Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

"Du!" sagte Frau Valentine, und zu mir sich
wendend, fügte sie hinzu: "Es hilft uns nichts; wir
müssen ihm seinen Willen und Weg lassen."

Wir ließen ihm seinen Willen und Weg, und
er watschelte auf dem letzteren weiter, mit dem sichern
Bewußtsein, uns in seiner Hand zu haben.


Erst stopfte er seine Pfeife von Neuem, dann
seufzte er: "Da die Welt von ihm, dem Schanzen-
bauer, nichts mehr wissen wollte, weil sie nicht genug
von ihm herausgekriegt hatte; so suchte er, nach seinem
angeborenen Menschenrecht, ohne sie auszukommen,
so gut es ging. Eigentlich ging es schlecht, denn er
steckte zu der Aufgabe weder in meiner Haut noch
in meinem Gemüthe. Er war viel zu dürr und viel
zu lebendig und viel zu gesellig dafür angelegt. Die
Räthsel und die harten Nüsse kommen nur zu häufig
an die Unrechten. Was hätte es mir Feistling ge-
macht, unter dem Verdachte, Kienbaum todtgeschlagen
zu haben, durch die Welt zu vegetiren? Garnichts!
Oder die Sache würde sogar einen gewissen Glanz
auf mich geworfen haben; denn die Welt würde
sicherlich gesagt haben: ,I sieh mal! eigentlich sollte
man es dem faulen Strick garnicht zutrauen, und
zu dumm ist der Bengel im Grunde auch dazu.'
Aber der Vater Quakatz? was blieb ihm übrig, um

W. Raabe. Stopfkuchen. 9

„Du!“ ſagte Frau Valentine, und zu mir ſich
wendend, fügte ſie hinzu: „Es hilft uns nichts; wir
müſſen ihm ſeinen Willen und Weg laſſen.“

Wir ließen ihm ſeinen Willen und Weg, und
er watſchelte auf dem letzteren weiter, mit dem ſichern
Bewußtſein, uns in ſeiner Hand zu haben.


Erſt ſtopfte er ſeine Pfeife von Neuem, dann
ſeufzte er: „Da die Welt von ihm, dem Schanzen-
bauer, nichts mehr wiſſen wollte, weil ſie nicht genug
von ihm herausgekriegt hatte; ſo ſuchte er, nach ſeinem
angeborenen Menſchenrecht, ohne ſie auszukommen,
ſo gut es ging. Eigentlich ging es ſchlecht, denn er
ſteckte zu der Aufgabe weder in meiner Haut noch
in meinem Gemüthe. Er war viel zu dürr und viel
zu lebendig und viel zu geſellig dafür angelegt. Die
Räthſel und die harten Nüſſe kommen nur zu häufig
an die Unrechten. Was hätte es mir Feiſtling ge-
macht, unter dem Verdachte, Kienbaum todtgeſchlagen
zu haben, durch die Welt zu vegetiren? Garnichts!
Oder die Sache würde ſogar einen gewiſſen Glanz
auf mich geworfen haben; denn die Welt würde
ſicherlich geſagt haben: ‚I ſieh mal! eigentlich ſollte
man es dem faulen Strick garnicht zutrauen, und
zu dumm iſt der Bengel im Grunde auch dazu.‘
Aber der Vater Quakatz? was blieb ihm übrig, um

W. Raabe. Stopfkuchen. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0139" n="129"/>
        <p>&#x201E;Du!&#x201C; &#x017F;agte Frau Valentine, und zu mir &#x017F;ich<lb/>
wendend, fügte &#x017F;ie hinzu: &#x201E;Es hilft uns nichts; wir<lb/>&#x017F;&#x017F;en ihm &#x017F;einen Willen und Weg la&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir ließen ihm &#x017F;einen Willen und Weg, und<lb/>
er wat&#x017F;chelte auf dem letzteren weiter, mit dem &#x017F;ichern<lb/>
Bewußt&#x017F;ein, uns in &#x017F;einer Hand zu haben.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Er&#x017F;t &#x017F;topfte er &#x017F;eine Pfeife von Neuem, dann<lb/>
&#x017F;eufzte er: &#x201E;Da die Welt von ihm, dem Schanzen-<lb/>
bauer, nichts mehr wi&#x017F;&#x017F;en wollte, weil &#x017F;ie nicht genug<lb/>
von ihm herausgekriegt hatte; &#x017F;o &#x017F;uchte er, nach &#x017F;einem<lb/>
angeborenen Men&#x017F;chenrecht, ohne &#x017F;ie auszukommen,<lb/>
&#x017F;o gut es ging. Eigentlich ging es &#x017F;chlecht, denn er<lb/>
&#x017F;teckte zu der Aufgabe weder in meiner Haut noch<lb/>
in meinem Gemüthe. Er war viel zu dürr und viel<lb/>
zu lebendig und viel zu ge&#x017F;ellig dafür angelegt. Die<lb/>
Räth&#x017F;el und die harten Nü&#x017F;&#x017F;e kommen nur zu häufig<lb/>
an die Unrechten. Was hätte es mir Fei&#x017F;tling ge-<lb/>
macht, unter dem Verdachte, Kienbaum todtge&#x017F;chlagen<lb/>
zu haben, durch die Welt zu vegetiren? Garnichts!<lb/>
Oder die Sache würde &#x017F;ogar einen gewi&#x017F;&#x017F;en Glanz<lb/>
auf mich geworfen haben; denn die Welt würde<lb/>
&#x017F;icherlich ge&#x017F;agt haben: &#x201A;I &#x017F;ieh mal! eigentlich &#x017F;ollte<lb/>
man es dem faulen Strick garnicht zutrauen, und<lb/>
zu dumm i&#x017F;t der Bengel im Grunde auch dazu.&#x2018;<lb/>
Aber der Vater Quakatz? was blieb ihm übrig, um<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">W. Raabe. Stopfkuchen. 9</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0139] „Du!“ ſagte Frau Valentine, und zu mir ſich wendend, fügte ſie hinzu: „Es hilft uns nichts; wir müſſen ihm ſeinen Willen und Weg laſſen.“ Wir ließen ihm ſeinen Willen und Weg, und er watſchelte auf dem letzteren weiter, mit dem ſichern Bewußtſein, uns in ſeiner Hand zu haben. Erſt ſtopfte er ſeine Pfeife von Neuem, dann ſeufzte er: „Da die Welt von ihm, dem Schanzen- bauer, nichts mehr wiſſen wollte, weil ſie nicht genug von ihm herausgekriegt hatte; ſo ſuchte er, nach ſeinem angeborenen Menſchenrecht, ohne ſie auszukommen, ſo gut es ging. Eigentlich ging es ſchlecht, denn er ſteckte zu der Aufgabe weder in meiner Haut noch in meinem Gemüthe. Er war viel zu dürr und viel zu lebendig und viel zu geſellig dafür angelegt. Die Räthſel und die harten Nüſſe kommen nur zu häufig an die Unrechten. Was hätte es mir Feiſtling ge- macht, unter dem Verdachte, Kienbaum todtgeſchlagen zu haben, durch die Welt zu vegetiren? Garnichts! Oder die Sache würde ſogar einen gewiſſen Glanz auf mich geworfen haben; denn die Welt würde ſicherlich geſagt haben: ‚I ſieh mal! eigentlich ſollte man es dem faulen Strick garnicht zutrauen, und zu dumm iſt der Bengel im Grunde auch dazu.‘ Aber der Vater Quakatz? was blieb ihm übrig, um W. Raabe. Stopfkuchen. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/139
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/139>, abgerufen am 18.05.2024.