solchen Fahrt, so mit einem längst gegessenen und verdauten Schinken, und wenn auch in Burgunder, so eingehend noch einmal beschäftigen könne. Wir haben Deutsche, Niederländer, Engländer, Norweger, Dänen und Schweden, die ganze germanische Vettern- schaft, an Bord des Leonhard Hagebucher; aber sie würden mich Alle mehr für einen Narren, als einen mit ein wenig Weltverschönerungssinn begabten Teutonen nehmen, wenn ich heute Abend im Rauchsalon ihnen einige Seiten aus meinem diesmaligen Logbuch und Reisemanuskript, aus der Kriminalgeschichte Stopfkuchen vorlesen würde. Ich lasse das wohl bleiben; aber ich bleibe auch bei meinem Manuskript, wenn das Wetter und der Wogengang es erlauben. Ich bin eben oft genug im Leben zu Schiffe gewesen, um zu wissen was das Behaglichere ist auf einer längern Fahrt. Es ist eine große Täuschung, zu meinen, daß auf den großen Wassern alle Augenblicke etwas Merk- würdiges vorkomme, und daß eine germanische Reise- verwandtschaft immer ungemein humoristisch, gemüth- voll, feinfühlig und -- interessant sei. . . .
Nämlich den frischen Schinken in Burgunder und die gute Hühnersuppe fanden wir auf dem Mittagstisch; aber soweit sind wir ja wohl noch nicht. Wir sitzen noch hinter Stopfkuchens zweitem Früh- stück unter den alten Linden von der Quakatzenburg auf der rothen Schanze, Freund Heinrich Schaumann und ich, und der Eßtisch drinnen im Hause wird eben erst in die Mitte der Stube gezogen, um von Frau Tinchen und einer zweiten Magd derselben für das
ſolchen Fahrt, ſo mit einem längſt gegeſſenen und verdauten Schinken, und wenn auch in Burgunder, ſo eingehend noch einmal beſchäftigen könne. Wir haben Deutſche, Niederländer, Engländer, Norweger, Dänen und Schweden, die ganze germaniſche Vettern- ſchaft, an Bord des Leonhard Hagebucher; aber ſie würden mich Alle mehr für einen Narren, als einen mit ein wenig Weltverſchönerungsſinn begabten Teutonen nehmen, wenn ich heute Abend im Rauchſalon ihnen einige Seiten aus meinem diesmaligen Logbuch und Reiſemanuſkript, aus der Kriminalgeſchichte Stopfkuchen vorleſen würde. Ich laſſe das wohl bleiben; aber ich bleibe auch bei meinem Manuſkript, wenn das Wetter und der Wogengang es erlauben. Ich bin eben oft genug im Leben zu Schiffe geweſen, um zu wiſſen was das Behaglichere iſt auf einer längern Fahrt. Es iſt eine große Täuſchung, zu meinen, daß auf den großen Waſſern alle Augenblicke etwas Merk- würdiges vorkomme, und daß eine germaniſche Reiſe- verwandtſchaft immer ungemein humoriſtiſch, gemüth- voll, feinfühlig und — intereſſant ſei. . . .
Nämlich den friſchen Schinken in Burgunder und die gute Hühnerſuppe fanden wir auf dem Mittagstiſch; aber ſoweit ſind wir ja wohl noch nicht. Wir ſitzen noch hinter Stopfkuchens zweitem Früh- ſtück unter den alten Linden von der Quakatzenburg auf der rothen Schanze, Freund Heinrich Schaumann und ich, und der Eßtiſch drinnen im Hauſe wird eben erſt in die Mitte der Stube gezogen, um von Frau Tinchen und einer zweiten Magd derſelben für das
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0085"n="75"/>ſolchen Fahrt, ſo mit einem längſt gegeſſenen und<lb/>
verdauten Schinken, und wenn auch in Burgunder,<lb/>ſo eingehend noch einmal beſchäftigen könne. Wir<lb/>
haben Deutſche, Niederländer, Engländer, Norweger,<lb/>
Dänen und Schweden, die ganze germaniſche Vettern-<lb/>ſchaft, an Bord des Leonhard Hagebucher; aber ſie<lb/>
würden mich Alle mehr für einen Narren, als einen<lb/>
mit ein wenig Weltverſchönerungsſinn begabten<lb/>
Teutonen nehmen, wenn ich heute Abend im Rauchſalon<lb/>
ihnen einige Seiten aus meinem diesmaligen Logbuch<lb/>
und Reiſemanuſkript, aus der Kriminalgeſchichte<lb/>
Stopfkuchen vorleſen würde. Ich laſſe das wohl<lb/>
bleiben; aber ich bleibe auch bei meinem Manuſkript,<lb/>
wenn das Wetter und der Wogengang es erlauben.<lb/>
Ich bin eben oft genug im Leben zu Schiffe geweſen,<lb/>
um zu wiſſen was das Behaglichere iſt auf einer längern<lb/>
Fahrt. Es iſt eine große Täuſchung, zu meinen, daß<lb/>
auf den großen Waſſern alle Augenblicke etwas Merk-<lb/>
würdiges vorkomme, und daß eine germaniſche Reiſe-<lb/>
verwandtſchaft immer ungemein humoriſtiſch, gemüth-<lb/>
voll, feinfühlig und —<hirendition="#g">intereſſant</hi>ſei. . . .</p><lb/><p>Nämlich den friſchen Schinken in Burgunder<lb/>
und die gute Hühnerſuppe fanden wir auf dem<lb/>
Mittagstiſch; aber ſoweit ſind wir ja wohl noch nicht.<lb/>
Wir ſitzen noch hinter Stopfkuchens <hirendition="#g">zweitem</hi> Früh-<lb/>ſtück unter den alten Linden von der Quakatzenburg auf<lb/>
der rothen Schanze, Freund Heinrich Schaumann und<lb/>
ich, und der Eßtiſch drinnen im Hauſe wird eben<lb/>
erſt in die Mitte der Stube gezogen, um von Frau<lb/>
Tinchen und einer zweiten Magd derſelben für das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[75/0085]
ſolchen Fahrt, ſo mit einem längſt gegeſſenen und
verdauten Schinken, und wenn auch in Burgunder,
ſo eingehend noch einmal beſchäftigen könne. Wir
haben Deutſche, Niederländer, Engländer, Norweger,
Dänen und Schweden, die ganze germaniſche Vettern-
ſchaft, an Bord des Leonhard Hagebucher; aber ſie
würden mich Alle mehr für einen Narren, als einen
mit ein wenig Weltverſchönerungsſinn begabten
Teutonen nehmen, wenn ich heute Abend im Rauchſalon
ihnen einige Seiten aus meinem diesmaligen Logbuch
und Reiſemanuſkript, aus der Kriminalgeſchichte
Stopfkuchen vorleſen würde. Ich laſſe das wohl
bleiben; aber ich bleibe auch bei meinem Manuſkript,
wenn das Wetter und der Wogengang es erlauben.
Ich bin eben oft genug im Leben zu Schiffe geweſen,
um zu wiſſen was das Behaglichere iſt auf einer längern
Fahrt. Es iſt eine große Täuſchung, zu meinen, daß
auf den großen Waſſern alle Augenblicke etwas Merk-
würdiges vorkomme, und daß eine germaniſche Reiſe-
verwandtſchaft immer ungemein humoriſtiſch, gemüth-
voll, feinfühlig und — intereſſant ſei. . . .
Nämlich den friſchen Schinken in Burgunder
und die gute Hühnerſuppe fanden wir auf dem
Mittagstiſch; aber ſoweit ſind wir ja wohl noch nicht.
Wir ſitzen noch hinter Stopfkuchens zweitem Früh-
ſtück unter den alten Linden von der Quakatzenburg auf
der rothen Schanze, Freund Heinrich Schaumann und
ich, und der Eßtiſch drinnen im Hauſe wird eben
erſt in die Mitte der Stube gezogen, um von Frau
Tinchen und einer zweiten Magd derſelben für das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/85>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.