Gelehrter in den Weg gekommen bist. Bring Du Dein dickstes Buch mit heraus. Er kann Dich ja jetzt hier auf unserm Hofe sehen, und Du kannst zusehen und es probiren, was Du für uns herauskriegst.' --
"Na ja, Frau, Du kannst es dem Eduard eigent- lich viel besser berichten, wie ich denn so von Zeit zu Zeit herausgekommen bin nach der rothen Schanze, um endlich ganz da zu bleiben. Daß ich dem Mord- bauer auf der rothen Schanze nicht das Corpus juris ins Deutsche übertragen habe, das steht fest. Aber das steht auch fest, mein Herz, mein Kind, Du altes, gutes Weib, und Du afrikanischer Freund, daß ich es beiläufig, und fast ohne mein Zuthun herausgekriegt habe: wer Kienbaums Mörder gewesen ist -- wer Kienbaum todtgeschlagen hat."
Ohne Sturm oder gar Wirbelsturm sind wir bis jetzt glücklich durchgekommen. Aber gestern Mittag ging plötzlich über den "Hagebucher" der Ruf: "Feuer auf dem Schiff!" und es blieb nur der Schiffskoch ruhig; denn der wußte es ja anfangs allein, woher der Brandgeruch stammte. Er wußte allein von dem alten wollenen Strumpf, welcher ihm unter seine Steinkohlen und auf seinen Küchenherd gerathen war. Der nichtsnutzige Nigger hatte ihn im nordischen Hamburg noch am eigenen Fuße gehabt; aber unterm
Gelehrter in den Weg gekommen biſt. Bring Du Dein dickſtes Buch mit heraus. Er kann Dich ja jetzt hier auf unſerm Hofe ſehen, und Du kannſt zuſehen und es probiren, was Du für uns herauskriegſt.‘ —
„Na ja, Frau, Du kannſt es dem Eduard eigent- lich viel beſſer berichten, wie ich denn ſo von Zeit zu Zeit herausgekommen bin nach der rothen Schanze, um endlich ganz da zu bleiben. Daß ich dem Mord- bauer auf der rothen Schanze nicht das Corpus juris ins Deutſche übertragen habe, das ſteht feſt. Aber das ſteht auch feſt, mein Herz, mein Kind, Du altes, gutes Weib, und Du afrikaniſcher Freund, daß ich es beiläufig, und faſt ohne mein Zuthun herausgekriegt habe: wer Kienbaums Mörder geweſen iſt — wer Kienbaum todtgeſchlagen hat.“
Ohne Sturm oder gar Wirbelſturm ſind wir bis jetzt glücklich durchgekommen. Aber geſtern Mittag ging plötzlich über den „Hagebucher“ der Ruf: „Feuer auf dem Schiff!“ und es blieb nur der Schiffskoch ruhig; denn der wußte es ja anfangs allein, woher der Brandgeruch ſtammte. Er wußte allein von dem alten wollenen Strumpf, welcher ihm unter ſeine Steinkohlen und auf ſeinen Küchenherd gerathen war. Der nichtsnutzige Nigger hatte ihn im nordiſchen Hamburg noch am eigenen Fuße gehabt; aber unterm
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Gelehrter in den Weg gekommen biſt. Bring Du
Dein dickſtes Buch mit heraus. Er kann Dich ja
jetzt hier auf unſerm Hofe ſehen, und Du kannſt zuſehen
und es probiren, was Du für uns herauskriegſt.‘ —
„Na ja, Frau, Du kannſt es dem Eduard eigent-
lich viel beſſer berichten, wie ich denn ſo von Zeit zu
Zeit herausgekommen bin nach der rothen Schanze,
um endlich ganz da zu bleiben. Daß ich dem Mord-
bauer auf der rothen Schanze nicht das Corpus juris
ins Deutſche übertragen habe, das ſteht feſt. Aber
das ſteht auch feſt, mein Herz, mein Kind, Du altes,
gutes Weib, und Du afrikaniſcher Freund, daß ich
es beiläufig, und faſt ohne mein Zuthun herausgekriegt
habe: wer Kienbaums Mörder geweſen iſt — wer
Kienbaum todtgeſchlagen hat.“
Ohne Sturm oder gar Wirbelſturm ſind wir
bis jetzt glücklich durchgekommen. Aber geſtern Mittag
ging plötzlich über den „Hagebucher“ der Ruf: „Feuer
auf dem Schiff!“ und es blieb nur der Schiffskoch
ruhig; denn der wußte es ja anfangs allein, woher
der Brandgeruch ſtammte. Er wußte allein von dem
alten wollenen Strumpf, welcher ihm unter ſeine
Steinkohlen und auf ſeinen Küchenherd gerathen war.
Der nichtsnutzige Nigger hatte ihn im nordiſchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/132>, abgerufen am 16.02.2025.
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