ich fühle die Püffe heute noch und greife heute noch nach hinten und vorn mir am Leibe herum. Dann mit einem Male der Graben des Prinzen Xaver und die Wallhecke des Bauern Quakatz zwischen uns und dem Feinde! Herrgott, wie lief mir das Blut aus der Nase, und wie wischten sie drüben mit den Jackenärmeln das ihrige von den Mäulern und kreischten und schimpften und warfen mit Steinen herüber: ,Kopfab! kopfab! Kienbaum! Kienbaum! Tine Quakatz, kopfab, kopfab!' Herrgott, und dann der wirkliche Schrecken bis ins Mark, so- wohl bei mir, wie bei der Menschheits-Entrüstungs- Kundgebung von drüben, jenseit des Grabens. Da stand Er -- die drüben rissen aus wie die Spatzen vor dem Steinwurf, da stand er hinter mir, zum ersten Mal in meinem Leben dicht neben mir: der Mord- bauer von der rothen Schanze, der vervehmte Mann von der rothen Schanze, der Bauer Andres Quakatz, Kienbaums Mörder! Im Grunde war es doch eigentlich nur eure Schuld, daß ich seine Bekanntschaft so zuerst machte und nachher sie mehr und mehr suchte. Ein Mensch, den seine Zeitgenossen unter der Hecke liegen lassen, der sucht sich eben einsam sein eigenes Vergnügen und läßt den Andern das ihrige. -- Ja, mein seliger Schwiegervater an jenem Tage! mich schien er gar nicht zu sehen; er sah nur auch über die Hecke nach dem kreischenden, immer noch mit allem möglichen Wurfmaterial schleudernden Schwarm unserer und seiner Gegner. Und statt etwas dazu zu be- merken, wandte er sich wieder und ging gegen das
ich fühle die Püffe heute noch und greife heute noch nach hinten und vorn mir am Leibe herum. Dann mit einem Male der Graben des Prinzen Xaver und die Wallhecke des Bauern Quakatz zwiſchen uns und dem Feinde! Herrgott, wie lief mir das Blut aus der Naſe, und wie wiſchten ſie drüben mit den Jackenärmeln das ihrige von den Mäulern und kreiſchten und ſchimpften und warfen mit Steinen herüber: ‚Kopfab! kopfab! Kienbaum! Kienbaum! Tine Quakatz, kopfab, kopfab!‘ Herrgott, und dann der wirkliche Schrecken bis ins Mark, ſo- wohl bei mir, wie bei der Menſchheits-Entrüſtungs- Kundgebung von drüben, jenſeit des Grabens. Da ſtand Er — die drüben riſſen aus wie die Spatzen vor dem Steinwurf, da ſtand er hinter mir, zum erſten Mal in meinem Leben dicht neben mir: der Mord- bauer von der rothen Schanze, der vervehmte Mann von der rothen Schanze, der Bauer Andres Quakatz, Kienbaums Mörder! Im Grunde war es doch eigentlich nur eure Schuld, daß ich ſeine Bekanntſchaft ſo zuerſt machte und nachher ſie mehr und mehr ſuchte. Ein Menſch, den ſeine Zeitgenoſſen unter der Hecke liegen laſſen, der ſucht ſich eben einſam ſein eigenes Vergnügen und läßt den Andern das ihrige. — Ja, mein ſeliger Schwiegervater an jenem Tage! mich ſchien er gar nicht zu ſehen; er ſah nur auch über die Hecke nach dem kreiſchenden, immer noch mit allem möglichen Wurfmaterial ſchleudernden Schwarm unſerer und ſeiner Gegner. Und ſtatt etwas dazu zu be- merken, wandte er ſich wieder und ging gegen das
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ich fühle die Püffe heute noch und greife heute noch
nach hinten und vorn mir am Leibe herum. Dann
mit einem Male der Graben des Prinzen Xaver
und die Wallhecke des Bauern Quakatz zwiſchen uns
und dem Feinde! Herrgott, wie lief mir das Blut
aus der Naſe, und wie wiſchten ſie drüben mit
den Jackenärmeln das ihrige von den Mäulern und
kreiſchten und ſchimpften und warfen mit Steinen
herüber: ‚Kopfab! kopfab! Kienbaum! Kienbaum!
Tine Quakatz, kopfab, kopfab!‘ Herrgott, und
dann der wirkliche Schrecken bis ins Mark, ſo-
wohl bei mir, wie bei der Menſchheits-Entrüſtungs-
Kundgebung von drüben, jenſeit des Grabens. Da ſtand
Er — die drüben riſſen aus wie die Spatzen vor
dem Steinwurf, da ſtand er hinter mir, zum erſten
Mal in meinem Leben dicht neben mir: der Mord-
bauer von der rothen Schanze, der vervehmte Mann
von der rothen Schanze, der Bauer Andres Quakatz,
Kienbaums Mörder! Im Grunde war es doch
eigentlich nur eure Schuld, daß ich ſeine Bekanntſchaft
ſo zuerſt machte und nachher ſie mehr und mehr ſuchte.
Ein Menſch, den ſeine Zeitgenoſſen unter der Hecke
liegen laſſen, der ſucht ſich eben einſam ſein eigenes
Vergnügen und läßt den Andern das ihrige. — Ja,
mein ſeliger Schwiegervater an jenem Tage! mich
ſchien er gar nicht zu ſehen; er ſah nur auch über
die Hecke nach dem kreiſchenden, immer noch mit allem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/120>, abgerufen am 24.11.2024.
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