gemeiner, als die Frage: Wer hat
dir aber den Beruf gegeben, Satyren zu schreiben?
Das ist leicht zu beantworten. Sagt mir erst: Wer
hat euch den Beruf gegeben, mich zu fragen? Uns?
Die Begierde, dich von deinem sündlichen
Vorhaben abzuziehen; das Verlangen, die
Unschuld deinen bittern Spöttereyen zu entreis-
sen; mit einem Worte, die allgemeine Men-
schenliebe: Jst dieses nicht Beruf genug?
Gut!
Und eben diese allgemeine Menschenliebe ist auch
mein Beruf, Satyren zu schreiben. Die Laster zu
schrecken, die lächerlichen Fehler den Menschen ver-
ächtlich vorzustellen, vernünftige Bürger zu schaffen,
alle Welt mit mir glücklich zu machen; sind euch
diese Ursachen nicht wichtig genug? Brauche ich
dazu eine schriftliche Vocation? Jch werde mich
weiter verantworten, wenn man eben diese Frage
an alle diejenigen thut, welche Bücher schreiben.

Daß

Vorbericht.
wuͤrde ich in Gefahr ſeyn, von dieſen unwiſſenden
Richtern fuͤr einen Verfuͤhrer der Jugend gehalten
zu werden. Was ſoll man mit dieſen Leuten an-
fangen? Man ſchicke ſie wieder in Secunde! Da
moͤgen ſie den Voßius lernen, und ſich erklaͤren laſ-
ſen, was die Figur der Jronie heiße!

Nichts iſt gemeiner, als die Frage: Wer hat
dir aber den Beruf gegeben, Satyren zu ſchreiben?
Das iſt leicht zu beantworten. Sagt mir erſt: Wer
hat euch den Beruf gegeben, mich zu fragen? Uns?
Die Begierde, dich von deinem ſuͤndlichen
Vorhaben abzuziehen; das Verlangen, die
Unſchuld deinen bittern Spoͤttereyen zu entreiſ-
ſen; mit einem Worte, die allgemeine Men-
ſchenliebe: Jſt dieſes nicht Beruf genug?
Gut!
Und eben dieſe allgemeine Menſchenliebe iſt auch
mein Beruf, Satyren zu ſchreiben. Die Laſter zu
ſchrecken, die laͤcherlichen Fehler den Menſchen ver-
aͤchtlich vorzuſtellen, vernuͤnftige Buͤrger zu ſchaffen,
alle Welt mit mir gluͤcklich zu machen; ſind euch
dieſe Urſachen nicht wichtig genug? Brauche ich
dazu eine ſchriftliche Vocation? Jch werde mich
weiter verantworten, wenn man eben dieſe Frage
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[12/0012] Vorbericht. wuͤrde ich in Gefahr ſeyn, von dieſen unwiſſenden Richtern fuͤr einen Verfuͤhrer der Jugend gehalten zu werden. Was ſoll man mit dieſen Leuten an- fangen? Man ſchicke ſie wieder in Secunde! Da moͤgen ſie den Voßius lernen, und ſich erklaͤren laſ- ſen, was die Figur der Jronie heiße! Nichts iſt gemeiner, als die Frage: Wer hat dir aber den Beruf gegeben, Satyren zu ſchreiben? Das iſt leicht zu beantworten. Sagt mir erſt: Wer hat euch den Beruf gegeben, mich zu fragen? Uns? Die Begierde, dich von deinem ſuͤndlichen Vorhaben abzuziehen; das Verlangen, die Unſchuld deinen bittern Spoͤttereyen zu entreiſ- ſen; mit einem Worte, die allgemeine Men- ſchenliebe: Jſt dieſes nicht Beruf genug? Gut! Und eben dieſe allgemeine Menſchenliebe iſt auch mein Beruf, Satyren zu ſchreiben. Die Laſter zu ſchrecken, die laͤcherlichen Fehler den Menſchen ver- aͤchtlich vorzuſtellen, vernuͤnftige Buͤrger zu ſchaffen, alle Welt mit mir gluͤcklich zu machen; ſind euch dieſe Urſachen nicht wichtig genug? Brauche ich dazu eine ſchriftliche Vocation? Jch werde mich weiter verantworten, wenn man eben dieſe Frage an alle diejenigen thut, welche Buͤcher ſchreiben. Daß

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/12>, abgerufen am 22.11.2024.