Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

auf den Feldrain zum Abschiednehmen, da hatte sich
schon vieles hier verändert, und wo es zum Bessern
war, da war er, mein Mann -- Heinrich wirklich
sehr betheiligt. Wie er das auf seine närrische Weise
Ihnen ja auch bereits schon mitgetheilt hat. In dieser
Hinsicht braucht er freilich vor keinem Menschen was
zu verschweigen von uns, der rothen Schanze und
meinem armen seligen Vater."

"Ja, es ist eine reizende Gegend heute im
Sommergewande, Eduard," seufzte Stopfkuchen, mit
der Pfeifenspitze um den Horizont herumdeutend, als
ob er mir da etwas ganz Neues zeige. "Aber schön
war doch auch die Winternacht, in der ich hier auf
Quakatzenburg bei der verlorenen Tochter als ver-
lorener Sohn im Ernst an den Fensterladen klopfte!
was, Tinchen Quakatz? wie, kleine Mieze?"

"Heinrich, Heinrich, es ist ja Dein Busenfreund,
der Dich jetzt so ausführlich hierüber sprechen läßt,
und so will ich ihm zu liebe auf Deine spaßigen
Dummheiten nicht eingehen, sondern es auch ihm
sagen: wenn ich tausend Jahre alt würde, so könnte
ich doch die Nacht nicht vergessen. Ja, Herr Eduard,
es ist so wie er sagt. Und er ist ein viel klügerer
und gelehrterer Mensch als wie er sich stellt, und
mir gegenüber stellt er sich auch nur so an, weil er
weiß, daß wir von Anfang an zu einander gehören
und nicht ohne einander leben können. Glauben
Sie ihm ja nur nicht Alles was er an Dummheiten
vorbringt: er hat es selbst in den schlimmsten und
besten Augenblicken, die der Mensch auf dieser Erde

auf den Feldrain zum Abſchiednehmen, da hatte ſich
ſchon vieles hier verändert, und wo es zum Beſſern
war, da war er, mein Mann — Heinrich wirklich
ſehr betheiligt. Wie er das auf ſeine närriſche Weiſe
Ihnen ja auch bereits ſchon mitgetheilt hat. In dieſer
Hinſicht braucht er freilich vor keinem Menſchen was
zu verſchweigen von uns, der rothen Schanze und
meinem armen ſeligen Vater.“

„Ja, es iſt eine reizende Gegend heute im
Sommergewande, Eduard,“ ſeufzte Stopfkuchen, mit
der Pfeifenſpitze um den Horizont herumdeutend, als
ob er mir da etwas ganz Neues zeige. „Aber ſchön
war doch auch die Winternacht, in der ich hier auf
Quakatzenburg bei der verlorenen Tochter als ver-
lorener Sohn im Ernſt an den Fenſterladen klopfte!
was, Tinchen Quakatz? wie, kleine Mieze?“

„Heinrich, Heinrich, es iſt ja Dein Buſenfreund,
der Dich jetzt ſo ausführlich hierüber ſprechen läßt,
und ſo will ich ihm zu liebe auf Deine ſpaßigen
Dummheiten nicht eingehen, ſondern es auch ihm
ſagen: wenn ich tauſend Jahre alt würde, ſo könnte
ich doch die Nacht nicht vergeſſen. Ja, Herr Eduard,
es iſt ſo wie er ſagt. Und er iſt ein viel klügerer
und gelehrterer Menſch als wie er ſich ſtellt, und
mir gegenüber ſtellt er ſich auch nur ſo an, weil er
weiß, daß wir von Anfang an zu einander gehören
und nicht ohne einander leben können. Glauben
Sie ihm ja nur nicht Alles was er an Dummheiten
vorbringt: er hat es ſelbſt in den ſchlimmſten und
beſten Augenblicken, die der Menſch auf dieſer Erde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="167"/>
auf den Feldrain zum Ab&#x017F;chiednehmen, da hatte &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chon vieles hier verändert, und wo es zum Be&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
war, da war er, mein Mann &#x2014; Heinrich wirklich<lb/>
&#x017F;ehr betheiligt. Wie er das auf &#x017F;eine närri&#x017F;che Wei&#x017F;e<lb/>
Ihnen ja auch bereits &#x017F;chon mitgetheilt hat. In die&#x017F;er<lb/>
Hin&#x017F;icht braucht er freilich vor keinem Men&#x017F;chen was<lb/>
zu ver&#x017F;chweigen von uns, der rothen Schanze und<lb/>
meinem armen &#x017F;eligen Vater.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, es i&#x017F;t eine reizende Gegend heute im<lb/>
Sommergewande, Eduard,&#x201C; &#x017F;eufzte Stopfkuchen, mit<lb/>
der Pfeifen&#x017F;pitze um den Horizont herumdeutend, als<lb/>
ob er mir da etwas ganz Neues zeige. &#x201E;Aber &#x017F;chön<lb/>
war doch auch die Winternacht, in der ich hier auf<lb/>
Quakatzenburg bei der verlorenen Tochter als ver-<lb/>
lorener Sohn im Ern&#x017F;t an den Fen&#x017F;terladen klopfte!<lb/>
was, Tinchen Quakatz? wie, kleine Mieze?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Heinrich, Heinrich, es i&#x017F;t ja Dein Bu&#x017F;enfreund,<lb/>
der Dich jetzt &#x017F;o ausführlich hierüber &#x017F;prechen läßt,<lb/>
und &#x017F;o will ich ihm zu liebe auf Deine &#x017F;paßigen<lb/>
Dummheiten nicht eingehen, &#x017F;ondern es auch ihm<lb/>
&#x017F;agen: wenn ich tau&#x017F;end Jahre alt würde, &#x017F;o könnte<lb/>
ich doch die Nacht nicht verge&#x017F;&#x017F;en. Ja, Herr Eduard,<lb/>
es i&#x017F;t &#x017F;o wie er &#x017F;agt. Und er i&#x017F;t ein viel klügerer<lb/>
und gelehrterer Men&#x017F;ch als wie er &#x017F;ich &#x017F;tellt, und<lb/>
mir gegenüber &#x017F;tellt er &#x017F;ich auch nur &#x017F;o an, weil er<lb/>
weiß, daß wir von Anfang an zu einander gehören<lb/>
und nicht ohne einander leben können. Glauben<lb/>
Sie ihm ja nur nicht Alles was er an Dummheiten<lb/>
vorbringt: er hat es &#x017F;elb&#x017F;t in den &#x017F;chlimm&#x017F;ten und<lb/>
be&#x017F;ten Augenblicken, die der Men&#x017F;ch auf die&#x017F;er Erde<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0177] auf den Feldrain zum Abſchiednehmen, da hatte ſich ſchon vieles hier verändert, und wo es zum Beſſern war, da war er, mein Mann — Heinrich wirklich ſehr betheiligt. Wie er das auf ſeine närriſche Weiſe Ihnen ja auch bereits ſchon mitgetheilt hat. In dieſer Hinſicht braucht er freilich vor keinem Menſchen was zu verſchweigen von uns, der rothen Schanze und meinem armen ſeligen Vater.“ „Ja, es iſt eine reizende Gegend heute im Sommergewande, Eduard,“ ſeufzte Stopfkuchen, mit der Pfeifenſpitze um den Horizont herumdeutend, als ob er mir da etwas ganz Neues zeige. „Aber ſchön war doch auch die Winternacht, in der ich hier auf Quakatzenburg bei der verlorenen Tochter als ver- lorener Sohn im Ernſt an den Fenſterladen klopfte! was, Tinchen Quakatz? wie, kleine Mieze?“ „Heinrich, Heinrich, es iſt ja Dein Buſenfreund, der Dich jetzt ſo ausführlich hierüber ſprechen läßt, und ſo will ich ihm zu liebe auf Deine ſpaßigen Dummheiten nicht eingehen, ſondern es auch ihm ſagen: wenn ich tauſend Jahre alt würde, ſo könnte ich doch die Nacht nicht vergeſſen. Ja, Herr Eduard, es iſt ſo wie er ſagt. Und er iſt ein viel klügerer und gelehrterer Menſch als wie er ſich ſtellt, und mir gegenüber ſtellt er ſich auch nur ſo an, weil er weiß, daß wir von Anfang an zu einander gehören und nicht ohne einander leben können. Glauben Sie ihm ja nur nicht Alles was er an Dummheiten vorbringt: er hat es ſelbſt in den ſchlimmſten und beſten Augenblicken, die der Menſch auf dieſer Erde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/177
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/177>, abgerufen am 23.11.2024.