"Du!" sagte Frau Valentine, und zu mir sich wendend, fügte sie hinzu: "Es hilft uns nichts; wir müssen ihm seinen Willen und Weg lassen."
Wir ließen ihm seinen Willen und Weg, und er watschelte auf dem letzteren weiter, mit dem sichern Bewußtsein, uns in seiner Hand zu haben.
Erst stopfte er seine Pfeife von Neuem, dann seufzte er: "Da die Welt von ihm, dem Schanzen- bauer, nichts mehr wissen wollte, weil sie nicht genug von ihm herausgekriegt hatte; so suchte er, nach seinem angeborenen Menschenrecht, ohne sie auszukommen, so gut es ging. Eigentlich ging es schlecht, denn er steckte zu der Aufgabe weder in meiner Haut noch in meinem Gemüthe. Er war viel zu dürr und viel zu lebendig und viel zu gesellig dafür angelegt. Die Räthsel und die harten Nüsse kommen nur zu häufig an die Unrechten. Was hätte es mir Feistling ge- macht, unter dem Verdachte, Kienbaum todtgeschlagen zu haben, durch die Welt zu vegetiren? Garnichts! Oder die Sache würde sogar einen gewissen Glanz auf mich geworfen haben; denn die Welt würde sicherlich gesagt haben: ,I sieh mal! eigentlich sollte man es dem faulen Strick garnicht zutrauen, und zu dumm ist der Bengel im Grunde auch dazu.' Aber der Vater Quakatz? was blieb ihm übrig, um
W. Raabe. Stopfkuchen. 9
„Du!“ ſagte Frau Valentine, und zu mir ſich wendend, fügte ſie hinzu: „Es hilft uns nichts; wir müſſen ihm ſeinen Willen und Weg laſſen.“
Wir ließen ihm ſeinen Willen und Weg, und er watſchelte auf dem letzteren weiter, mit dem ſichern Bewußtſein, uns in ſeiner Hand zu haben.
Erſt ſtopfte er ſeine Pfeife von Neuem, dann ſeufzte er: „Da die Welt von ihm, dem Schanzen- bauer, nichts mehr wiſſen wollte, weil ſie nicht genug von ihm herausgekriegt hatte; ſo ſuchte er, nach ſeinem angeborenen Menſchenrecht, ohne ſie auszukommen, ſo gut es ging. Eigentlich ging es ſchlecht, denn er ſteckte zu der Aufgabe weder in meiner Haut noch in meinem Gemüthe. Er war viel zu dürr und viel zu lebendig und viel zu geſellig dafür angelegt. Die Räthſel und die harten Nüſſe kommen nur zu häufig an die Unrechten. Was hätte es mir Feiſtling ge- macht, unter dem Verdachte, Kienbaum todtgeſchlagen zu haben, durch die Welt zu vegetiren? Garnichts! Oder die Sache würde ſogar einen gewiſſen Glanz auf mich geworfen haben; denn die Welt würde ſicherlich geſagt haben: ‚I ſieh mal! eigentlich ſollte man es dem faulen Strick garnicht zutrauen, und zu dumm iſt der Bengel im Grunde auch dazu.‘ Aber der Vater Quakatz? was blieb ihm übrig, um
W. Raabe. Stopfkuchen. 9
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„Du!“ ſagte Frau Valentine, und zu mir ſich
wendend, fügte ſie hinzu: „Es hilft uns nichts; wir
müſſen ihm ſeinen Willen und Weg laſſen.“
Wir ließen ihm ſeinen Willen und Weg, und
er watſchelte auf dem letzteren weiter, mit dem ſichern
Bewußtſein, uns in ſeiner Hand zu haben.
Erſt ſtopfte er ſeine Pfeife von Neuem, dann
ſeufzte er: „Da die Welt von ihm, dem Schanzen-
bauer, nichts mehr wiſſen wollte, weil ſie nicht genug
von ihm herausgekriegt hatte; ſo ſuchte er, nach ſeinem
angeborenen Menſchenrecht, ohne ſie auszukommen,
ſo gut es ging. Eigentlich ging es ſchlecht, denn er
ſteckte zu der Aufgabe weder in meiner Haut noch
in meinem Gemüthe. Er war viel zu dürr und viel
zu lebendig und viel zu geſellig dafür angelegt. Die
Räthſel und die harten Nüſſe kommen nur zu häufig
an die Unrechten. Was hätte es mir Feiſtling ge-
macht, unter dem Verdachte, Kienbaum todtgeſchlagen
zu haben, durch die Welt zu vegetiren? Garnichts!
Oder die Sache würde ſogar einen gewiſſen Glanz
auf mich geworfen haben; denn die Welt würde
ſicherlich geſagt haben: ‚I ſieh mal! eigentlich ſollte
man es dem faulen Strick garnicht zutrauen, und
zu dumm iſt der Bengel im Grunde auch dazu.‘
Aber der Vater Quakatz? was blieb ihm übrig, um
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/139>, abgerufen am 16.02.2025.
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