Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.Tinchen, den Papa und das Ingesinde ganz allein "Herr Eduard, er erzählt greulig; aber es ist Tinchen, den Papa und das Ingeſinde ganz allein „Herr Eduard, er erzählt greulig; aber es iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0200" n="190"/> Tinchen, den Papa und das Ingeſinde ganz allein<lb/> für mich. Kein Gott hatte ſich je in einer dichtern,<lb/> weißen Wolke dem Nachſtarren der Menſchheit ſo<lb/> entzogen als wie ich. Die Welt hatte fürs Erſte<lb/> Thauwetter abzuwarten, ehe ſie mich wiederbekam.<lb/> Nachher aber hatte ſie mich als die merkwürdigſte<lb/> Thatſache ſeit dem deutſch-franzöſiſchen Kriege; und<lb/> wochenlang war der hiſtoriſche Vorgang in der<lb/> Spiegelgallerie zu Verſailles garnichts gegen das<lb/> geſchichtliche Faktum: ‚der dicke Schaumann iſt Groß-<lb/> knecht auf der rothen Schanze geworden! Wer will,<lb/> kann hinausgehen und ihn im Februarſchmadder<lb/> Klüten treten ſehen und Quakatzens Hofgeſinde zu-<lb/> ſammenreißen hören!‘ — Und ſie gingen hin und<lb/> kamen und ſahen ſich fürs Erſte vorſichtig von Weitem<lb/> über den Graben des Prinzen Xaver das Phänomen,<lb/> das Portentum an. Nach Tinchen hatte beim Miſt-<lb/> auf- und abladen natürlich Niemand geguckt; aber<lb/> nach mir ſchauten ſie aus, und wenn ich jemals<lb/> einen Spaß in der Welt gehabt habe, ſo war's da-<lb/> mals, wo ich zum erſtenmal nicht bloß Geſchmack<lb/> ſondern auch Geſchick entwickelte.“</p><lb/> <p>„Herr Eduard, er erzählt greulig; aber es iſt<lb/> wirklich, wirklich ſo geweſen, wie er's auf ſeine alberne<lb/> Weiſe vorbringt!“ rief die Frau hier wieder drein.<lb/> „Er iſt unſer erſter und letzter Knecht geworden, als<lb/> ob er's von Ewigkeit an geweſen wäre; als ob ihn<lb/> nie mein ſeliger Vater hingeſchickt hätte, um ſein la-<lb/> teiniſches Wörterbuch zu holen. Es iſt ihm von der<lb/> Hand gegangen, als ob er von Jugend auf dabei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [190/0200]
Tinchen, den Papa und das Ingeſinde ganz allein
für mich. Kein Gott hatte ſich je in einer dichtern,
weißen Wolke dem Nachſtarren der Menſchheit ſo
entzogen als wie ich. Die Welt hatte fürs Erſte
Thauwetter abzuwarten, ehe ſie mich wiederbekam.
Nachher aber hatte ſie mich als die merkwürdigſte
Thatſache ſeit dem deutſch-franzöſiſchen Kriege; und
wochenlang war der hiſtoriſche Vorgang in der
Spiegelgallerie zu Verſailles garnichts gegen das
geſchichtliche Faktum: ‚der dicke Schaumann iſt Groß-
knecht auf der rothen Schanze geworden! Wer will,
kann hinausgehen und ihn im Februarſchmadder
Klüten treten ſehen und Quakatzens Hofgeſinde zu-
ſammenreißen hören!‘ — Und ſie gingen hin und
kamen und ſahen ſich fürs Erſte vorſichtig von Weitem
über den Graben des Prinzen Xaver das Phänomen,
das Portentum an. Nach Tinchen hatte beim Miſt-
auf- und abladen natürlich Niemand geguckt; aber
nach mir ſchauten ſie aus, und wenn ich jemals
einen Spaß in der Welt gehabt habe, ſo war's da-
mals, wo ich zum erſtenmal nicht bloß Geſchmack
ſondern auch Geſchick entwickelte.“
„Herr Eduard, er erzählt greulig; aber es iſt
wirklich, wirklich ſo geweſen, wie er's auf ſeine alberne
Weiſe vorbringt!“ rief die Frau hier wieder drein.
„Er iſt unſer erſter und letzter Knecht geworden, als
ob er's von Ewigkeit an geweſen wäre; als ob ihn
nie mein ſeliger Vater hingeſchickt hätte, um ſein la-
teiniſches Wörterbuch zu holen. Es iſt ihm von der
Hand gegangen, als ob er von Jugend auf dabei
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