Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

davon, was in einem Bradypus bohren und treiben
kann. Mit der Krabbe, dem Mädchen da, war ich
im Reinen. Die war nunmehr meine Freundin und
meine Schutzbefohlene, und ich ihr Schutzpatron, ihr
Sankt Heinrich von der Hecke; das war ja selbstver-
ständlich --"

"Lieber Mann --"

"Liebe Frau, und ebenso selbstverständlich, ich
will lieber sagen folgerecht, kam jetzt, unterbrich mich
nicht immer, Alte, kam jetzt der Alte dran. Und da
machte sich die Sache denn natürlich auch. Ihr, Eduard,
hieltet mich für dumm und gefräßig; er hielt mich
wohl auch für gefräßig, jedoch aber auch, meine all-
gemeine Unschädlichkeit dazu gerechnet, für ein Licht
in einem gewissen Theil des Dunkels, das sein Leben
umgab, sein armes Leben, Tine!"

Die letzten paar Worte waren so gesprochen,
daß sein Weib doch den Stuhl wieder dicht an ihn
heranrückte. Sie legte auch ihre Hand auf die seine,
und er schlug den Arm um sie und sagte auf ein-
mal: "Tine, meine alte Tine Quakatz."

Dann wendete er sich wieder zu mir, und ich
wußte jetzt schon, den Wechsel im Ton zurecht zu
legen.

"Nämlich am nächsten Tage nach der Hecken-
schlacht fand ich mich natürlich zum zweiten Mal in
Registrator Schwartners Zauberreich, und diesmal
saß ich im Baum, einem niedern Apfelbaum -- dem
dort. Und diesmal stand Tinchen drunter mit auf-
gehaltener Schürze, und wieder stand der Alte plötz-

davon, was in einem Bradypus bohren und treiben
kann. Mit der Krabbe, dem Mädchen da, war ich
im Reinen. Die war nunmehr meine Freundin und
meine Schutzbefohlene, und ich ihr Schutzpatron, ihr
Sankt Heinrich von der Hecke; das war ja ſelbſtver-
ſtändlich —“

„Lieber Mann —“

„Liebe Frau, und ebenſo ſelbſtverſtändlich, ich
will lieber ſagen folgerecht, kam jetzt, unterbrich mich
nicht immer, Alte, kam jetzt der Alte dran. Und da
machte ſich die Sache denn natürlich auch. Ihr, Eduard,
hieltet mich für dumm und gefräßig; er hielt mich
wohl auch für gefräßig, jedoch aber auch, meine all-
gemeine Unſchädlichkeit dazu gerechnet, für ein Licht
in einem gewiſſen Theil des Dunkels, das ſein Leben
umgab, ſein armes Leben, Tine!“

Die letzten paar Worte waren ſo geſprochen,
daß ſein Weib doch den Stuhl wieder dicht an ihn
heranrückte. Sie legte auch ihre Hand auf die ſeine,
und er ſchlug den Arm um ſie und ſagte auf ein-
mal: „Tine, meine alte Tine Quakatz.“

Dann wendete er ſich wieder zu mir, und ich
wußte jetzt ſchon, den Wechſel im Ton zurecht zu
legen.

„Nämlich am nächſten Tage nach der Hecken-
ſchlacht fand ich mich natürlich zum zweiten Mal in
Regiſtrator Schwartners Zauberreich, und diesmal
ſaß ich im Baum, einem niedern Apfelbaum — dem
dort. Und diesmal ſtand Tinchen drunter mit auf-
gehaltener Schürze, und wieder ſtand der Alte plötz-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="117"/>
davon, was in einem Bradypus bohren und treiben<lb/>
kann. Mit der Krabbe, dem Mädchen da, war ich<lb/>
im Reinen. Die war nunmehr meine Freundin und<lb/>
meine Schutzbefohlene, und ich ihr Schutzpatron, ihr<lb/>
Sankt Heinrich von der Hecke; das war ja &#x017F;elb&#x017F;tver-<lb/>
&#x017F;tändlich &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Lieber Mann &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Liebe Frau, und eben&#x017F;o &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich, ich<lb/>
will lieber &#x017F;agen folgerecht, kam jetzt, unterbrich mich<lb/>
nicht immer, Alte, kam jetzt der Alte dran. Und da<lb/>
machte &#x017F;ich die Sache denn natürlich auch. Ihr, Eduard,<lb/>
hieltet mich für dumm und gefräßig; er hielt mich<lb/>
wohl auch für gefräßig, jedoch aber auch, meine all-<lb/>
gemeine Un&#x017F;chädlichkeit dazu gerechnet, für ein Licht<lb/>
in einem gewi&#x017F;&#x017F;en Theil des Dunkels, das &#x017F;ein Leben<lb/>
umgab, &#x017F;ein armes Leben, Tine!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die letzten paar Worte waren &#x017F;o ge&#x017F;prochen,<lb/>
daß &#x017F;ein Weib doch den Stuhl wieder dicht an ihn<lb/>
heranrückte. Sie legte auch ihre Hand auf die &#x017F;eine,<lb/>
und er &#x017F;chlug den Arm um &#x017F;ie und &#x017F;agte auf ein-<lb/>
mal: &#x201E;Tine, meine alte Tine Quakatz.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dann wendete er &#x017F;ich wieder zu mir, und ich<lb/>
wußte jetzt &#x017F;chon, den Wech&#x017F;el im Ton zurecht zu<lb/>
legen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nämlich am näch&#x017F;ten Tage nach der Hecken-<lb/>
&#x017F;chlacht fand ich mich natürlich zum zweiten Mal in<lb/>
Regi&#x017F;trator Schwartners Zauberreich, und diesmal<lb/>
&#x017F;aß ich im Baum, einem niedern Apfelbaum &#x2014; dem<lb/>
dort. Und diesmal &#x017F;tand Tinchen drunter mit auf-<lb/>
gehaltener Schürze, und wieder &#x017F;tand der Alte plötz-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0127] davon, was in einem Bradypus bohren und treiben kann. Mit der Krabbe, dem Mädchen da, war ich im Reinen. Die war nunmehr meine Freundin und meine Schutzbefohlene, und ich ihr Schutzpatron, ihr Sankt Heinrich von der Hecke; das war ja ſelbſtver- ſtändlich —“ „Lieber Mann —“ „Liebe Frau, und ebenſo ſelbſtverſtändlich, ich will lieber ſagen folgerecht, kam jetzt, unterbrich mich nicht immer, Alte, kam jetzt der Alte dran. Und da machte ſich die Sache denn natürlich auch. Ihr, Eduard, hieltet mich für dumm und gefräßig; er hielt mich wohl auch für gefräßig, jedoch aber auch, meine all- gemeine Unſchädlichkeit dazu gerechnet, für ein Licht in einem gewiſſen Theil des Dunkels, das ſein Leben umgab, ſein armes Leben, Tine!“ Die letzten paar Worte waren ſo geſprochen, daß ſein Weib doch den Stuhl wieder dicht an ihn heranrückte. Sie legte auch ihre Hand auf die ſeine, und er ſchlug den Arm um ſie und ſagte auf ein- mal: „Tine, meine alte Tine Quakatz.“ Dann wendete er ſich wieder zu mir, und ich wußte jetzt ſchon, den Wechſel im Ton zurecht zu legen. „Nämlich am nächſten Tage nach der Hecken- ſchlacht fand ich mich natürlich zum zweiten Mal in Regiſtrator Schwartners Zauberreich, und diesmal ſaß ich im Baum, einem niedern Apfelbaum — dem dort. Und diesmal ſtand Tinchen drunter mit auf- gehaltener Schürze, und wieder ſtand der Alte plötz-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/127
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/127>, abgerufen am 18.05.2024.