Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

auf Deine rothe Schanze, den seligen Kienbaum und
Deinen Freund Quakatz einstudirt hast.' -- ,Was?'
frage ich. -- ,Nu, was ich sage, und worin mir die
andern Herren hier am Tische beistimmen werden:
so wie Du jetzt bist, können sie gerade jetzt Dich
wirklich vielleicht recht gut da brauchen. Vermißt
haben sie Dich da oben ja wohl lange genug.' --
O, wie der Mensch Recht hatte! nicht wahr, Valen-
tine Quakatz? Das ganze große Wort: Volkes
Stimme, Gottesstimme! hielt mir in ihm grinsend
das Gehörorgan hin, und ich konnte ihm nicht hinter
den Löffel schlagen. -- Wie, Valentinchen Quakatz?
Ich konnte dem Manne, der da für Tausende sprach,
nur freundschaftlichst näherrücken, die Allgemeinunter-
haltung abbrechen und mich noch eine Viertelstunde
ihm allein widmen, das heißt, ihn, und durch ihn
die Tausende hinter ihm gemüthlich ausfragen. Nachher
ging ich; aber nie vorher hatte ich mich und nie
nachher habe ich mich so fest auf den Beinen ge-
fühlt wie an jenem Abend als ich nun aus der
überheizten Kneipe, aus dem Bier-, Grog- und
Tabaksdunst in den wehenden Wintersturm hinaus
trat und die weichen Füße in den fußhohen Schnee
setzte. Willst Du genau erfahren, Eduard, was im
bürgerlichen Leben das Richtige ist, so frage nur beim
nächsten Spießbürger an. Der sagt es Dir schon!
Ich kann es natürlich nicht wissen, wie das bei euch
in Afrika ist, aber hier in Deutschland spricht man
immer dann nachher von Intuition, Führung von
Oben, Zuge des Herzens, Stimme des Schicksals,

auf Deine rothe Schanze, den ſeligen Kienbaum und
Deinen Freund Quakatz einſtudirt haſt.‘ — ‚Was?‘
frage ich. — ‚Nu, was ich ſage, und worin mir die
andern Herren hier am Tiſche beiſtimmen werden:
ſo wie Du jetzt biſt, können ſie gerade jetzt Dich
wirklich vielleicht recht gut da brauchen. Vermißt
haben ſie Dich da oben ja wohl lange genug.‘ —
O, wie der Menſch Recht hatte! nicht wahr, Valen-
tine Quakatz? Das ganze große Wort: Volkes
Stimme, Gottesſtimme! hielt mir in ihm grinſend
das Gehörorgan hin, und ich konnte ihm nicht hinter
den Löffel ſchlagen. — Wie, Valentinchen Quakatz?
Ich konnte dem Manne, der da für Tauſende ſprach,
nur freundſchaftlichſt näherrücken, die Allgemeinunter-
haltung abbrechen und mich noch eine Viertelſtunde
ihm allein widmen, das heißt, ihn, und durch ihn
die Tauſende hinter ihm gemüthlich ausfragen. Nachher
ging ich; aber nie vorher hatte ich mich und nie
nachher habe ich mich ſo feſt auf den Beinen ge-
fühlt wie an jenem Abend als ich nun aus der
überheizten Kneipe, aus dem Bier-, Grog- und
Tabaksdunſt in den wehenden Winterſturm hinaus
trat und die weichen Füße in den fußhohen Schnee
ſetzte. Willſt Du genau erfahren, Eduard, was im
bürgerlichen Leben das Richtige iſt, ſo frage nur beim
nächſten Spießbürger an. Der ſagt es Dir ſchon!
Ich kann es natürlich nicht wiſſen, wie das bei euch
in Afrika iſt, aber hier in Deutſchland ſpricht man
immer dann nachher von Intuition, Führung von
Oben, Zuge des Herzens, Stimme des Schickſals,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0193" n="183"/>
auf Deine rothe Schanze, den &#x017F;eligen Kienbaum und<lb/>
Deinen Freund Quakatz ein&#x017F;tudirt ha&#x017F;t.&#x2018; &#x2014; &#x201A;Was?&#x2018;<lb/>
frage ich. &#x2014; &#x201A;Nu, was ich &#x017F;age, und worin mir die<lb/>
andern Herren hier am Ti&#x017F;che bei&#x017F;timmen werden:<lb/>
&#x017F;o wie Du jetzt bi&#x017F;t, können &#x017F;ie gerade jetzt Dich<lb/>
wirklich vielleicht recht gut da brauchen. Vermißt<lb/>
haben &#x017F;ie Dich da oben ja wohl lange genug.&#x2018; &#x2014;<lb/>
O, wie der Men&#x017F;ch Recht hatte! nicht wahr, Valen-<lb/>
tine Quakatz? Das ganze große Wort: Volkes<lb/>
Stimme, Gottes&#x017F;timme! hielt mir in ihm grin&#x017F;end<lb/>
das Gehörorgan hin, und ich konnte ihm nicht hinter<lb/>
den Löffel &#x017F;chlagen. &#x2014; Wie, Valentinchen Quakatz?<lb/>
Ich konnte dem Manne, der da für Tau&#x017F;ende &#x017F;prach,<lb/>
nur freund&#x017F;chaftlich&#x017F;t näherrücken, die Allgemeinunter-<lb/>
haltung abbrechen und mich noch eine Viertel&#x017F;tunde<lb/>
ihm allein widmen, das heißt, ihn, und durch ihn<lb/>
die Tau&#x017F;ende hinter ihm gemüthlich ausfragen. Nachher<lb/>
ging ich; aber nie vorher hatte ich mich und nie<lb/>
nachher habe ich mich &#x017F;o fe&#x017F;t auf den Beinen ge-<lb/>
fühlt wie an jenem Abend als ich nun aus der<lb/>
überheizten Kneipe, aus dem Bier-, Grog- und<lb/>
Tabaksdun&#x017F;t in den wehenden Winter&#x017F;turm hinaus<lb/>
trat und die weichen Füße in den fußhohen Schnee<lb/>
&#x017F;etzte. Will&#x017F;t Du genau erfahren, Eduard, was im<lb/>
bürgerlichen Leben das Richtige i&#x017F;t, &#x017F;o frage nur beim<lb/>
näch&#x017F;ten Spießbürger an. Der &#x017F;agt es Dir &#x017F;chon!<lb/>
Ich kann es natürlich nicht wi&#x017F;&#x017F;en, wie das bei euch<lb/>
in Afrika i&#x017F;t, aber hier in Deut&#x017F;chland &#x017F;pricht man<lb/>
immer dann nachher von Intuition, Führung von<lb/>
Oben, Zuge des Herzens, Stimme des Schick&#x017F;als,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0193] auf Deine rothe Schanze, den ſeligen Kienbaum und Deinen Freund Quakatz einſtudirt haſt.‘ — ‚Was?‘ frage ich. — ‚Nu, was ich ſage, und worin mir die andern Herren hier am Tiſche beiſtimmen werden: ſo wie Du jetzt biſt, können ſie gerade jetzt Dich wirklich vielleicht recht gut da brauchen. Vermißt haben ſie Dich da oben ja wohl lange genug.‘ — O, wie der Menſch Recht hatte! nicht wahr, Valen- tine Quakatz? Das ganze große Wort: Volkes Stimme, Gottesſtimme! hielt mir in ihm grinſend das Gehörorgan hin, und ich konnte ihm nicht hinter den Löffel ſchlagen. — Wie, Valentinchen Quakatz? Ich konnte dem Manne, der da für Tauſende ſprach, nur freundſchaftlichſt näherrücken, die Allgemeinunter- haltung abbrechen und mich noch eine Viertelſtunde ihm allein widmen, das heißt, ihn, und durch ihn die Tauſende hinter ihm gemüthlich ausfragen. Nachher ging ich; aber nie vorher hatte ich mich und nie nachher habe ich mich ſo feſt auf den Beinen ge- fühlt wie an jenem Abend als ich nun aus der überheizten Kneipe, aus dem Bier-, Grog- und Tabaksdunſt in den wehenden Winterſturm hinaus trat und die weichen Füße in den fußhohen Schnee ſetzte. Willſt Du genau erfahren, Eduard, was im bürgerlichen Leben das Richtige iſt, ſo frage nur beim nächſten Spießbürger an. Der ſagt es Dir ſchon! Ich kann es natürlich nicht wiſſen, wie das bei euch in Afrika iſt, aber hier in Deutſchland ſpricht man immer dann nachher von Intuition, Führung von Oben, Zuge des Herzens, Stimme des Schickſals,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/193
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/193>, abgerufen am 18.05.2024.