hierbleiben bis es dunkel geworden ist, Stadtjunge. Sie lauern Dir sicher am Dorfe auf; da kenne ich sie. Sie prügeln Dich durch, und so ist es Dir viel- leicht lieber, Du läßt Dich Abends wegen Ausbleiben von Deinem Vater oder Deiner Mutter durchprügeln.' Ihr habt mich nie in der Schaar eurer Helden mit- gezählt, Eduard. Von euch hellumschienten Achaiern hätte ich nimmer das beste und also auch ehrenvollste Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt be- kommen. Wieviel mehr Heroenthum, unter Umständen, in mir als wie in euch steckte, davon hattet ihr natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rückenstück vom Spieß mit gebräuntem Mehl bestreut haben wollte, so hatte ich es mir hinter eurem Rücken selber anzurenommiren: ,Ich fürchte mich vor nichts in der Welt und vor dem Pack aus Maiholzen garnicht. Derentwegen gehe ich schon bei Tage zu jeder Zeit; aber weil Du dies gesagt hast bleibe ich doch hier, jetzt gerade!' Der Herr Registrator Schwartner und der Prinz Xaver von Sachsen hatten in diesem Augenblick nichts mit dem gruselnd-süßen Gefühl, endlich innerhalb der verrufenen, geheimnißvollen rothen Schanze zu stehen, zu thun. ,Der Vater ist wieder im Haus, und wir sind vor ihm sicher,' sagte meine jetzige Frau. ,Du bist gut gegen mich ge- wesen, Stadtjunge, Du brauchst Dich diesmal also nicht vor mir zu fürchten. Ich werfe Dich nicht in den Brunnen. Sollen wir zuerst in den Birnbaum steigen, oder willst Du lieber erst meine Kaninchen sehen und meine Ziegen? Wir haben auch kleine
hierbleiben bis es dunkel geworden iſt, Stadtjunge. Sie lauern Dir ſicher am Dorfe auf; da kenne ich ſie. Sie prügeln Dich durch, und ſo iſt es Dir viel- leicht lieber, Du läßt Dich Abends wegen Ausbleiben von Deinem Vater oder Deiner Mutter durchprügeln.‘ Ihr habt mich nie in der Schaar eurer Helden mit- gezählt, Eduard. Von euch hellumſchienten Achaiern hätte ich nimmer das beſte und alſo auch ehrenvollſte Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt be- kommen. Wieviel mehr Heroenthum, unter Umſtänden, in mir als wie in euch ſteckte, davon hattet ihr natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rückenſtück vom Spieß mit gebräuntem Mehl beſtreut haben wollte, ſo hatte ich es mir hinter eurem Rücken ſelber anzurenommiren: ‚Ich fürchte mich vor nichts in der Welt und vor dem Pack aus Maiholzen garnicht. Derentwegen gehe ich ſchon bei Tage zu jeder Zeit; aber weil Du dies geſagt haſt bleibe ich doch hier, jetzt gerade!‘ Der Herr Regiſtrator Schwartner und der Prinz Xaver von Sachſen hatten in dieſem Augenblick nichts mit dem gruſelnd-ſüßen Gefühl, endlich innerhalb der verrufenen, geheimnißvollen rothen Schanze zu ſtehen, zu thun. ‚Der Vater iſt wieder im Haus, und wir ſind vor ihm ſicher,‘ ſagte meine jetzige Frau. ‚Du biſt gut gegen mich ge- weſen, Stadtjunge, Du brauchſt Dich diesmal alſo nicht vor mir zu fürchten. Ich werfe Dich nicht in den Brunnen. Sollen wir zuerſt in den Birnbaum ſteigen, oder willſt Du lieber erſt meine Kaninchen ſehen und meine Ziegen? Wir haben auch kleine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0122"n="112"/>
hierbleiben bis es dunkel geworden iſt, Stadtjunge.<lb/>
Sie lauern Dir ſicher am Dorfe auf; da kenne ich<lb/>ſie. Sie prügeln Dich durch, und ſo iſt es Dir viel-<lb/>
leicht lieber, Du läßt Dich Abends wegen Ausbleiben<lb/>
von Deinem Vater oder Deiner Mutter durchprügeln.‘<lb/>
Ihr habt mich nie in der Schaar eurer Helden mit-<lb/>
gezählt, Eduard. Von euch hellumſchienten Achaiern<lb/>
hätte ich nimmer das beſte und alſo auch ehrenvollſte<lb/>
Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt be-<lb/>
kommen. Wieviel mehr Heroenthum, unter Umſtänden,<lb/>
in mir als wie in euch ſteckte, davon hattet ihr<lb/>
natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rückenſtück<lb/>
vom Spieß mit gebräuntem Mehl beſtreut haben<lb/>
wollte, ſo hatte ich es mir hinter eurem Rücken ſelber<lb/>
anzurenommiren: ‚Ich fürchte mich vor nichts in der<lb/>
Welt und vor dem Pack aus Maiholzen garnicht.<lb/>
Derentwegen gehe ich ſchon bei Tage zu jeder Zeit;<lb/>
aber weil Du dies geſagt haſt bleibe ich doch hier,<lb/>
jetzt gerade!‘ Der Herr Regiſtrator Schwartner und<lb/>
der Prinz Xaver von Sachſen hatten in dieſem<lb/>
Augenblick nichts mit dem gruſelnd-ſüßen Gefühl,<lb/>
endlich innerhalb der verrufenen, geheimnißvollen<lb/>
rothen Schanze zu ſtehen, zu thun. ‚Der Vater iſt<lb/>
wieder im Haus, und wir ſind vor ihm ſicher,‘ſagte<lb/>
meine jetzige Frau. ‚Du biſt gut gegen mich ge-<lb/>
weſen, Stadtjunge, Du brauchſt Dich diesmal alſo<lb/>
nicht vor mir zu fürchten. Ich werfe Dich nicht in<lb/>
den Brunnen. Sollen wir zuerſt in den Birnbaum<lb/>ſteigen, oder willſt Du lieber erſt meine Kaninchen<lb/>ſehen und meine Ziegen? Wir haben auch kleine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[112/0122]
hierbleiben bis es dunkel geworden iſt, Stadtjunge.
Sie lauern Dir ſicher am Dorfe auf; da kenne ich
ſie. Sie prügeln Dich durch, und ſo iſt es Dir viel-
leicht lieber, Du läßt Dich Abends wegen Ausbleiben
von Deinem Vater oder Deiner Mutter durchprügeln.‘
Ihr habt mich nie in der Schaar eurer Helden mit-
gezählt, Eduard. Von euch hellumſchienten Achaiern
hätte ich nimmer das beſte und alſo auch ehrenvollſte
Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt be-
kommen. Wieviel mehr Heroenthum, unter Umſtänden,
in mir als wie in euch ſteckte, davon hattet ihr
natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rückenſtück
vom Spieß mit gebräuntem Mehl beſtreut haben
wollte, ſo hatte ich es mir hinter eurem Rücken ſelber
anzurenommiren: ‚Ich fürchte mich vor nichts in der
Welt und vor dem Pack aus Maiholzen garnicht.
Derentwegen gehe ich ſchon bei Tage zu jeder Zeit;
aber weil Du dies geſagt haſt bleibe ich doch hier,
jetzt gerade!‘ Der Herr Regiſtrator Schwartner und
der Prinz Xaver von Sachſen hatten in dieſem
Augenblick nichts mit dem gruſelnd-ſüßen Gefühl,
endlich innerhalb der verrufenen, geheimnißvollen
rothen Schanze zu ſtehen, zu thun. ‚Der Vater iſt
wieder im Haus, und wir ſind vor ihm ſicher,‘ ſagte
meine jetzige Frau. ‚Du biſt gut gegen mich ge-
weſen, Stadtjunge, Du brauchſt Dich diesmal alſo
nicht vor mir zu fürchten. Ich werfe Dich nicht in
den Brunnen. Sollen wir zuerſt in den Birnbaum
ſteigen, oder willſt Du lieber erſt meine Kaninchen
ſehen und meine Ziegen? Wir haben auch kleine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/122>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.